Tichys Einblick
Teil 2 – Trump, die GOP und der Vizepräsident

Trump – Blick hinter das Impeachment possible

Das Impeachment ist für das amerikanische Präsidialsystem eine Notbremse. Sie soll als Verfahren zur Amtsenthebung eines Präsidenten ausschließlich dann gezogen werden, wenn es lichterloh zu brennen scheint.

Vice president Mike Pence, President Donald Trump, and Secretary of State, retired United States Marine Corps general James Mattis

© Drew Angerer/Getty Images

Im Rahmen der Checks-and-Balances der Vereinigten Staaten muss der entsprechende Antrag mit einfacher Mehrheit im Repräsentantenhaus eingeleitet werden. Sodann geht das Verfahren an den Senat. Dort leitet der Oberste Richter der Union das Anhörungsverfahren, welches im Wesentlichen den Verfahrensregeln der US-Gerichtsbarkeit folgt. Am Ende dieses Verfahrens kann der Senat mit einer Zweidrittel-Mehrheit einen entsprechenden Schuldspruch fällen.

Ob die Begründung der Amtsenthebung tatsächlich erwiesen ist oder lediglich als bewiesen behauptet wird, spielt dabei keine Rolle – am Ende geht es nur um Mehrheiten. Deshalb ist jeder Präsident, der über eine qualifizierte Minderheit im Senat verfügt, letztlich vor einem politischen Impeachment gefeit. Tatsächlich kam es daher auch erst zweimal in der Geschichte zu einem entsprechenden Verfahren:

♦ 1868 sollte der als Vizepräsident für Abraham Lincoln nachgerückte Demokrat Andrew Johnson wegen „Missachtung des Kongresses“ aus dem Amt entfernt werden. Tatsächlich gab es eine entsprechende Empfehlung – doch die notwenige Mehrheit zur Abwahl kam nicht zustande.

♦ 1999 war der Demokrat Bill Clinton wegen „Meineids und Behinderung der Justiz“ im Zuge der Lewinsky-Affäre mit einem Impeachment konfrontiert. Die Demokraten standen m Senat mehrheitlich hinter ihrem Präsidenten – Clinton blieb im Amt.

Lediglich 1974 schien das Impeachment erfolgreich enden zu können – die gegen Richard Nixon festgestellten Verfehlungen im Zuge der „Watergate-Affäre“ wogen so schwer, dass eine Abwahl unumgänglich schien. Der republikanische Politiker erklärte seinen Rücktritt – eine Senatsabstimmung war obsolet.

Diese drei Fälle machen deutlich: Solange Trump sich auf eine republikanische Mehrheit verlassen kann, wird er im Amt bleiben. Sollten allerdings entsprechend relevante Vorwürfe wie Landesverrat oder Bestechung/Bestechlichkeit, aber auch Behinderung der Justiz durch den eingesetzten Sonderermittler bestätigt werden, könnten „seine“ Republikaner Anlass haben, gegen den auf ihrem Parteiticket ins Amt gekommenen Trump zu stimmen. Für sich persönlich haben Senatoren nur den möglichen Zorn ihrer Wähler zu fürchten, sollten sie ein Impeachment unterstützen.

Für den Fall der Fälle vorgesorgt

Eine Absetzung des Präsidenten hat auf das politische Regierungsgeschäft nur vorübergehende Auswirkungen. Neuwahlen innerhalb der Legislaturperiode sind in den USA nicht vorgesehen: Scheidet er gewählte Präsident – gleich aus welchen Gründen – aus, tritt automatisch der Vizepräsident an dessen Stelle.

Seit 1945 trat eine solche Situation dreimal ein:

  • Harry S. Truman rückte im April 1945 an die Stelle des verstorbenen Franklin D. Roosevelt.
  • Lyndon B. Johnson folgte im November 1963 auf die Ermordung John F. Kennedys.
  • Gerald Ford wurde nach dem Watergate-Rücktritt Richard Nixons Präsident.
Der Vizepräsident

Der Vizepräsident gehört quasi zum Präsidentenpaket. Er wird von einem Präsidentschaftsbewerber nach eigenem Gutdünken ausgewählt und gilt automatisch als vom Volk gewählt, wenn sein Präsidentschaftsbewerber erfolgreich sein sollte. Im „Fall Trump“ lohnt es sich deshalb, auf den Vize ein besonderes Augenmerk zu werfen.

