Tichys Einblick
Was fehlt, sind eloquente Mitstreiter

Weshalb eine Wagenknecht-Partei reelle Chancen hat

Sollte Wagenknecht als intellektuelle Frontfrau einer am kleinen Mann orientierten Oppositionspartei den Sprung ins Ungewisse wagen, dürfte sie gegenwärtig mehr Erfolg als jeder andere haben. Dass eine Parteineugründung allerdings vor allem intern mit zahlreichen Problemen zu kämpfen hat, belegen Entwicklungsgeschichten anderer Parteien.

IMAGO / Christian Spicker

Den meisten Bürgern ist es überhaupt nicht bewusst: Ständig werden in der Republik neue politische Parteien gegründet, von denen nur die wenigsten überhaupt so lange bestehen, dass sie an irgendwelchen Wahlen teilnehmen könnten. Und wenn sie es schaffen, dann landen sie zumeist in der Rubrik „Sonstige“, wo sie weder Einfluss noch Zukunft haben.

Wenn wir auf die parlamentarische Geschichte der Bundesrepublik schauen, dann lassen sich die erfolgreichen Parteineugründungen an einer Hand abzählen.

Erfolgreich: Die Grünen

Am erfolgreichsten war die als Protestbewegung gestartete Linkspartei mit der heutigen Bezeichnung „Bündnis 90/Die Grünen“. Sie startete in mehreren Single-Issue-Movements-Bewegungen, die sich vorrangig mit ausschließlich einer Thematik beschäftigten. Bei den „Grünen“ waren es außerparlamentarische Gruppen, die sich als „Friedensbewegung“ gegen die sogenannte Nato-Nachrüstung, als Anti-AKW-Aktivisten gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie oder unter spezifisch technikfeindlichen Aspekten wie der Ablehnung der Frankfurter Startbahn West gefunden hatten. Den ideologischen Überbau schufen Maoisten aus studentischem Milieu, denen es vorrangig um den kollektivistischen Umbau der Gesellschaft und den Kampf gegen den Kapitalismus ging. Ihnen gelang es, die unterschiedlichen, aus dem linken Milieu stammenden Anti-Bewegungen unter einem Dach zusammenzufassen, wobei das ursprünglich konservative Umweltthema – bis heute noch bedeutungslos und rudimentär bei der ÖDP angesiedelt – die ideale, weil klientelübergreifende Klammer bildete.

Mäßig erfolgreich: Die AfD

Ebenfalls (bislang) erfolgreich ist die Alternative für Deutschland (AfD). Sie startete gefühlt als Anti-Euro-Partei, basierend auf dem Sachverstand kenntnisreicher Professoren und Marktwirtschaftler. Tatsache allerdings bleibt: Hätte nicht vor allem die Bild-Zeitung in einem langweiligen, anstehenden Wahlgang zum EU-Parlament etwas Pfeffer gebraucht und hätte nicht die damalige CDU-Vorsitzende ihre Partei zu einer radikalen Kontaktsperre vergattert, wäre die AfD sang- und klanglos wieder verschwunden. Die Entwicklung der AfD ist insofern nicht nur ein Lehrstück für eine erfolgreiche Parteineugründung – an dieser Partei kann auch exemplarisch aufgezeigt werden, wie eine junge Partei von ursprünglich inhaltsfernen Gruppen übernommen werden kann und dadurch ihren ursprünglichen Ansatz überwindet.

Nur wenig erfolgreich: Die Freien Wähler

Als bislang ebenfalls erfolgreich – zumindest regional – können die Freien Wähler angeführt werden, denen es immerhin gelungen ist, bis in die Bayerische Landesregierung vorzudringen. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Gruppierung um derer mehrere, die lediglich in einem Dachverband locker zusammengeschlossen und deshalb bundespolitisch bedeutungslos sind.

