Tichys Einblick
Never explain. Never complain. 

Ach, Harry! Ach, Meghan! Gut, dass ihr geflohen seid

Wer möchte schon ein Royal sein? Der zweitgeborene Prinz und seine schauspielernde Ehefrau haben wohl nie begreifen können oder wollen, was es heißt, einem königlichen Geschlecht anzugehören.

Prince Harry und Meghan Markle bei einer Menschenrechtsveranstaltung in New York, 06.12.2022

IMAGO / Cover-Images
Es ist schlimm, ganz schlimm, dem britischen Königshaus anzugehören. Das wissen wir mindestens seit der Dramaqueen Princess Margaret, der Schwester von Elizabeth II., die sich für die bessere Queen hielt – und ihre Frustration mit Alkohol und den falschen Männern zu ertränken versuchte. Die „Königin der Herzen“, Diana, war der zweite Schlag ins royale Kontor. Auch sie hatte nicht begriffen, was es bedeutet, die Frau des Thronfolgers zu sein: es heißt Contenance wahren, eigene Wünsche zurückstellen, eine Rolle spielen. Never explain, never complain. Mit ihren tränenreichen Klagen verstieß sie gegen alles, was den Royals Legitimation verleiht: sie sind keine Privatpersonen, sie repräsentieren und symbolisieren. 

Die ersten Folgen der Netflixserie „The Crown“ zeigen, was das bedeuten kann und was es der Queen abverlangt hat. Sie fiel auch in persönlich schwierigen Lagen nicht aus der Rolle – so wenig, dass man es ihr nach dem Tod Dianas 1997 übelnahm. Man darf annehmen, dass Prince Philip der Anker war, das Gegengewicht, der ironische Ausgleich, der die Fettnäpfchen zum Hineintreten gezielt aufsuchte. 

Ansonsten: Eine Fehlbesetzung nach der anderen – bis auf Princess Anne, die einzige Tochter, die womöglich der bessere Monarch gewesen wäre als King Charles.

Tempi passati. Die Queen ist tot und rechtzeitig nach ihrem Davonscheiden gibt es wieder einen royalen Skandal, nein: ein Skandälchen. Harry und Meghan „packen aus!” 

Harry, der zweite Sohn von Diana und womöglich auch von Charles, und Meghan, eine amerikanische Schauspielerin. Tut sich nun ein Abgrund an Royalverrat auf? Ach! Früher war mehr Lametta. Die Netflixserie ist ein zahmes Poesiealbum. Warum nur wurde dafür so viel bezahlt? Frischverliebte sind längst nicht so unterhaltsam, wie sie selbst sich fühlen. Der geduldige Zuschauer wartet verdammt lang, bis am Horizont ein Skandälchen aufscheint und das Ausharren bei gähnender Langeweile belohnt wird.

Harry: traumatisiert vom Tod seiner Mutter Diana, angeblich von einer hetzenden Journalistenmeute verursacht (und nicht von einem betrunkenen Chauffeur). Meghan: das nächste Opfer. Ganz klar: Die Geschichte wiederholt sich!

Meghan sticht mit der Rassismuskarte – angeblich sei sie wegen ihrer rundum angenehmen Hautfarbe diskriminiert worden. Das „Argument” wird ja heutzutage gern genommen. Traurig eigentlich, dass man auch bei den Royals kürzlich glaubte, Antirassismus vorzeigen zu müssen – nur weil eine ältere Hausdame eine „Aktivistin“, die in Namensgebung und Kleidung überdeutlich darauf hinwies, dass sie außerbritische Wurzeln hat, nach eben diesen gefragt hat.

Jedenfalls ist es offenbar nicht nur schlimm, den Royals anzugehören, sondern noch schlimmer, keine Rolle mehr bei ihnen zu spielen. Das verlangt nach Ausgleich. In der Tradition der unglücklichen Diana breitet nun Harry seinen Schmerz vor Publikum aus, assistiert von Meghan, die auf Öffentlichkeit ebenso wenig verzichten mag. Geld allein kann nicht der Grund sein für diese noch nicht einmal obszöne Selbstentblößung – obwohl: 100 Millionen Dollar, die Netflix für den Sechsteiler angeblich bezahlt hat, sind schon hilfreich, seit King Charles den beiden die jährliche Apanage von 5 Millionen Pfund gestrichen hat und Harry die Renovierungskosten für das einst von beiden bewohnte Frogmore Cottage in Höhe von 2,7 Millionen Euro an die Queen zurückgezahlt hat. Man will ja seinen Lebensstil beibehalten. 

Doch Geld allein heilt nicht Harrys so offenkundig verwundete Seele. Verständlich, wenn man als gerade mal 12jähriger hinter dem Sarg der Mutter durch die Straßen marschieren musste. Nun will er in seiner Autobiografie 25 Jahre später den Unfalltod rekonstruieren lassen.

So geht es eben zu bei den Royals. Immer wieder für eine Geschichte gut. Tatsächlich ist deren Bilanz nicht erst seit Harry und Meghan wenig berauschend. Wäre nicht die Queen gewesen, hätte sich die Monarchie nur noch per Klatschgeschichte in den gelben Blättern abgespielt. Das ist gewiss das stärkste Argument gegen eine Erbmonarchie: Es ist nicht garantiert, dass in ihr stets die hellsten Kerzen auf der Torte leuchten. 

Und doch. Genau das ist der große Vorzug einer Erbmonarchie: dass ihre Vertreter nicht Gegenstand von Parteien und Wahlkämpfen sind. Denn wer würde heute noch behaupten, dass das übliche demokratische Procedere nur die Besten der Besten in Verantwortung bringt? Beziehungsweise an die Fleischtröge?

Warum sollte eine 22jährige Abgeordnete ohne Lebens- und Berufserfahrung ein Gewinn sein? Sie hat lediglich ihre Chance genutzt – ebenso wie all die EU-Abgeordneten, die einem ordentlichen Bestechungsgeld (nicht) widerstehen können. Auch Minderleistende haben meist Verstand genug, um zu wissen, wie sie anstrengungslos an möglichst viel Kohle kommen.  

Insofern: Ich verzeihe den Royals selbst Harry und Meghan. William und Kate jedenfalls wissen offenbar, was auf sie zukommt – und wie man es meistert. Never explain. Never complain.