Als Trump antrat, war er quasi noch eine absolute Ein-Mann-Show. Er präsentierte sich – obgleich in der Partei nicht im Geringsten verankert – als Republikaner. Das ist in den USA – anders als beispielsweise in Deutschland – im basisdemokratischen Sinne möglich. Das Vorwahlsystem, bei dem sich die Bürger für die Beteiligung an den Vorwahlen einer Partei eintragen lassen können, sieht eine offizielle Nominierung durch einen Parteikonvent erst nach Abschluss des Vorwahlverfahrens vor. Trump konnte also ohne jegliche Rückendeckung durch Parteigremien seinen Versuch starten.

Damit durchkreuzte er die Karriereplanung zahlreicher, etablierter Republicans. Lediglich der 1943 in Pennsylvania geborene Newt Gingrich, Mitinitiator der „Tea Party“, bekannte sich umgehend zum Seiteneinsteiger. Gingrich gehört zwar seit Ewigkeiten der GOP an, gilt dort aber als Inkarnation eines „Stinkstiefels“ – maßgeblich auch dadurch verursacht, dass er durch seine Persönlichkeit in seinen Karrierezielen immer wieder an sich selbst gescheitert war und den „Waldorf & Statler“ in einer Person gab.

Durch sein frühes Bekenntnis zu Trump galt er lange Zeit als logischer Vizepräsidentenkandidat – doch statt seiner präsentierte der New Yorker im Juli 2016 den erzkatholischen Gouverneur des Bible-Belt-Staates Indiana, Mike Pence. Pence, zum Zeitpunkt seiner Bestellung gerade 57 Jahre alt geworden, hatte sich ursprünglich hinter den Bewerber Ted Cruz aus Texas gestellt. Erst als dieser seine Kandidatur zurückzog, schwenkte er zum Außenseiter um.

Der Umbau der GOP

Anders als Gingrich, der der Generation Bush zuzurechnen ist, hatte Pence in der Grand Old Party eine Scharnierfunktion übernommen. Einerseits eng vernetzt mit der alten Garde um Mitt Romney und John Sidney MacCain, gilt er als Mentor der „jungen Wilden“ um Paul Ryan.

Ryan, am 29. Januar 1970 in Wisconsin geborener, streng katholischer Sohn irischer und bayerischer Vorfahren, hatte in den Jahren der Obama-Administration die GOP von unten aufgerollt. Er schob Gingrich ebenso auf das Abstellgleis wie den ebenfalls aus deutsch-irischer Liaison entstammenden, langjährigen Sprecher des Repräsentantenhauses und Leitfigur der Fraktion, John Boehner (Jahrgang 1949) sowie den über die Parteigrenzen hinaus geschätzten, 1936 geborenen Senator von Arizona, John Sidney McCain.

Zu der Seilschaft um Ryan gehören weitere, ebenfalls in den 1970er Jahren geborene Personen, die ihre Lebensaufgabe nebst Karriereplanung in der Politik sehen:

♦ Marco Rubio erblickte am 28. Mai 1971 in Florida das Licht der Welt. Seine kubanischen Eltern hatten die Karibik-Insel 1956 unter der Battista-Diktatur verlassen. Als Einwandererkind trat er dennoch vehement gegen Obamas Pläne zur Legalisierung der illegalen Migranten auf. Er begründete dieses damit, dass dadurch jene ungerecht behandelt würden, die sich streng an die Regeln der amerikanischen Einwanderungsgesetze hielten. Der Katholische Politikwissenschaftler und Jurist ist seit 2011 Senator für seinen Heimatstaat Florida.

