Tichys Einblick
Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Humor als Ressource in der politischen Auseinandersetzung

„Oben vom Kirchturm aus ist alles ein bisschen kleiner und lustiger“, lautet eine alte Küsterweisheit. An diesem Punkt küssen sich der Humor und das Evangelium, die frohe Botschaft von Jesus Christus.

IMAGO/phototek - Screenprint: twitter/baerbockpress - Collage: TE

1988 habe ich in der DDR ein kirchliches Praktikum machen dürfen. Bei einem Gemeindeausflug kann ich mich noch gut an die Busfahrt erinnern. Die Teilnehmer hatten ziemlich einen gebechert. Und dann ging es los: Ein Witz nach dem anderen wurde über Honecker & Co erzählt. Witze, die es in sich hatten – mit einem ernsten Hintergrund, aber auch mit einer geballten Ladung an Spott und Hohn. Der Frust über die Zustände im Land war groß und fand im Lachen ein Ventil. Alle machten mit. Selbst denen, die unter Stasi-Verdacht standen, blieb nichts anders übrig, als kräftig mitzulachen, um sich nicht als Spitzel zu entlarven.

2023 ist in Deutschland der Frust, der Ärger, ja der Zorn über die Politik ebenfalls unübersehbar. Im Augenblick werden nicht nur wie zu allen Zeiten an der Oberfläche politische Fehler gemacht; das gehört zu uns Menschen leider dazu und da müssen wir gegenüber Zahnärzten, Theologen und Politikern immer wieder Gnade vor Recht ergehen lassen. Im Augenblick aber werden die Grundfundamente unseres Staates mit dem Presslufthammer zerstört: die freie Rede, die günstige und zuverlässige Energieversorgung, die industriell-wirtschaftliche Basis für unseren Wohlstand, die Sicherheit und Finanzierbarkeit der Sozialkassen, die für ein rohstoffarmes Industrieland notwendige Bildungsführerschaft … Ein großer Teil der Bevölkerung feiert diese Transformation und diffamiert deren Kritiker als Extremisten, deren Geschäftsmodell Hass und Hetze sei.

Was aber sollen die anderen Bürger, die von dieser Politik in ihrem Alltag und in ihrer Seele erschüttert sind, machen mit ihrem Frust und mit ihrer Wut?

Da kann man doch glatt depressiv werden. Nach Sigmund Freud ist die Depression die gegen sich selbst gerichtete Aggression. Statt die Verursacher anzuklagen und zu attackieren, schlucken Menschen ihre Wut herunter und leiten in der Depression den Frust selbstzerstörerisch auf die eigene Seele um. Für mich ein Sumpf, den ich gerne umgehen würde, indem ich lerne, politische Verletzungen wahrzunehmen und die dadurch hervorgerufenen aggressiven inneren Stimmen konstruktiv nach außen zu lenken.

Dabei denke ich nicht an Trillerpfeifen gegen unliebsame Politiker. Für mich als Liebhaber des demokratischen Diskurses haben Trillerpfeifen etwas Abschreckendes. Zudem bieten die Trillerpfeifen-Proteste den Politikern die Möglichkeit, von ihrem eigenen aggressiven und zerstörersichen Handeln abzulenken auf das „unmögliche und primitive Benehmen“ der Trillerpfeifer. Warum sollte ich meinen Gegnern diese Steilvorlage schenken?

Stattdessen ist für mich der Humor eine attraktive Möglichkeit der konstruktiven Wutkanalisation. Der Humor hat aufbauende und einfühlsame Seiten, die bis in die Psychotherapie hinein fruchtbar gemacht werden können. Aber der Humor hat auch streitlustige und angriffslustige Seiten, die innere Spannungen konstrutiv und antidepressiv nach außen lenken können. Spott, Häme, Sarkasmus, Karikatur, Satire können zur Hilfe werden im politischen Kampf. Humor ist hervorragend geeignet für das Lächerlichmachen des Absurden. Der Humor hat kritische, rebellische und trotzige Kraft.

