Tichys Einblick
Brandmauer EKD

Parteiloser Pfarrer erhält Arbeitsverbot, weil er für die AfD kandidiert

In der EKD darf man Gott leugnen, eine „Gott-ist-tot-Theologie“ vertreten oder Greta Thunberg den Konfirmanden als neuzeitliche göttliche Prophetin anpreisen, aber nicht für die AfD kandidieren.

IMAGO

Zwei Herren klingeln an der Haustür von Ehepaar Michaelis in Quedlinburg. Sie sind nicht von den Zeugen Jehovas. Einer ist Superintendent, der Chef von Pfarrer Martin Michaelis; der andere eine Zeugenperson. Beide sind höchstpersönlich in wichtiger Mission unterwegs und haben circa 50 Kilometer Autofahrt hinter sich. Der parteilose Pfarrer Michaelis ist von der AfD für die Kommunalwahl in Quedlinburg (9. Juni 2024) auf den dritten Listenplatz gewählt worden. Der Superintendent übergibt Frau Michaelis ein Schreiben für ihren Mann mit folgendem Inhalt:

„Nachdem Sie nun die Kandidatur bestätigt haben, hat der KKR (= Kreiskirchenrat des Kirchenkreises Egeln) in seiner gestrigen Sitzung den Beschluss gefasst, Ihre (Pfarr)Beauftragung zum morgigen Freitag, 15.3.2024, aufzuheben. Den entsprechenden Beschluss finden Sie im Anhang.

Ihre Entscheidung und die darauf entstehenden Umstände bedeuten für die betreffenden Kirchengemeinden eine schwere Erschütterung. Um weiteren Schaden von den Gemeinden abzuwenden, ordne ich hiermit nach § 58 Pfarrerdienstgesetz an, dass Sie ab heute keine dienstlichen Tätigkeiten mehr im Rahmen ihrer Beauftragung für den Pfarrbereich Gatersleben wahrnehmen. Das betrifft ausdrücklich auch den für heute, 18.00 Uhr, geplanten Gottesdienst in Nachterstedt. In Absprache mit dem Gemeindekirchenrat wird von mir ein entsprechender Ersatz organisiert.

Im Namen des Kreiskirchenrates bedauere ich die Entwicklung. Da Sie jedoch Ihre Entscheidung getroffen haben, sind die hier benannten Konsequenzen unvermeidbar.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Porzelle, Superintendent“.

In der evangelischen Kirche darf man Gott leugnen und eine „Gott-ist-tot-Theologie“ vertreten.

In der evangelichen Kirche darf man Greta Thunberg den Konfirmanden als neuzeitliche göttliche Prophetin anpreisen.

In der evangelischen Kirche darf man das armselige Dogma „Impfen ist Nächstenliebe“ als Kirchenräson vertreten, das aus einem medizinischen Abwägungsprozess mit einem unausgereiften Impfstoff eine sakral-verbindliche Liebespflicht zugunsten der Pharmakonzerne macht.

All das geht in der evangelischen Kirche und eröffnet sogar Karrierechancen. Aber eines geht in der evangelischen Kirche nicht: sich irgendwo in der Nähe der AfD aufzuhalten, ohne das rituelle Gebet von der heiligen Brandmauer vom Kirchturm zu rufen.

Auf ihrer Hompage gibt die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKMD) in einem „Wort zum Wahljahr“ 2024 bekannt: „Die Positionen extremer Parteien wie (…) der AfD können wir nicht akzeptieren. Sie sind mit christlichen Werten und mit der Verfassung unserer Kirche nicht vereinbar.“

Das ist eine Kampfansage und eine mehr oder weniger direkte Exkommunikation aller evangelischen Mitglieder, Mandatasträger, Wähler oder Sympathisanten der AfD. „In dieser Situation“, so Pfarrer Michaelis, „stelle ich mich als parteiloser Pfarrer solidarisch an die Seite vieler Christen, die sich der AfD verbunden fühlen. Einen AfD-Kommunalwahl-Kandidaten habe ich selbst vor einem dreiviertel Jahr getauft. Selbstverständlich sehe ich nicht tatenlos zu, wenn ihnen der Glaube abgesprochen wird.“ Die Einschätzung der AfD durch den Verfasssungsschutz, der unter Thomas Haldenwang eine gesichert regierungsextreme Exekutivbehörde ist, reicht für die kirchliche Exkommunikationskampagne nicht aus.

Die Kirchenfürsten allerdings sind sich in ihrer Verketzerung der AfD sicher. So sicher, als hätten sie kübelweise vom Baum der Erkenntnis gegessen und wären jetzt wie Gott. Doch sorry, liebe Götter im Talar, es gibt Kirchenmitglieder und Christen, die Fragen haben:

Warum widerspricht das den christlichen Werten und der Verfassung der Kirche, wenn die AfD

  • die teilweise höchst undemokratisch konstituierte EU kritisiert,
  • Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild befürwortet,
  • eine grenzenlose Masseneinwanderung von Niedrigqualifizierten ablehnt, die in Deutschland ein großes neues Mileu von Judenhassern und Bürgergeld-Empfängern schafft,
  • die Impfung mit einem umstrittenen Impfstoff dem freien Patient-Arzt-Verhältnis überlassen will,
  • eine übergriffige Genderideologie ablehnt, weil Gott den Menschen als Mann und Frau erschuf (Genesis 1,27),
  • für Friedensverhandlung mit Putin eintritt, um dem Schlachthof Ukraine eine Lebensperspektive zu eröffnen,
  • in der Abtreibungsfrage im Gegensatz zu den Oliv-Grünen weiterhin auf dem gesellschaftlichen Kompromiss besteht, dass Abtreibung eine Straftat ist, auch wenn sie aus verschiedenen Indikationen heraus straffrei bleiben kann?

Sicherlich können Menschen bei all diesen Themen andere Positionen vertreten. Doch einer Partei die christlichen Werte, was damit auch immer gemeint sein mag, abzusprechen, die sich bei diesen Themen demokratisch-alternativ positioniert, ist undemokratisch und intellektuell nicht überzeugend. Ist es nicht vielmehr so, dass der offizielle Kirchenkurs mit seiner einseitigen politischen Verketzerung die Gemeinden schwer erschüttert und großen Schaden anrichtet?

Es wird spannend werden, wie die Kirche mit dem verbeamteten Pfarrer Michaelis umgehen wird, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Ideologische Verstiegenheit in gutmenschlich-antifaschistische Widerstandsgefühle hat ihren Preis. Dabei ist in vielen vakanten Gemeinden in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKMD) für Pfarrer mehr als genug zu tun. Aber die EKMD handelt nach dem Motto: Lieber drei Gemeinden ohne eigenen Pfarrer als einen engagierten parteilosen Pfarrer, der auf der Liste der AfD steht. Die EKMD stellt die fragwürdige politische Gutgläubigkeit ihrer Funktionäre über die seelsorgerische Betreuung ihrer Mitglieder.

Pfarrer Michaelis und seine Frau, Kirchenmusikerin im Unruhestand, hatten sich bereits zu DDR-Zeiten aus dem Glauben heraus offiziellen Phrasen und Vorverurteilungen widersetzt. Einst wurde Frau Michaelis vom Konrektor der Schule vor versammelter Klasse gefragt, warum sie nicht in der „FDJ“ sei. Frau Michaelis antwortete damals: „FDJ heißt: Freie Deutsche Jugend. Ich möchte, dass das so bleibt.“

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