Tichys Einblick
Der Medien-Konsens zerbricht

Ein bißchen Frühling für die Freiheit

So, wie bei der warmen Februarsonne die Schneeglöckchen läuten und die Krokusse sprießen, stoßen auch durch die warme Decke der Konsensdemokratie derzeit manch zarte Triebe, die sich freiheitlich zu entfalten drohen. 

Wir kennen das ja alle: die Sache mit dem Glas, gleich welchen Inhalts, das den einen halb leer und den anderen halb voll zu sein dünkt: Man kann die Lage glasklar so oder so sehen. Derzeit muss man sich zwar Mühe geben, um der Situation auch Erfreuliches abzugewinnen, aber so, wie bei der warmen Februarsonne die Schneeglöckchen läuten und die Krokusse sprießen, stoßen auch durch die warme Decke der Konsensdemokratie derzeit manch zarte Triebe, die sich freiheitlich zu entfalten drohen. 

Lassen wir mal die wackeren Kämpfer der Gegenöffentlichkeit beiseite. Auch bei den alten Medien müpft mittlerweile der eine und die andere auf, Journalisten, die womöglich hier und da das Ohr an die Grasnarbe gelegt, das Rumoren der Untertanen vernommen haben und weise genug sind, auch bei den braven Deutschen den Stimmungsumschwung zu antizipieren. Ja, ihr Lieben, treue Gefolgschaft zur Kanzlerin könnte toxisch werden! Wende, wer kann. 

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Freundlicher gesagt: Es ist mittlerweile nicht mehr gar so riskant, der Vernunft eine Stimme zu geben, auch wenn es noch immer Schrille gibt, die bei jedem Abweichen von der Linie „rechte“ Umtriebe vermuten. In der Welt ist es heute nicht mehr nur Altmeister Stefan Aust, der Kritik an der Regierung für die fundamentale Aufgabe der Medien hält. Auch Feuilletonchef Andreas Rosenfelder liest in einem feuersprühenden Essay seinen Kollegen die Leviten, die eine „Wagenburg ums Kanzleramt“ gebildet haben.

Welt-Autorin Susanne Gaschke, einst bei der SPD, fordert die Verfassungsjuristen auf, der Regierung auf die Finger zu klopfen. Und Tim Röhn beschreibt jüngst die seltsame Art und Weise, wie ein später Germanistikstudent und treuer Maoist zum Experten der Bundesregierung bei der Bestimmung ihrer Coronastrategie wurde – weil sich so jemand auf „Maßnahmen präventiver und repressiver Natur“ besonders gut versteht? Oder als U-Boot der Volksrepublik China unterwegs ist, die ja schon länger dabei ist, auch Deutschland sukzessive zu unterwandern?

Der Medien-Konsens zerbricht
Im Bundestag aber bleibt es noch immer erbärmlich ruhig. Während die Kanzlerin das Monopol auf die Entscheidung an sich gezogen hat, welcher „Experten“-Rat es verdient, gehört zu werden, vom Maoisten bis zur „No-Covid“-Strategin, während Kritikaster wiederum ohne Skrupel einfach aus dem Ethikrat entfernt werden, hat das Parlament, die Stimme des Souveräns, nichts zu melden. Dabei wäre hier der Ort für eine in alle Richtung offene Diskussion. In Anhörungen kann jede Partei benennen, wem sie Expertise zutraut. Das wäre in der nun schon seit einem Jahr anhaltenden Krise ein Weg gewesen, dem scheint‘s unaufhaltsamen Vertrauensverlust in Politik und Institutionen entgegenzuwirken. 

Der regierungskritischen AfD hört niemand zu, die wurde relativ erfolgreich in die rechte Ecke verbannt. Und bei den anderen ist es still. Immerhin gibt es noch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki von der FDP, das ist ja schon mal was in Richtung halbvolles Glas. Und es gibt zwei Außenseiter in ihrer eigenen Partei, die den Mund aufmachen: Boris Palmer, der Oberbürgermeister von Tübingen, wütet bereits seit dem ersten Lockdown gegen lebensfeindliche Einschränkungen anstelle pragmatischen Handelns. Und Sahra Wagenknecht, bei der „Linken“ ebenfalls nicht mehr sonderlich beliebt, bescheinigt der Regierung „blanke Willkür“. Elementare Grundrechte würden einkassiert und per Gnadenakt scheibchenweise wieder gewährt – und das alles ohne solide Daten und Begründungen. Der Konsens bricht, das zeigt auch Heribert Prantls Wutausbruch gegen das Merkelregime, selbst auf der linken Seite auf. 

Ein, zwei Schwalben machen noch keinen Sommer, schon gut. Doch bleiben wir optimistisch: das Glas ist halbvoll. Es müssten sich nur noch ein paar mehr finden, die die richtigen Flaschen aufmachen und klare Sachen hinzugießen.  


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