Tichys Einblick
Politisierung aller Bereiche

Sechs gewichtige Gründe gegen die Politisierung der Fußball-Nationalmannschaft

Der Zuschauer möchte ein faires Spiel zweier Teams sehen. Viele wollen dabei nicht unbedingt politisch bepredigt werden; die Zuschauer können sich nicht dagegen wehren; es sei denn, sie kehren dem Fußball wegen dessen zunehmender Politisierung den Rücken - was aber nicht der Sinn eines Fußballspiels ist.

IMAGO / Sports Press Photo

Seit dem EM-Testspiel gegen Litauen (7.6.2021) trägt Manuel Neuer, der Torwart der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, eine Kapitänsbinde in Regenbogenfarben. In Katar wollte Neuer die sich daran anlehnende „One-Love-Binde“ tragen, die vermeintlich kompatibler mit dem muslimisch-autoritären Katar sei.

Diese Binden sollen ein politisches Zeichen gegen Homophobie sein und ein „Bekenntnis für mehr Toleranz und Vielfalt und gegen Hass und Ausgrenzung“ (DFB). Die Regenbogenbinde will nicht parteipolitisch verstanden werden, hat aber tendenziell eine Nähe zum rot-grünen Parteienspektrum.

Im Folgenden möchte ich darlegen, warum diese Kapitänsbinden sowohl für den politischen Diskurs als auch für den Fußball kontraproduktiv sind.

Erstens: Politik auf dem Fußballplatz bindet Kräfte an der falschen Stelle

Bei Fußballturnieren liegen die Mannschaften in der fußballerischen Qualität oft nahe beieinander. Darum ist es wichtig, die eigene Stärke hunderprozentig zu mobilisieren, wenn man gewinnen möchte. Schon ein einziger nachlässiger Prozentpunkt kann spielentscheidend sein. Politische Fragen sind meistens Sreitfragen, die zuweilen mit hoher Emotionalität geführt werden. Das kann an der falschen Stelle die Kräfte binden, die dann dem eigenen Fußballspiel fehlen. Die Geste der deutschen Nationalmannschaft vor dem Spiel gegen Japan, das Sich-den-Mund-Zuhalten, wird Kapazitäten an Kraft und Konzentration geraubt haben, ob man will oder nicht. Warum befreit der DFB seine Spieler nicht von diesem Ballast, dem Fußball zuliebe?

Zweitens: Eine politische Kapitänsbinde ist kontraproduktiv

Der Zuschauer will Fußball sehen. Viele wollen dabei nicht unbedingt politisch bepredigt werden. Dieser politische Exhibitionismus in einem unpolitischen Spiel ist übergriffig; die Zuschauer können sich nicht dagegen wehren; es sei denn, sie kehren dem Fußball wegen dessen Politisierung den Rücken zu, was aber nicht der Sinn eines Fußballspiels ist. Binden in Fußballspielen fördern die Oberlehrerattitüde. Sie zielen nicht auf die politische Diskussion, sondern auf die Verkündigung der alternativlosen Wahrheit. Das ist autoritär und von oben herab. Es tritt die Zuschauer mit Füßen, die gegenüber der Wucherung der Politik in alle Lebensbereiche hinein das Menschenrecht auf politikfreie Räume betonen.

Drittens: Die Regenbogenbinde entpuppt sich als Binde der Scheinheiligkeit 

In der Coronazeit hat der DFB ungeimpfte Spieler und Trainer gnadenlos und evidenzarm diskriminiert und ausgegrenzt. Damit hat der DFB viel Leid verursacht. Von Vielfalt und Toleranz war in Fragen der Corona-Impfung nichts zu spüren. Solange die Regenbogenflagge nur für die Vielfalt an Hautfarben und sexuellen Orientierungen steht, dabei aber die Meinungsvielfalt bekämpft wird, ist Manuel Neuers Regenbogenbinde ein Symbol für geistige Enge und Intoleranz. Warum sollte eine Fußballmannschaft für geistige Enge und Intoleranz missionieren?

Viertens: Welche politischen Symbole dürfen es denn sein?

Wie wäre es, wenn Katar mit einer „Scharia-Binde“ aufläuft? Schweden mit der „Maskenfrei-Binde“? Polen mit der „Atomkraft-Ja-Bitte-Binde“? Norwegen mit der „Keine-Impfung-unter-60-Binde“? Iran mit der „Palästina-den-Palästinensern-Binde“? Und Kamerun mit der „Kampf-den-sexuellen-Verirrungen-Binde“?

Oder hat nur Deutschland das einzig wahre Motto, an dem die ganze Welt genesen soll?

Die Politisierung des Fußballs ist für die Völkerverständigung kontraproduktiv.

Fünftens: Politik ist wichtig, gehört aber nicht auf den Fußballplatz

Wer in Katar die Verhältnisse ändern möchte, der hat dazu viele Möglichkeiten: Er kann versuchen, eine Politik zu fördern, die dem „Habeckschen-Katar-Bückling“ entgegenwirkt; er kann Amnesty International untersützen; er kann sich in den Dialog mit dem Islam einbringen und stärker auf die wunden Punkte in diesem hinweisen; denn wie soll der Islam zu Deutschland gehören, wenn sich Deutschland noch nicht einmal einen Monat lang als Gast in einem islamischen Land ohne Protest bewegen kann?

Sechstens: Was will die Regenbogenbinde politisch erreichen?

Will die Nationalmannschaft mit ihrer Binde eine Regenbogenrevolution in Katar auslösen? Das wird ihr nicht gelingen, da für die Mehrheit der Muslime die Regenbogenideologie lediglich ein abschreckendes Symbol für westliche Dekadenz ist.

Vielleicht zielt die Binde aber gar nicht auf Katar, sondern nur auf das eigene Publikum in Deutschland: Etwa als deutscher Ablass für die 200 Millionen Euro, die ARD und ZDF mit den GEZ-Zwangsgebühren von uns allen für die Fußballübertragunsrechte an die FIFA und Katar überwiesen haben? Geht es bei der Binde letztlich um Schuld und Sühne, um Gewissensreinwaschung?

Oder will sich die Nationalmannschaft schlicht und einfach in dem Gutmenschentum ihrer eigenen politischen Filterblase baden, ohne dabei auch nur ansatzweise die Konsequenzen des eigenen Handelns bedenken zu wollen?

Fazit:

Die Politisierung unserer Nationalmannschaft hat vielfach kontraproduktive Wirkung:
Aus Fußballern werden politische Missionare.
Aus Zuschauern werden Missionsobjekte.
Aus Politik wird Symbolkasperei.
Aus Völkerverständigung wird Völkerbelehrung.
Aus König Fußball wird der Schleppenträger von Scheinheiligkeit.
Aus Spaß wird Ernst.

Ernst haben wir aber schon genug.

Vielleicht kann Deutschland ja mal von anderen Ländern etwas lernen; etwa von Granit Xhaka, dem Schweizer Nationalspieler: „Wir werden nicht das Gleiche tun wie die deutsche Nationalmannschaft. Wir werden die Sitten und Gebräuche in Katar respektieren. Wir sind hier, um Ball zu spielen und niemandem Unterricht zu erteilen.“

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