Kaum erfolgreich: REP, STATT und PRO

Als kurzfristig erfolgreiche Parteineugründungen können Die Republikaner (REP), 1993 von radikalkonservativen CSU-Mitgliedern gegründet, die Statt Partei – Die Unabhängigen (STATT) und die Partei Rechtstaatliche Offensive (PRO), besser bekannt als „Schill-Partei“, genannt werden. Alle drei Parteien waren auf dem rechten Flügel angesiedelt und hatten kurzzeitig Wahlerfolge. STATT und PRO gelang es zudem, regional an einer Landesregierung beteiligt zu werden, bevor sie sich selbst zerlegten und in der Bedeutungslosigkeit versanken.

Insgesamt bleibt es bei der Erkenntnis: Eine Partei zu gründen, ist ein Leichtes. Eine Partei zu bleiben, ist eine Mammutaufgabe.

Wagenknechts neuer Anlauf?

Gegenwärtig wird (wieder einmal) laut darüber nachgedacht, dass die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht eine Partei gründen könnte. Es ist nicht das erste Mal, dass die 1969 in Jena als Tochter eines Iraners und einer Deutschen geborene Kommunistin mit derartigen Vorstellungen liebäugelt. 2018 initiierte sie unter der Bezeichnung „Aufstehen“ eine linksradikale Sammelbewegung, die bereits damals von manchen Beobachtern als Sockel einer neuen Partei des linken Flügels gesehen wurde.

Allerdings – auch das gehört zur Wahrheit – versandete dieses Projekt und kann gegenwärtig als bedeutungslos betrachtet werden. Fast schon naheliegend, wenn gegenwärtig politische Beobachter einem möglichen neuen Parteigründungs-Versuch Wagenknechts keine Chancen einräumen. Das allerdings ist zu kurz gedacht, denn es übersieht mehrere Faktoren, die eine Wagenknecht-Partei sehr schnell zum Erfolg tragen könnten.

Weshalb eine Wagenknecht-Partei erfolgreich sein kann

Der Blick auf bisherige Parteigründungen und deren Geschichte lässt erkennen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um aus einem solchen Projekt einen Erfolg zu machen. Dabei wird schnell deutlich, dass Wagenknecht zum jetzigen Zeitpunkt alle wesentlichen Voraussetzungen erfüllt.

1. Die Abgrenzung zum bestehenden Parteiangebot

Eine Parteineugründung kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie Themen besetzt, auf denen kein bereits etabliertes Angebot manifest zu finden ist. Das scheint bei einer Parteigründung im Tummelfeld der deutschen Linksparteien und der angegliederten, ehemals bürgerlichen Angebote kaum möglich und darf als wesentliche Ursache dafür angenommen werden, dass „Aufstehen“ links liegen geblieben ist. Tatsächlich aber gab es 2018 keinen Bedarf an einer weiteren, linken Opposition. Die Bundesregierung wurde gestellt von Union und SPD, wobei inhaltlich der sozialdemokratische Einfluss dominierte. In der Opposition von links fanden sich Die Grünen und die SED-PDS-PdL, die sowohl den neomarxistischen wie den linksorthodoxen Flügel abdeckten und als Grüne bereits tief in die bürgerliche Klientel eingedrungen waren. Weiter am Linksaußenflügel gab es daher weder Platz noch Bedarf – und in der sozialdemokratischen Peripherie konnten enttäuschte Ex-SPD-Wähler ihren Frust durch Wahlverzicht oder die Wahl von Grünen oder PdL abbauen.

Das jedoch hat sich grundlegend geändert. Mit dem Einstieg der Grünen in die Bundesregierung hat eine Gruppe, die sich ausschließlich über das basisoppositionelle Milieu rekrutiert hatte, ihren eigentlichen Kerninhalt zur Disposition gestellt. Die ehemalige „Friedenspartei“ mutierte angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine zu Bellisten, die Rüstung und Waffenlieferung als vorrangige Aufgabe betrachten. Die AKW-Aktivisten mussten ihr Kernanliegen der Totalabschaltung angesichts des von ihnen mitverursachten, energiepolitischen Desasters vorerst verschieben – und ob im April 2023 tatsächlich abgeschaltet wird, steht angesichts der nach wie vor fortwirkenden Probleme in der Energieversorgung in den Sternen.

