Tichys Einblick
Ein altes Argument

Wehe, es kommt Lob von der falschen Seite: Das dient nur dem Klassenfeind!

Die Reaktionen auf #allesdichtmachen zeigen auch: Man kriegt die DDR aus Deutschland nicht raus. Selbst diejenigen, die aus Furcht vor „Konsequenzen“ ihren Auftritt zurückgezogen haben, machen mit ihren Bitten um Verzeihung nur umso offensichtlicher, wie vergiftet die Atmosphäre hierzulande ist.

Propaganda-Gemälde am Detlev-Rohwedder-Haus (Sitz des Finanzministeriums) in Berlin

IMAGO / Joko

Deutschland ist eine humorbefreite Zone. Das haben uns die Schauspieler gründlich vor Augen geführt, die auf mal mehr, mal weniger gelungene Weise das Chaos der Coronapolitik unserer Regierung karikiert haben. „Beschämend“ schallte ihnen von jenen ihrer Kollegen entgegen, die offenbar innerlich ständig mit einem Strauß roter Rosen vorm Kanzleramt stehen. Ein „nicht hilfreich“ handelten sie sich vom Geschäftsführer des deutschen Kulturrats ein, der damit sinnigerweise an Angela Merkels Verdikt gegen Thilo Sarrazin erinnerte, was dem verfemten Autor zu einer Millionenauflage verhalf. 

Ein anderer Sozialdemokrat wollte die Galionsfigur der Aktion, Jan Josef Liefers, sogleich mit einem Tatortauftrittsverbot belegen. Zu spät hat Garrelt Duin gemerkt, dass ihm das ausgerechnet als Mitglied im Rundfunkrat nicht zusteht: Als solcher hat er auf – Achtung! – Meinungsvielfalt zu achten. 

Doch womöglich ist dem Sozialdemokraten sauer aufgestoßen, dass Liefers, ein DDR-Gewächs, für alle, die den Ton noch im Ohr haben, den neuen Menschen vorgeführt hat, wie man ihn sich im realexistierenden Sozialismus wünschte: dankbar, untertänig und stets um „konstruktive Kritik“ bemüht. Heißt: Man kriegt die DDR aus Deutschland nicht raus.

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Wenigstens Kanzlerkandidat Armin Laschet lief nicht in die Falle, die sich da gähnend auftat. Souverän lächelnd gewährte er den Schauspielern Meinungsfreiheit, die ja nunmal auch Minderheiten zustehe. Geschickt: Laschet macht sich für Minderheiten stark! Doch was, wenn Liefers & Co längst die Mehrheit im Lande vertreten? Die Zustimmungsraten für die verbliebenen Videos (von 53 waren vorgestern noch 32 online) zeigen deutlich, dass die Mehrheit dort ihrer Meinung ist. Keiner der Schauspieler hat, wie ihnen sofort unterstellt wurde, das Leid von Coronakranken verhöhnt, die meisten haben durchaus manierlich das Maßnahmenchaos bespöttelt sowie die Gefolgstreue, die den deutschen Untertanen auch von den Medien abverlangt wird. 

Selbst diejenigen, die aus Furcht vor „Konsequenzen“ (oder vor Morddrohungen, die es gegeben haben soll) ihren Auftritt zurückgezogen haben, machen mit ihren tränenreichen Bitten um Verzeihung nur umso offensichtlicher, wie vergiftet die Atmosphäre hierzulande ist. Nicht nur Heike Makatschs Unterwerfungserklärung erinnert an den Kniefall der Angeklagten in stalinistischen Schauprozessen: „Wenn ich damit rechten Demagogen in die Hände gespielt habe, so bereue ich das zutiefst.“

Denn das ist offenbar das Allerallerschlimmste an der doch eigentlich recht harmlosen Aktion: Der „Beifall von der falschen Seite“. Wer den nicht will, sollte besser das Maul halten. So bringt man alle zum Verstummen, die gesellschaftsfähig bleiben und nicht allein in der Ecke stehen wollen. 

Früher sagte man übrigens: „Du spielst damit dem Klassenfeind in die Hände“, wenn jemand eine Diskussion abwürgen wollte – und jeder wusste, was damit gemeint ist. Der Pranger oder Schlimmeres. Ob Makatsch, geradezu schlitzohrig, daran erinnern wollte? Wahrscheinlich nicht. Schade eigentlich.

Doch, es ist verblüffend, wieviel Macht man dem altbösen Feind zugesteht, heiße er AfD, Querdenker, Leugner von diesem oder jenem oder „Schwurbler“. Diese finsteren Gesellen lässt man über das entscheiden, was gedacht oder gesagt werden darf. Verschwörungstheoretisch könnte man glatt auf die Idee kommen, die AfD wäre von alerten Polit-Strategen genau deshalb erfunden worden: Damit es einen greifbaren Feind gibt, der jeden widerspenstigen Geist sofort dazu bringt, die gewünschte Haltung einzunehmen. 

Die AfD könnte daraus lernen. Sie muss nur den Gegner umarmen, statt ihn anzugreifen, schon wird er Abstand nehmen müssen von diesem oder jenem – von der Klimarettung bis zur „Energiewende“. Denn Beifall von der falschen Seite kann man einfach nicht wollen. 


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