„Humor war in unserer Geschichte immer ein Medikament“, so bezeugen die Chassidim. Das jüdische Volk, das in seiner Geschichte unsägliche Tiefen durchmachen musste, ist ausgezeichnet durch einen brillianten und scharfsinnigen Humor. Während evangelische Theologen wie ich in diesem Vorwort theoretische Abhandlungen über den Humor verfassen, erzählen die Juden tiefsinnige Witze. „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“

Humor schafft Distanz. Er schützt vor Verbissenheit, vor Versinken im Elend. Es ist wie bei Wilhelm Buschs Vogel, der sich im Geäst des Baumes verfangen hat. Die Katze hat ihn entdeckt und steigt ihm langsam entgegen. Als der Vogel erkennt, dass er ohnmächtig seinem Schicksal ausgeliefert ist, geht es bei Wilhelm Busch so weiter:

„Der Vogel denkt: Weil das so ist und weil mich doch der Kater frisst, so will ich keine Zeit verlieren, will noch ein wenig quinquilieren und lustig pfeifen wie zuvor. Der Vogel, scheint mir, hat Humor.“

Heiterkeit mit seiner distanzierenden Kraft als Schmerztherapeutikum und Lebenshilfe selbst in dunklen Krisen.

An dieser Stelle darf auch ein spiritueller religiöser Glaube ins Spiel kommen. Während ein moralisierender Glaube die Tendenz zum freudlosen Fanatismus hat, kann ein spiritiueller Glaube, bei dem der Friede mit Gott im Mittelpunkt steht, die Kraft zur Distanzierung unterstützen. „Oben vom Kirchturm aus ist alles ein bisschen kleiner und lustiger“, lautet eine alte Küsterweisheit. An diesem Punkt küssen sich der Humor und das Evangelium, die frohe Botschaft von Jesus Christus.

Humor verdeutlicht und pointiert. In einer geschichtsträchtigen Inszenierung erklärt Annalena Baerbock „feministische Außenpolitik“. Sie bestehe darin, dass sich Deutschland in Afrika dafür engagiere, dass die öffentlichen Toilettenhäuschen an den Stellen gebaut werden, die für die Frauen am günstigsten seien. Sicherlich wartet man in Niger jeden Tag auf solche deutschen Toiletten-Rat-Schläge. „Parody Annalena“ greift diese mehrminütige offizielle Staats-Komödie dankbar auf: „Morgen steht ein Staatsbesuch bei meinem Amtskollege*n Fiasalbini Farhan an. Ich werde ihm vorschlagen, in Saudi-Arabien den Feminismus als Schulfach einzuführen. Weitere Themen: Gendersensible Sprache und LGBTQ+.“

Zum Ärger des echten Außenministeriums ist es erstaunlich, wie viele Menschen diese Fake-Parody der Echt-Parodie für wahr gehalten hatten, weil mittlerweile die Realität die Parodie überholt hat. Macht sich im Augenblick Annalena Baerbock mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro dafür stark, bei Nordkoreas Kim Jong-un die Entwicklung einer feministischen Atombombe zu fördern, die nicht gegen Frauen eingesetzt werden kann?

Otto Waalkes kann da einfach nicht mehr mithalten, wenn eine Ampel-Verteidigungsministerin mitten im Silvestergeböller in ihrem hemdsärmeligen Amateurvideo über ihre guten Seiten des Ukraine-Krieges herumschwurbelt. Und was sind schon die schlechten Witze von „CDU-ist-Nazipartei-Böhmermann“ gegenüber dem grottenschlechten Witz eines Kinderbuchautors, mitten in einer fundamentalen Eniergiekrise die Atomkraftwerke abzuschalten? Und immer wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo der Wahnsinn her: „Das, was ich im Moment mache, ist das Beste, was ich in meinem bisherigen politischen Leben gemacht habe. Es bedeutet mir richtig viel und ich bin stolz darauf“ (Wirtschaftsminister Robert Habeck im ZEIT-Interview August 2023).

Roland Tichy gibt seinem Twitter-Account die Überschrift: „Das Land ist ein Irrenhaus und ich der Chronist.“ Menschen, die vom Schicksal mit wirtschaftlichen Grundkenntnissen bestraft wurden, haben es schwer in diesen Zeiten, in denen sich Herbert Grönemeyers Gesellschaftsvision erfüllt hat: „Gebt den Kindern das Kommando. Sie berechnen nicht, was sie tun. Die Welt gehört in Kinderhände. Dem Trübsinn ein Ende. Wir werden in Grund und Boden gelacht. Kinder an die Macht.“

Wohl dem, der Wege findet, innere Distanz vom politischen Irrsinn zu finden. Der Humor, der Waldspaziergang und der Glaube könnten zur Überlebensmedizin werden, mit denen man sich zumindest geistig aus dem politischen Kindersumpf herausziehen kann. Und es bleibt die Hoffnung, dass sich die populistische Meinung weiter verbreitet, dass man den Anteil der Komiker in der Regierung auf unter 66,6 Prozent reduzieren sollte.

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