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Selbst die bindende Klammer der zum Klimarettungsverein gewandelten Öko-Bewegung droht verloren zu gehen, wenn ausgerechnet ein grüner Energie-Minister, der angetreten war, den Industriestandort Deutschland in eine Öko-Brache zu verwandeln, angesichts der nach wie vor bestehenden Bedarfe als umweltfeindlich geltende Kohlekraftwerke reaktiviert und das Heil in der Naturzerstörung von zwei Prozent des deutschen Bodens sucht. Vor allem bei der Klimathematik bildet sich gegenwärtig bereits eine extremistische Klientel, die ihrem grünen Ursprung Verrat vorwirft und mit krimineller Energie Bürger, Politiker und letztlich den Staat nötigen will, sich ihrem Diktat zu unterwerfen.

Mit Ausnahme der Klima-Extremisten ist hier fast über Nacht ein Klientel freigesetzt worden, welches gegenwärtig heimatlos zu werden droht. Eine Wagenknecht-Partei kann dem linkspazifistischen Ansatz frönen, indem sie nach wie vor die Nähe zu Russland (wenn auch nicht zu Putin) unterstreicht und damit DDR-Nostalgiker und Anti-Queerdenker bedient. Sie kann sich, wie aktuell laut Umfragen rund 70 Prozent der Bürger, zur vorläufigen Weiternutzung der Kernenergie bekennen und zudem die von Ölraffination, Kohleabbau und deren Nutzung abhängigen Menschen bedienen.

In der Frage der Nähe zu Russland hat sie lediglich die Konkurrenz der AfD zu fürchten, die jedoch in dieser Frage zutiefst verunsichert ist und der man anmerkt, dass sie diese Thematik nur auf Druck eines russland-affinen Teils ihrer Wählerschaft betreibt. In Sachen Kernenergie steht Wagenknecht auf dem linken Flügel einzigartig da – und selbst die pseudo-oppositionelle Union erwägt bestenfalls eine befristete Weiternutzung.

Für eine Wagenknecht-Partei gäbe es insofern zentrale Themenfelder, die sie annähernd singulär besetzen könnte. Eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg wäre insofern gegeben und könnte als Radikalopposition zudem jene Klientel bedienen, die der SPD trotz deren kontinuierlichen Sozialbestechungsaktionen in Sachen Sozialismus nicht mehr über den Weg traut.

2. Eine populäre Führungsfigur

Eine Parteineugründung hat nur dann Erfolg, wenn sie in der Öffentlichkeit durch eine oder mehrere Personen glaubwürdig vertreten werden kann. Diese Personen müssen über einen gewissen Popularitätssockel verfügen und als Figur die Kerninhalte des Parteiangebots glaubwürdig repräsentieren. Wie das funktionieren kann, hat Italiens Georgia Meloni exemplarisch vorgemacht.

Neugründung 1
Die Wagenknecht-Partei: Potenzial ja, gute Chancen nein
Bei früheren Parteigründungen mit mäßigem bis deutlichem Erfolg waren es Personen wie Franz Schönhuber (REP), Markus Wegner (STATT), Ronald Schill (PRO) und Bernd Lucke (AfD), an denen die Parteien festgemacht werden konnten. Lediglich Schönhuber verfügte dabei durch seine Tätigkeit beim Bayerischen Rundfunk über eine ausgeprägte, vor-parteiliche Bekanntheit. Die drei anderen wurden jeweils medial gehypet, weil die Journalisten Pfeffer für erstarrte, politische Situationen benötigten. Wegner war der CDU-Rebell, der vor Gericht die Neuwahl eines Landesparlaments durchgesetzt hatte. Schill war von der Boulevardpresse zum „Richter Gnadenlos“ hochgeschrieben worden, der als solcher perfekt für den Parteinamen stand. Der Volkswirtschaftler Lucke wurde zum Euro-Rebellen, der als Wahl-Stachel im Fleisch der etablierten EU-Parteien steckte.

Sahra Wagenknecht ist allen genannten Vorläufern um Meilen voraus. Unabhängig davon, ob man inhaltlich ihre Positionen teilt, darf festgestellt werden, dass sie in Sachen analytischer Intelligenz nicht nur jede Quotenfrau in die Tasche steckt, sondern auch jedem männlichen Abgeordnetenkonkurrenten locker das Wasser reicht. Ihr gefälliger Auftritt zwischen eloquentem Charme und zielgenau eingesetzter Provokation hat sie längst in der ansonsten regierungstreuen Medienlandschaft zu einer Art Ikone werden lassen. Ist sie in eine der zahllosen Sprech-Schauen geladen, sind Quotenerfolge kaum zu vermeiden.

