Tichys Einblick
LNG-Terminal in Wilhelmshaven

6,6 Milliarden statt einer – Olaf Scholz feiert sein LNG-Versagen

Beim Feiern der Eröffnung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven fiel die persönliche Verantwortung von Olaf Scholz gänzlich unter den Tisch dafür, dass diese erlösende LNG-Zukunft nun um ein Vielfaches teurer werden wird als 2020, als der damalige Finanzsenator seine Offerte an die USA unterbreitete.

Eröffnung des neuen LNG-Terminals in Wilhelmshaven am 17. Dezember 2022

IMAGO / Frank Ossenbrink

Am 7. August 2020 landete das bundesdeutsche LNG-Angebot bei US-Präsident Donald Trump auf dem Tisch. Rund eine Milliarde Euro wolle die Bundesregierung in die Hand nehmen, um in Brunsbüttel und in Wilhelmshaven jeweils ein Terminal für die Anlandung von LNG (liquid natural gas) zu bauen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der das Angebot seinerzeit unterbreitet hatte, habe damit die US-Zustimmung zum Betrieb von Nord Stream 2 erkaufen wollen, hieß es. Denn eigentlich, so die damals verbreitete Auffassung, würden die Terminals nicht benötigt. Schließlich flösse bis in alle benötigte Ewigkeit kostengünstiges Sibirien-Gas durch die Ostsee, um den deutschen Energiebedarf zu sichern.

Prompt machten die professionellen Umweltorganisationen mobil. Nicht nur, dass LNG deutlich teurer sei als Russengas – es werde auch mit der umweltschädlichen Fracking-Technologie gefördert. Die wiederum galt spätestens seit dem 2010 veröffentlichten Josh-Fox-Film „Gasland“ als umweltpolitisches Teufelswerk, weshalb auch die aktuelle Bundesregierung lieber den Blackout und horrend überbezahlte Weltmarktpreise in Kauf nimmt, statt die eigenen Schiefergasreserven auszubeuten. Auch wurden bereits damals die geplanten und nun bereits eingerichteten Standorte – vor allem in Wilhelmshaven – als unmittelbare Bedrohung der dortigen Wattgebiete bezeichnet.

Terminal-Ausbau auf Sparflamme und der Hammerschlag

Die entsprechenden Planungen liefen folgerichtig mehr als zögerlich an. Eine telefonische Rückfrage bei der Verwaltung der Stadt Brunsbüttel ließ noch im Frühjahr 2022 den Eindruck aufkommen, dass bis dahin in Sachen LNG-Terminal außer ein paar vagen Sondierungen so gut wie nichts geschehen war. Wozu auch: Trump war im Januar 2021 aus dem Präsidentenamt ausgeschieden – weshalb also noch die USA beschwichtigen und den Protest von Umweltakteuren in Kauf nehmen, wenn doch mit Joe Biden nun jemand das Sagen in Washington hatte, dem ein deutlich ausgeprägteres Umweltbewusstsein als Trump unterstellt wurde?

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So traf es denn die noch frisch inaugurierte Scholz-Administration der Bundesrepublik auch wie ein Hammerschlag, als im Februar 2022 der Präsident im Kreml über ein Nachbarland herfiel, was wiederum den nun zu sanktionierenden Bezug des günstigen Sibirien-Gases erst infrage stellte, um die Zulieferung dann völlig abreißen zu lassen.

Plötzlich wurde das ungeliebte Fracking-Gas aus USA ebenso wie Flüssiggas aus jenen gefühlten Menschenrechtsverächtern um den Arabisch-Persischen Golf zur alternativlosen Alternative. Und ebenso plötzlich mussten nun jene LNG-Terminals her, deren Bau vom früheren Finanzminister und gegenwärtigen Bundeskanzler bis dahin auf mehr als Sparflamme gefahren wurde. Frei nach dem an Mario Adorf als Fabrikant Heinrich Hafferloher angelehnten Problemlösungs-Grundprinzip der RG2-Koalition – „Isch scheiß dich sowat von zu mit meinem Geld, dass de keine ruhige Minute mehr hast“ – spielten nun weder Umweltskrupel noch die klammen Euro irgendeine Rolle.

Im Eiltempo – von Scholz eigengelobt als „das neue Deutschland-Tempo, mit dem wir Infrastruktur voranbringen“ – wurde vor Wilhelmshaven eine Seebrücke installiert, an der an einem kühlen Freitag vor dem vierten Advent des Jahres 2022 eines von zwei vom norwegischen Reeder „Hoeg LNG Holdings“ auf fünfzehn Jahre gepachteten Spezialschiffen vor Anker gegangen ist, um künftig als „Floating Storage and Regasification Unit“ (FSRU) die Rückwandlung des auf minus 165 Grad Celsius heruntergekühlten Methan zu übernehmen.