♦ Ted Cruz wurde am 22. Dezember 1970 als Sohn eines ebenfalls zu Battista-Zeiten immigrierten Kubaners und einer Amerikanerin während eines Geschäftsaufenthalts der Eltern im kanadischen Calgary geboren. Wie sein vom Katholizismus konvertierter Vater gehört er der einflussreichen Gemeinschaft der protestantischen Southern Baptists an. Mit cum laude-Abschlüssen der Universitäten in Princeton und Harvard zog es den Politikwissenschaftler und Juristen bereits früh in die Politik. In seinem Heimatland Texas gilt der konservative Senator als gemäßigter Anhänger der Tea-Party-Bewegung und erklärter Trump-Gegner, seitdem jener Teds Vater in Verbindung mit der Kennedy-Ermordung gebracht hatte.

♦ Reinhold Richard „Reince“ Priebus hat deutsch-griechische Wurzeln, einen cum laude-Abschluss in Politikwissenschaften und einen Abschluss in Rechtswissenschaft. Der am 18. März 1972 im Neuenglandstaat New Jersey geborene, griechisch-orthodoxe Konservative führte bis in dieses Jahr die GOP als Parteichef. Priebus wurde von Trump auf Empfehlung durch Pence zum Stabschef des Weißen Hauses – und damit zum faktisch mächtigsten Mann in der der Präsidialadministration – berufen.

Ebenfalls zur Generation der heute Mittvierziger zu zählen ist Ronna Romney MacDaniel. Sie entstammt wie ihr Onkel Mitt Romney (Jahrgang 1947) dem mormonischen „Altadel“, gehört zu einer der einflussreichsten Dynastien der Vereinigten Staaten. Ihren Stammbaum führen die Romneys auf einen der Gründungsväter der Mormonen zurück. Als Priebus auf Grund seiner Berufung ins Weiße Haus seinen Parteijob aufgab, trat Ronna an seine Stelle. Damit hatten sich sowohl die 45er als auch die graue Eminenz der GOP ihren unmittelbaren Einfluss in die Partei abgesichert – Mitt hatte sich von Anbeginn an gegen Trump positioniert und gilt auch heute als einer seiner heftigsten Widersacher.

Ein Unfall von historischer Dimension

Trotz aller Konkurrenzen eint alle Genannten bis auf den Außenseiter Gingrich eines: Ihre Auffassung, dass der „Fall Trump“ ein Unfall von historischer Dimension gewesen ist. Nicht ein Emporkömmling aus New York hätte die Nachfolge des verhassten Obama antreten müssen – sondern einer aus ihren Reihen. Das Scheitern sowohl von Rubio wie von Cruz an jenem Mann, dessen Generation sie in der Republican Party überwunden geglaubt hatten, hat den Durchmarsch der Mittvierziger vorerst gestoppt. Zwar ist man dankbar dafür, das Weiße Haus wieder in republikanischer Hand zu wissen und die ungeliebten Beschlüsse Obamas aus der Welt schaffen zu können – doch die selbstsüchtige Hybris des Donald Trump, der außer seiner eigenen Auffassung keine zweite gelten lassen kann, lässt bestenfalls ein Zweckbündnis auf Zeit zu. Deshalb haben sie Trump bereits – von diesem unbemerkt – eingemauert.

Teil 1 – Russland, der Präsident und der Sonderermittler
Trump: Fall at Dusk – Scheitert der US-Präsident?
Es spielt keine Rolle, ob Pence, wie in einigen Zirkeln behauptet wird, seinen Wechsel von Cruz zu Trump gezielt aus taktischen Erwägungen in Absprache mit den jungen Wilden vorgenommen hatte, um als von „The Donald“ dringend benötigtes Bindeglied zur GOP in die Funktion des „running mate“ – des Vizepräsidentenkandidaten – zu gelangen. Tatsache ist: Er war erfolgreich und konnte so ein Hardliner-Duo Trump-Gingrich verhindern. Sodann gelang es ihm, mit Priebus einen der am besten vernetzten Jungpolitiker der USA im Weißen Haus zu platzieren. Dessen Netzwerker Cruz und Rubio halten als Senatoren zweier Südstaaten die Kontakte zu den gemäßigten Demokraten – und sind letztlich Meinungsführer der Nicht-Neuengland-Staaten. Ryan – ebenfalls langjähriger Weggefährte – hat im Repräsentantenhaus die Fäden in der Hand.
Was wäre wenn …

Unterstellt, Sonderermittler Mueller sollte in Sachen Trump auch nur einige der öffentlich behaupteten Vorwürfe von Russland-Einfluss bis Justiz-Beinflussung bestätigen können – wäre dieses für die GOP eine Katastrophe?