3. Die mediale Wirkung

Eine Parteineugründung ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn sie ohne mediale Resonanz auskommen muss. Diese mediale Resonanz ergibt sich jedoch nur aus zwei maßgeblichen Aspekten: die Attraktivität der jeweiligen Führungsperson und das Presse-Bedürfnis, „die da oben“ vor sich herzutreiben.

Zur Attraktivität einer Sahra Wagenknecht als mediale Kunstfigur ist bereits einiges gesagt worden. Eine von ihr initiierte, ernst gemeinte Parteineugründung würde sich in der Startphase erheblichen medialen Interesses erfreuen – weil sie perfekt als gezielte Provokation nicht nur der oppositionellen PdL, sondern auch der bräsigen SPD und der inhaltlich schleudernden Grünen eingesetzt werden kann. Vor allem einem Medium wie der Bild-Zeitung, die behutsam zu ihren Wurzeln im Boulevard zurückfindet, müsste es eine Freude sein, mit Wagenknecht das linkspolitische Hauptstadtmilieu zu verwirren. Legt die Bild hier vor, müssen die anderen nachziehen – eine breitgefächerte Bekanntheit der Parteineugründung wäre insofern gewährleistet.

Neugründung 2
Eine Wagenknecht-Partei würde die Linke zerschmettern
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Medien weitgehend grün geprägt sind. Es könnte insofern die Situation eintreten, dass vor allem die öffentlich-rechtlichen Staatssender in Wagenknecht eine Gefahr für das grüne Projekt sehen könnten und sie medial schneiden – beispielsweise mit dem Ausbleiben von Einladungen zu den Sprech-Schauen. Allerdings dürfte hier der Quotenmagnet politisch-ideologische Bedenken überdecken: Ob Will oder Lanz – die Quote entscheidet, ob man sich weiterhin die vom Bürger eingetriebenen Zwangsgebühren in die eigene Tasche stecken darf.

Eine gewisse Abneigung vor allem im Boulevard könnte Wagenknechts Nähe zu Russland erzeugen. Anders jedoch als ein Tino Chrupalla, der nicht nur in dieser Frage eher unbeholfen und linkisch agiert, wird es Wagenknecht gelingen, die größtmögliche Entfernung zu Putin bei gleichzeitig größtmöglicher Nähe zu „den Russen“ zu vermitteln. Damit wird sogar die ansonsten absolut eindeutig gegen Russland positionierte Bild-Zeitung leben können, vor allem deshalb, weil Wagenknecht ihre emotionale Russen-Nähe mit den Überlebensbedürfnissen der kleinen Leute verknüpft.

Wenn jemand Chancen hat, dann Wagenknecht

Kurzum: Wenn in der gegenwärtigen Situation eine Parteineugründung Erfolg haben kann, dann ist es die einer Sahra Wagenknecht. Dagegen spricht nicht einmal, dass in einer FoGEP-Studie aus 2014 aufgezeigt wurde, dass das Nichtwählerklientel weit überwiegend rechts der gefühlten, politischen Mitte angesiedelt ist. Solange sich Wagenknecht sozial präsentiert, ohne erneuten sozialistischen Weltumbauexperimenten das Wort zu reden, wird es ihr sogar gelingen können, aus dem Potenzial der Partei-Frustrierten Unterstützung bei Wahlen zu generieren.

