Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Der Fall Maaßen – schräger geht es kaum

Die öffentliche Kampagne gegen Hans-Georg Maaßen ist nicht nur grotesk. CDU-Chef Friedrich Merz dürfte im Kampf gegen Maaßen das Gegenteil von dem erreichen, was er sich wünscht.

Hans-Georg Maaßen

IMAGO / Sven Ellger

Die Kampagne gegen den ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen nimmt groteske Züge an. Im Videoformat der Welt verhören ihn zwei Frauen, die nicht nur ihre Absichten, sondern auch ihre Ahnungslosigkeit offen ausstellen. Im Focus trennt sich Jan Fleischhauer von einem „guten Bekannten“, mit dem er sich einst offenbar immer mal getroffen hat. „Er hängt komischen Ideen an und lässt sich mit komischen Leuten ein“, findet Fleischhauer mittlerweile. Komisch? Meint er Maaßens niederrheinischen Humor?

Nein: Der einst Geschätzte sei „schräg“, verbreite „Quark“, sei auf einer „Reise an den Rand des politischen Spektrums“, habe gar einen „Knall“. Großmütig konzediert er immerhin, dass auch „Knallköpfe“ ein Recht hätten, in der Partei zu bleiben. Klar: Auch Kolumnisten dürfen Knallköpfe sein.

Nun, das ist die Wortwahl eines, der sonst gern Stil einfordert. Dabei hätte Fleischhauer bloß eine andere Geschichte im eigenen Blatt lesen müssen, um zu wissen, gegen welchen schrägen Quark anderer Maaßen argumentiert.

Stephans Spitzen: 
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Warum das wichtig ist, was ein Focus-Kolumnist von sich gibt? Weil es so gut passt in die Debattenunkultur hierzulande. Und weil Fleischhauer die tatsächliche Pointe des „Falls Maaßen“ ignoriert, der kürzlich mit 95 Prozent der Stimmen zum Chef der WerteUnion gewählt wurde, einer Gruppe, die sich die alte konservative und bürgerliche CDU zurückwünscht – anstelle eines Merkelnostalgievereins, der sich auf die Koalition mit den Grünen vorbereitet. Ein leise lächelnder Maaßen, der die Aufforderung, die CDU zu verlassen, und ein entsprechendes Ultimatum souverän ignoriert.

Fleischhauer folgert küchenpsychologisch, Maaßen wolle offenbar „die Reputation nicht verlieren, die mit einer Mitgliedschaft in der CDU einhergeht. Deshalb klammert er sich an sein Parteibuch. Es ist das Letzte, das ihn mit der Welt, aus der er kommt, verbindet.“

Da liegt der Hase in der Marinade und wundert sich: Wer hält denn die Mitgliedschaft in der CDU, die sich dem grünen und woken Zeitgeist anbiedert, heute noch für reputierlich? Und macht nicht der Zuspruch, den Maaßen nicht nur in der WerteUnion erhält, überdeutlich, dass es die Merzel-CDU ist, die sich aus der Welt, aus der sie kommt, verabschiedet hat? 

Die geradezu hysterische Reaktion der CDU zeigt vielmehr, dass man dort keineswegs geneigt ist, Hans-Georg Maaßen zu unterschätzen. Ein Parteiausschlussverfahren ist nicht aussichtsreich. Ebenso wenig, alle CDU-Mitglieder, die zugleich in der WerteUnion sind, rauszuschmeißen. Dazu müsste man wissen, wer dort unter seinesgleichen ist. Weiß man aber nicht. 

Da mittlerweile auch Vollmitglied in der WerteUnion werden kann, der weder der CDU noch einer anderen Partei angehört, eignet sich die WerteUnion als feiner fieser Stachel. So macht Machtkampf Spaß.

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Die CDU unter Friedrich Merz steht von zwei Seiten unter wachsendem Druck. Solange sie die AfD ausgrenzt, gibt es vor allem zwei Machtoptionen: Schwarzrot oder Rotgrün. Viele ihrer Wähler (und Nichtwähler) dürften aber mittlerweile die Grünen für weit gefährlicher halten als die AfD. Erst recht im Osten Deutschlands. Friedrich Merz dürfte im Kampf gegen Maaßen das Gegenteil von dem erreichen, was er sich wünscht.

Was sich viele andere wünschen: einen klaren Schnitt. Den Abschied von der fatalen Politik Angela Merkels. Und ein Ende der jetzigen Koalition. 


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