Tichys Einblick
Weltklimakonferenz 2023

Deutscher Sonderweg revisited

Die deutsche Groteske fand nun in Dubai ihre Krönung. Mit 250 Personen reiste die deutsche Delegation zum „Klimagipfel“, doppelt so viele wie bei vorhergegangenen Konferenzen, um sich eine fette Ohrfeige abzuholen. 22 Länder beschlossen dort, bis 2050 den Ausbau von Atomkraftwerken zu verdreifachen.

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Was ist der deutsche Sonderweg? Nicht, wie Hans-Ulrich Wehler einst behauptete, dass das Land erst so spät zur Demokratie gefunden habe. So spät? Vielleicht in Relation zu Großbritannien und Frankreich, die er damit jedoch zum Normalfall erhob. Mit welchem Recht? Eine Monarchie hatten auch die Briten. Gewiss, das britische Parlament war älter. Allerdings wurde im Deutschen Reichstag besonders lebhaft debattiert, vor allem dank der Sozialdemokratie, die diese Debatten zum Teil in der Parteizeitung „Vorwärts“ veröffentlichte, womit Öffentlichkeit hergestellt war.

Das Problem mit der Theorie vom deutschen Sonderweg: Sie entwickelte sich bald zu einer Art „von Luther zu Hitler“-These, was nicht nur DDR-Historiker in die Welt setzten. So wurde die ganze deutsche Geschichte lediglich auf ein Vorgeplänkel zur Nazi-Katastrophe zurechtgestutzt. Das tut dem Land Unrecht – und obwohl seine Formulierung damals wirklich unglücklich war: Das meinte wohl Alexander Gauland, als er darauf hinwies, die zwölf Jahre Nazizeit seien in Relation zur langen deutschen Geschichte eine – Episode.

Der tatsächliche deutsche Sonderweg war womöglich eher die ungeahnte Dynamik im Kaiserreich, was Forschung, Technik, Wohlstand betrifft. Auch wenn die Industrialisierung weit später als in England erfolgte, erwuchs England und Frankreich mit dem deutschen Erfolg eine Konkurrenz, die beide nicht schätzten. Auch das versuchte man im Ersten Weltkrieg zu korrigieren.

Verblüffend allerdings, dass sich das Land nach zwei verheerenden Kriegen immer wieder aufrappelte. Ob ihm das heute noch gelingt? Das darf man bezweifeln.

Sonderliches und Eigenarten weisen alle europäischen Länder auf, auch wenn die EU die Unterschiede wegzubügeln versucht – was weder in Italien noch in Frankreich gelingen dürfte. Nur „deutsch“ ist irgendwie nichts Besonderes oder gar Schützenswertes.

Deutschland hat sich lange weggeduckt, aus Gründen, sich unter- und eingeordnet und versucht, mit Geld Wohlwollen zu erkaufen. Seit einigen Jahren aber ist das Land auf einem Sonderweg geradezu bizarrer Art: Es soll sich, das scheint die politmediale Elite anzustreben, ganz und gar zum Verschwinden bringen. Auf diesem Sonderweg sind wir schon weit fortgeschritten – und mittlerweile haben es auch andere gemerkt.

Seit 2015 wird Deutschland mehr und mehr zum Siedlungsgebiet Zuwanderungswilliger, die gern annehmen, was ihnen geboten wird: Vollverpflegung. Das kann man ihnen ebenso wenig übelnehmen, wie man es anderen Ländern verhehlen kann, wenn sie irgendein vergangenes Unheil vorzeigen, für das sie Deutschland in Regress nehmen wollen. Tun wir ja gern.

Deutschlands Größe ist jetzt seine Dezimierung: Fürs Klima tun wir alles. Und um uns herum lachen sie über die sogenannte „Energiewende“, eine gigantische Ressourcen-Verschwendung ohne irgendeinen positiven Effekt, schon gar nicht aufs „Klima“.

Die deutsche Groteske fand nun in Dubai ihre Krönung. Mit 250 Personen reiste die deutsche Delegation nach Dubai zum „Klimagipfel“, doppelt so viele wie bei vorhergegangenen Konferenzen, um sich eine fette Ohrfeige abzuholen. 22 Länder beschlossen dort, bis 2050 den Ausbau von Atomkraftwerken zu verdreifachen. Darunter 13 europäische Länder wie Frankreich, Polen, Tschechien, Schweden, Finnland, Belgien, Slowenien, die Slowakei, Rumänien, Ungarn, aber auch Großbritannien und Moldau, Kanada, USA, Japan, Korea, die Arabischen Emirate, Marokko, Ghana und die Mongolei. Die Niederlande wollen ihre neuen AKW frechlings nahe der deutschen Grenze bauen.

Am ersten Dezember 2023 schafften die „Erneuerbaren“ im Schnitt einen Beitrag zur Stromerzeugung von 7,69 Prozent. Den Rest von 92,3 Prozent mussten die Kohle- und Gaskraftwerke erzeugen, was nicht ganz reichte. So wurde Strom aus den Nachbarländern Tschechien, der Schweiz und Frankreich importiert, der auch mit Kernkraftwerken produziert wurde.

Wer ist also hier der Geisterfahrer? Olaf Scholz (SPD) hatte Anfang September noch einmal deutlich gemacht, wo Deutschland unterwegs ist: „Die Kernkraft ist zu Ende. Sie wird in Deutschland nicht mehr eingesetzt. Das Thema Kernkraft ist in Deutschland ein totes Pferd.“ Da wiehert die Welt.

Der heutige deutsche Sonderweg unterscheidet sich signifikant: Forschung wird durch Genderstudies und andere Geschwätz-Wissenschaften verdrängt. Der Industrie wird der Lebensnerv abgeklemmt. Und der Wohlstand der Bürger schwindet wie Eis in der Sonne.