Die Floskel von dem guten Tag

Rund sechs Prozent des deutschen Gasbedarfs nach aktuellem Stand und unter Berücksichtigung der gebetsmühlenartig vorgebrachten Sparappelle der grünen Bundesnetzagentur, deren Planungen bedauerlicherweise durch die im November und Dezember ausgebliebene Klimaerwärmung erheblich ins Schwanken geraten sind, sollen allein über die Stationierung des fast schon symbolisch auf den Namen „Hoegh Esperanza“ getauften Schiffs künftig gedeckt werden.

Im Stile der üblichen Floskelitis lobte der Unscheinbare aus dem Kanzleramt in winterkalter Nordseegischt einen „guten Tag für Deutschland“, gab sich namensgerecht hoffnungsfroh, dass mit dem Ausbau der nunmehr geplanten, weiteren drei Anlagen in Brunsbüttel, Stade und Lubmin die Bundesrepublik ihre Energiesicherheit gewährleistet habe.

Des Scholzens Verantwortung für rund 5 Milliarden Mehrkosten

Was bei all dem Feiern der frohen Hoffnungen gänzlich unter den Tisch fiel, war erwartungsgemäß die persönliche Verantwortung des Olaf Scholz dafür, dass diese erlösende LNG-Zukunft nun um ein Vielfaches teurer werden wird als zu jenen Zeiten, als der damalige Finanzsenator seine Offerte an die USA unterbreitete.

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Hätte Scholz seinerzeit, als er die Kosten für zwei vollfunktionsfähige Terminals mit rund einer Milliarde veranschlagte, den Bau der beiden Anlagen auch nur mit der halben Energie des gegenwärtigen Pachtanlegers vorangetrieben, dann hätte er in diesem Dezember nicht ein kostenintensives Dauerprovisorium, sondern die Fertigstellung zweier kompletter und autarker Anlagen feiern können.

Angenommen – was zugegeben angesichts bisheriger Erfahrungen etwas unrealistisch ist – die Kosten hätten sich tatsächlich bei jener einen Milliarde für beide Anlagen bewegt, dann wären unter Bezugnahme auf bestätigte Aussagen aus dem Haus des Bundeswirtschaftsministers über fünf Milliarden Euro einzusparen gewesen. Denn allein für die beiden Pacht-Schiffe nebst Anlandeeinheit seien gegenwärtig 6,56 Milliarden Euro zu veranschlagen – darin enthalten jene angesichts der Gesamtsumme fast schon lächerlich erscheinenden 56 Millionen, die die Seebrücke in Wilhelmshaven gekostet hat.

Angesichts dieses Betrags fällt es kaum noch ins Gewicht, dass der Kinderbuchautor als Vizekanzler noch vor kurzem von einem ohnehin schon deutlich aufgestockten Betrag von „nur“ rund 3,5 Milliarden ausging – die Fast-Verdoppelung auf den letzten Metern sei „aufgrund der sich dynamisch entwickelnden Situation notwendig“, ließ das Ministerium wissen.

Wie immer keine Politikerhaftung

Angesichts dieser Vorgänge – bei denen aufgrund kontinuierlichen Regierungsversagens des amtierenden Bundeskanzlers, erst als Finanzminister unter Angela Merkel in der Mitverantwortung für die mehr als riskante Abhängigkeit von Wladimir Putin und für das offensichtliche Nichtstun beim geregelten Bau der zugesagten LNG-Terminals, dann als Panikkanzler angesichts der Unterwerfung unter grüne Energie-Ausstiegsphantasien – sollte sich einmal mehr die Frage stellen, wer eigentlich für das Versagen von Politikern haftet, wenn deren Unvermögen die Steuerzahler im wahrsten Sinne des Wortes Milliarden kostet.

Hätte die letzte Bundesregierung mit Scholz ihre Hausaufgaben gemacht und nicht in Trump-Aversion und unter dem Druck sogenannter Umwelt-NGO den LNG-Plan nur als überflüssige Fiktion betrachtet, wäre Deutschland nicht nur in den Möglichkeiten der Übernahme von Flüssiggas deutlich weiter – das Land hätte auch Milliarden unnötiger Pachtgebühren sparen können.

Doch die Frage nach Verantwortung und Haftung von politischem Versagen wird in dieser Republik nicht gestellt – und wenn, dann nur wie jüngst beim „Zeit“-Gespräch mit Merkel nach dem konsequenzlosen Motto „hätte, hätte, Fahrradkette“. Also darf sich der Mann, der durch Nichtstun ein Haushaltloch von rund fünf Milliarden gerissen hat, freudestrahlend in den Nordseewind stellen und sich als Flüssiggas-Prinz feiern. Tatsächlich angemessen wäre eher die Frage gewesen, wie hoch der monatliche Abzug vom Kanzlergehalt hätte ausfallen müssen, um die von ihm zu verantwortenden Mehrausgaben in Milliardenhöhe gegenüber seinen Bürgern als Dienstherr zu tilgen.

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