Tichys Einblick
Gemein. Telefonstreich.

Ralf Stegner: Finanzminister für eine Nacht

Auf dem Parteitag guckte Ralf Stegner besonders griesgrämig, nicht einmal ein gelegentliches Schulterklopfen von Parteifreunden konnte ihn aufmuntern, und Gesine Schwan, die ihn zwischendurch mit irgendeinem Gewese volltextete, schon mal gar nicht.

imago images / Metodi Popow

Manche werden sagen, der Ralf guckt doch immer so vermufft, aber diesmal hatte er wirklich allen Grund dazu. „Freiwillig“ hatte er seinen SPD-Vizeposten für Kevin Kühnert im Vorfeld geräumt, wohl wissend, dass er eh keine Chance mehr hätte. Und dann wird auch noch Serpil Midyatli als neue Vize-Vorsitzende gewählt. Genossin Serpil, „Stegners politische Ziehtochter“ (Spiegel), die ihren einstigen Förderer zuvor schamlos zum Rückzug vom Landeschefposten der Schleswig-Hohlstein-SPD gedrängt hatte!

Und jetzt legt ihn der Vorstand noch übel herein. Angeblich sollte es statt der früheren sechs nur noch drei Vizes geben, drei Frauen und Kevin, gut, das wären dann vier, aber als Hubertus Heil sich anschickte, den Kevin herauszufordern, haben die Genossen zur Vermeidung der Konfrontation Kevin und Hubert gemeinsam befördert. Da waren‘s dann plötzlich fünf statt sechs. Aber für den Mann aus Bordesholm machten sie solche Sperenzchen nicht. Undank ist der Genossen Lohn.

Wenigstens haben sie nicht über Ralfs jüngstes Missgeschick gelästert, wenn, dann nur hinter vorgehaltener Hand, und die SPD nahe Presse, also fast die gesamte, tat so, als habe sie nichts mitbekommen, obwohl der Spaß bei Youtube zu besichtigen ist, und das gilt ja als total modern.

Am Mittwoch Abend, zwei Tage vor dem Parteitag, erhielt Stegner um 19.30 Uhr einen Anruf vom designierten Parteichef Borjans. Die Neuen wollten ein „klares Zeichen für einen Neuanfang setzen“, so Genosse Norbert, und das mit einer „bekannten, progressiven Stimme“ in besonderer Position deutlich machen. Gesucht werde ein neuer Finanzminister und Ersatz für Olaf Scholz. „Da haben wir an dich gedacht. Was hältst du davon?“ Kurze Stille in Bordesholm.

Die CDU in der Falle
Die SPD geht vor ins Tal, CDU folgt
Der Youtuber Klemens Kilic, der sich bei dem Klingelstreich als Norbert Walter-Borjans ausgibt, ist sichtlich nervös, ob der Scherz klappt. Es ist wohl nur der schlechten Netzabdeckung zu verdanken, dass Stegner keinen Verdacht schöpft, denn Kilic verstellt seine Stimme nicht. Und ebenso Ralfs unauslöschlicher Eitelkeit. Nachdenken müsse er darüber, brummt Stegner ins Telefon. Erfahrung als Finanzminister habe er ja, überlegt er dann laut, und „vorstellen kann ich mir das“ auch. „Ich muss das aber zuerst noch mit meiner Frau besprechen“, schiebt er als Kenner der neuen Parteigenderregelungen hinterher, und je länger er drüber nachdenkt, umso logischer wird das Ansinnen seines baldigen Chefs. Einerseits müsse die SPD in der Koalition bleiben, da gibt er dem Genossen Norbert völlig Recht, andererseits brauche es „ein klares Signal für Veränderungen“.

Man mag sich gar nicht vorstellen, was danach bei den Stegners passierte. Eben noch herabgeschossen, jetzt schon wieder hoch zu Rossen. Es ist nicht überliefert, wann Genosse Ralf herausgefunden hat, dass er einem Telefonbetrüger aufgesessen ist. Hat er Parteifreund Scholz kondoliert und darauf bestanden, dass man Parteifreund bleibt bis ans Lebensende? Vielleicht wollte er Kevin Kühnert schon mal auf gute Zusammenarbeit einstimmen? Furchtbar.

Wird er uns fehlen, der unfreiwillige, bollerige Spaßmacher der SPD? Nicht wirklich, denn er hat viele würdige Nachfolger. Selbst Saskia Esken, jetzt offiziell Parteichefin, spielt schon in der ersten Liga mit. Stolz twitterte sie kurz vor der Wahl ein Bild von ihren neuen Schuhen: „Als ich die in San Francisco gekauft habe, hätte ich nicht gedacht, wo sie mich hintragen #theseBoots“. Schnell fanden findige Netz-Werker einen passenden Tweet aus ihrer Vergangenheit.

„Ich habe erklärt, wie die Belastung durch höhere Preise gerecht verteilt werden kann. Jeder Mensch hat ein „Budget“ für klimaschädlichen Konsum, und man kann etwas einsparen, es ausgeben oder überschreiten. Der Staat/Steuerzahler muss die Alternativen finanzieren, zB ÖPNV.“ Ihr Budget für klimaschädlichen Konsum hätte sie mit dem Schuhkauf dann bereits überzogen, wenn sie nicht nun eine besonders Gleiche unter besonders Gleichen wäre.

Internet is a bitch! Kein Wunder, dass die SPD da ordentlich regulieren will.


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