Tichys Einblick
Doch nicht in woken Zeiten

Nie wieder Frauentag!

Nach all den feierlichen Reden zum diesjährigen Frauentag will keine Frau, die auf sich hält, noch eine sein. Denn wer möchte schon als Opfer getätschelt und in den Arm genommen werden, als Opfer toxischer Männer, des Systems, der Ungerechtigkeit der Welt?

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Was soll das in unseren woken Zeiten, die Sache mit dem Frauentag? Überholt! Reaktionär! Menschenverachtend!

Ich rate zu „Are you assuming my gender“ als Replik, wenn es wieder mal einer gewagt hat, unsereins eine rote Rose oder gar Nelke entgegenzustrecken. Wer ist denn heutzutage schon Frau? Sind wir nicht alle ein bisschen genderfluid? Divers? Non binär? Und heißt „Frau“ nicht neuerdings „Menschen, die menstruieren“, egal, ob die Menopause schon hinter ihnen liegt? Damit man niemanden kränkt, der nicht menstruiert, weil er nunmal dafür nicht gebaut ist, der aber auf weibliche Accessoires nicht verzichten will?

Geschlecht ist ein soziales Konstrukt, alles andere anzunehmen ist heteronormativ und transphob.

Im Übrigen will nach all den feierlichen Reden zum diesjährigen Frauentag erst recht keine Frau, die auf sich hält, noch eine sein. Denn wer möchte schon als Opfer getätschelt und in den Arm genommen werden, als Opfer toxischer Männer, des Systems, der Ungerechtigkeit der Welt? Offenbar kann keine Frau so stark sein, dass man ihr nicht immer und immer noch etwas Gutes tun möchte.

Vorstandsposten! Bundestagsmandate! Alles, alles, damit Frau endlich im Himmel der Gleichheit ankommt.

Die Frage ist ja nur, ob sie eigentlich will, was sie können dürfen machen soll.
Nehmen wir die „Parité!“, die Frau Kanzler fordert, die olle Kamelle von der geschlechterparitätischen Besetzung des Parlaments, eine Sache, die von zwei Landesverfassungsgerichten längst abgewiesen wurde. Erstens darf niemand seines Geschlechts wegen bevorzugt werden. Zweitens stellt das die Gleichheitsforderung über die Wahlfreiheit. Und drittens müssten Frauen schon in ausreichender Zahl den Parteien beitreten, die sie in den Bundestag entsenden, bevor es dort zur erhöhten Zahl weiblicher Abgeordneter kommen kann. Doch siehe da: sie tun es einfach nicht, die femininen Konstrukte, obzwar sie auf Knien darum gebeten werden. Jede, bitteschön, jede kann heutzutage etwas werden in unseren Parteien, intersektional bevorzugt! Das Resultat kennen wir mittlerweile. Angesichts der Quotenfrauen im Bundestag kommt einem selbst Herbert Wehner mittlerweile wie eine Lichtgestalt vor.

Und insofern können auch Männer völlig furchtlos „51 % Frauen in den Bundestag!“ fordern, denn sie wissen ja: Dazu wird es nicht kommen. Frau sträubt sich.

Gottlob gibt es noch andere Themen, etwa den Gender Pay Gap, da scheint der Fall sonnenklar zu sein: Frauen bekommen für die gleiche Arbeit weniger Geld! Das müsste sie eigentlich auf dem Arbeitsmarkt unschlagbar machen, Unternehmer schätzen billige Arbeitskräfte, sie sparen gern. Doch offenbar resultieren die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau eher aus individuellen Entscheidungen und nicht aus struktureller Benachteiligung. Frauen entscheiden sich, nicht nur, wenn Kinder da sind, weit häufiger für Teilzeit, wählen Berufe mit geringeren Einkommenschancen und schlagen häufiger zeitraubende Karrieren aus. Da könnte man doch glatt auf die Idee kommen, sie vor ihrer eigenen reaktionären Natur schützen zu müssen!

Nun, darum bemühen sich nicht nur Familienministerin Giffey, sondern auch die erfolgreiche Karrierefrau Jutta Allmendinger, schon mal als Bundespräsidentin gehandelt. Beide finden, dass die Coronakrise die Frauen um Jahrzehnte zurückgeworfen habe. „Die Frauen werden eine entsetzliche Retraditionalisierung erfahren.“ Warum? Weil sie sich mehr um die Kinder gekümmert hätten, die, nebenbei, von einer fürsorglichen Frau als Bundeskanzler von Kita oder Schule ferngehalten wurden. Perfide: einige Frauen sollen das sogar gern getan haben.

Ein Rückfall in traditionelle Rollenbilder? Oder sind diese Lebensmodelle womöglich gar nicht in dem Ausmaß verschwunden, das die beiden Sozialdemokratinnen sich wünschen? Und warum preist man in unserer so sagenhaft weltoffenen Gesellschaft die Vielfalt aller möglichen Lebensmodelle – nur das „traditionelle“ darf nicht sein?

Ach, Frauen sind ein schwieriges Kapitel, egal, wie man sie gerade konstruiert. Nie sind sie so, wie andere Frauen sie gern hätten.

Mal so gefragt: was ist an einem Vorstandposten eigentlich so attraktiv, von der Kohle abgesehen? Was ist so prickelnd an einem Parlament, das dank der Merkelschen Alternativlosigkeit nichts mehr zu entscheiden hat? Und kann es sein, dass die wahren Konstrukteure der weiblichen Rolle bei Politikern zu finden sind, die sich ein Opfer zurechtdefinieren, damit sie sich in helfender Pose zu ihm herabbeugen können?

Ich hätte da eine Bitte. Nie wieder Frauentag. Auch im Namen aller anderen Geschlechter.