Nicht, wenn es eben nur Trump wäre, dessen Ausflug in die große Politik darüber unvermittelt endete. Könnten Teile der Republicans im Senat auf Grundlage eines tatsächlich oder scheinbar vernichtenden Ermittlungsergebnisses den weniger werdenden, treuen Trump-Wählern ein Impeachment-Votum nachvollziehbar machen, wird niemand aus der Partei ihrem Idol auch nur eine Träne nachweinen. Ganz im Gegenteil: Mit Pence als automatisch nachrückendem Präsidenten säße das Scharnier zwischen Romney-McCain und den Mitvierzigern an der Schaltstelle der Macht. Seinen Stabschef hätte er bereits installiert. Auch bei den Ministerposten wären unter Pence keine allzu radikalen Veränderungen zu erwarten.

Ändern allerdings würde sich unmittelbar der Stil des Weißen Hauses – weg vom twitternden Lautsprecher zu einem Mann der leiseren Töne. Als streng konservativer, aber berechenbarer christlicher Fundamentalist hielte er fest am Ziel, die in republikanischen Augen als Irrwege erkannten Entscheidungen der Obama-Ära zu korrigieren. Und er käme nicht auf die Idee, die Bündnisse der USA auch nur ansatzweise infrage zu stellen.

Das Sozialpaket könnte die Entfremdung bewirken

Bleibt in den Augen der Partei nur noch eine Aufgabe zu lösen: Die Wählerschaft davon zu überzeugen, dass ein Trump nicht Präsident der mächtigsten Nation der Erde sein kann. Einiges dazu hat „The Donald“ mit seinen polternden Auftritten nebst unübertrefflicher Selbstgefälligkeit bereits selbst geleistet. Den möglicherweise entscheidenden Kick könnte der Präsident nun nach seinem ersten Ausflug in die internationale Politik einspeisen. Dem Vernehmen nach hat Stabschef Priebus die Entourage des Präsidenten vorzeitig Richtung Washington verlassen, um dort die Präsentation der vielleicht größten Sozialreform der USA vorzubereiten und Absprachen mit den republikanischen Meinungsführern zu treffen.

Sind die bislang durchsickernden Informationen zutreffend, dann sollen im Sozialwesen künftig im Jahr rund eine Dreiviertel Milliarde Dollar eingespart werden – im Krankenwesen, bei Sozialunterstützung und ähnlichem. Das träfe nun unmittelbar vorrangig auch jene Klientel, die als „White Trash“ bislang unverdrossen zum Präsidenten steht und könnte selbst dort den Wunsch nach einer Politik, die nicht nur über Steuererleichterungen die Reichen noch reicher und über Sozialabbau die Armen noch ärmer macht, befördern helfen.

Insofern hat es vielleicht mehr als gute Gründe, wenn bei den öffentlichen Auftritten des Präsidenten dessen Vize – bislang für repräsentative Aufgaben zuständig – selbst bei heftigstem Gefecht mit einem verschmitzten, in sich gekehrten Lächeln still in der zweiten Reihe steht.

Wie immer die Zukunft Trumps aussehen mag – für Pence kann es nur nach oben gehen. Und geht es mit Pence nach oben, finden seine konservativen Mitvierziger wieder den Anschluss an ihre eigene Karriereplanung, und die gemäßigte, alte Garde zurück zu ihrer traditionsreichen Partei. Die GOP, die kurz davor schien, sich unter den Phänomen Tea-Party und Trump selbst zu zerlegen, wäre wieder das, als was sie sich selbst immer verortet hat: Der patriotische Anker in „Gods Own Country“.