Wo ihre eigentlichen Stoßrichtungen liegen, hat sie bereits in der Vergangenheit wiederholt deutlich gemacht. Bei der AfD möchte sie diejenigen einsammeln, die von der PdL den kurzen Sprung über die eingebildete Trennlinie zwischen Links und Rechts gewagt haben. Aus der mittlerweile ebenfalls zur Einheitslinken abgewanderten PdL, ihrer gegenwärtigen Heimat, kann sie sich ohne jeden Zweifel einer Klientel erfreuen, die nur deshalb noch die Kommunisten wählt, weil sie Wagenknecht wählen wollen und mit den ostdeutschen Alt- und westdeutschen Neukadern nichts anfangen können. Auch enttäuschte, frühere SPD-Anhänger könnten den Weg zu Wagenknecht finden, weil sie in ihr mehr sozialdemokratisches Original erkennen als in der Partei des farblosen Olaf Scholz und jenen Studienabbrechern und Promotionsmoglern, die handfeste Arbeit nicht einmal mehr aus ihren Studienbüchern kennen.

Neugründung 3
Paradox: Eine Partei von Sahra Wagenknecht hilft der Ampel
Wo Wagenknecht jedoch das wichtigste Klientel vermutet, hat sie jüngst mit einem fast schon klassischen Zitat verdeutlicht. In ihrer regelmäßigen, virtuellen Fanansprache ließ sie wissen: „Für mich sind die Grünen die heuchlerischste, abgehobenste, verlogenste, inkompetenteste und, gemessen an dem Schaden, den sie verursachen, derzeit auch die gefährlichste Partei, die wir aktuell im Bundestag haben.“

Klarer in der Ansprache geht nicht – nicht nur als Attacke auf die gefühlte, neue Volkspartei, sondern auch in den eigenen Laden hinein. Dessen Dietmar Bartsch, der ahnen muss, dass eine Wagenknecht-Partei seine Altkommunisten abschließend aus den Parlamenten kegeln wird, reagierte auf die Grün-Attacke der Genossin mit dem klassischen Beißreflex der politischen Linken: „Die gefährlichste im Bundestag vertretene Partei ist und bleibt die AfD.“ Angesichts der Bedeutungslosigkeit, in der sich die AfD ohne Regierungsbeteiligung und mediale Rückendeckung politisch tatsächlich bewegt, eine eklatante Fehleinschätzung, die jedoch als Reaktion auf Wagenknecht genau das Wasser ist, das ihre Mühle braucht.

Nicht naiv und nicht überheblich

Sollte Wagenknecht tatsächlich ansetzen, als intellektuelle Frontfrau einer am kleinen Mann orientierten Oppositionspartei den Sprung ins Ungewisse zu wagen, dürfte sie damit zum gegenwärtigen Zeitpunkt mehr Erfolg als jeder andere haben. Dass eine Parteineugründung allerdings vor allem intern mit zahlreichen Problemen zu kämpfen hat, belegt nicht nur die Entwicklungsgeschichte der AfD, sondern findet sich auch in einem bislang unveröffentlichten, hundertseitigen Manuskript, das die Gründungsphase der „Schill-Partei“ mit allen Widrigkeiten und Intrigen beschreibt und sich in meinem Archiv befindet.

Das jedoch ist eine andere Geschichte – und Sahra Wagenknecht ist durchaus zuzutrauen, weder so naiv wie ein Bernd Lucke noch so selbstüberschätzend wie ein Ronald Schill an der eigenen Parteineugründung zu scheitern. Vor allem aber hat sie einen Bonus, der für den Erfolg nicht zu unterschätzen sein wird. Auch wenn sie gelegentlich in ihrer Ansprache an den kleinen Mann mit vorgeblich „rechtem“ Gedankengut spielt, so ist ihr linker Nimbus derart ausgeprägt, dass die konsensdemokratische Nazi-Keule bei ihr nicht wirkt. Das vor allem macht sie für die linke Konkurrenz gefährlich – die ihrerseits alles dafür tut, nicht unbedeutende Teile ihrer eigenen Wählerschaft zu vergrätzen.

Was Wagenknecht derzeit vor allem fehlt, sind eloquente Mitstreiter, die unter ihr im Team agieren und gleichzeitig als selbständige Akteure auftreten können. Findet sie diese, dann hat die gefühlte Erbin der Rosa Luxemburg jede Chance, das linke Parteienspektrum aufzumischen. Schaden könnte es nicht – frische Luft ist in den Zirkeln der Dauerstudenten und Studienabbrecher und selbsternannten Menschheits- und Klimaretter ohne Zweifel nicht von Schaden.

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