Tichys Einblick
Mittendurch

Merkels CDU ist nicht die Mitte, aber ihre Minister sind Mittelmaß

Nein, an diesem Kabinett gibt es überhaupt nichts zu feiern. Es signalisiert weder Aufbruch noch Erneuerung - sondern die Fortsetzung des Merkelschen Mehltaus mit bekannten Mitteln.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Ich weiß derzeit nicht, was mich mehr entsetzen soll: Das präsumptive Kabinett der Angela Merkel oder die Lobhudelei in den öffentlich-rechtlichen Medien. Beginnen wir mit dem Kabinett.

Peter Altmaier

Der getreue Eckehardt Peter Altmaier darf jetzt noch einmal eine Runde Wirtschaft. Nicht, dass er davon wirklich etwas verstünde – als Jurist verdiente er sich seine ersten beruflichen Sporen in der EU-Kommission, war dort für die soziale Sicherung von Wanderarbeitern (altdeutsch für Flüchtlinge) verantwortlich. Seit 1994 gehört Altmaier dem Deutschen Bundestag an und wurde in den vergangenen 24 Jahren zum Berufspolitiker, darf also mit Fug und Recht als Jemand bezeichnet werden, der einen auf Gewinn und Erfolg angelegten Wirtschaftsbetrieb niemals in seinem Leben von innen gesehen hat.

Diese Unkenntnis von dem, was nun sein Ressort sein soll, richtet aber auch keinen Schaden an. Seine Vorgänger hatten davon genauso wenig Ahnung – und solange sie sich aus den Wirtschaftsabläufen zurückgehalten und den ministeriellen Grüßaugust gemacht haben, war alles gut. Denn um die Wirtschaft kümmert sich immer noch am besten die Wirtschaft. Die Politik hat lediglich die Neigung, ständig neue Hemmschuhe zu erfinden – und so dürfen wir gespannt sein, ob Altmaier seinen neuen Job als das nimmt, als was er gemeint ist – oder tatsächlich glaubt, irgendwelche Duftmarken setzen zu müssen. Kurz: Lehnt er sich zurück auf dem Vorruhestandsposten und freut er sich über das regelmäßig eingehende Minister-Salär – oder sollte er beispielsweise, anknüpfend an frühere Qualitäten, an einer Wanderarbeiterquote oder ähnlichen Folterwerkzeugen arbeiten? Wir werden sehen.

Ursula von der Leyen

So langsam ist man geneigt, sich die Frage zu stellen: Was weiß Ursula über Angela, mit dem sie ihre Chefin ständig erpressen kann? Die Bundeswehr ist de facto nicht mehr vorhanden – U-Boote, Hubschrauber, Panzer, Transportmaschinen, Bekleidung – alles out of function. Die hohen Bundeswehroffiziere schwenken in ihrer Verzweiflung über die nicht vorhandene Wehrfähigkeit einer um den nächsten zur AfD – und statt die eklatanten Missstände zu beseitigen, wird Wehrkraft höchst ministeriell durch ständig neue Anti-Rechts-Kampagnen abschließend zersetzt.

Fassen wir zusammen: Die Floskel vom Bock und dem Gärtner wäre hier noch untertrieben. Offensichtlich scheint es höchstbundesamtliches Ziel zu sein, die Republik zur widerstandslosen Übernahme durch wen auch immer reif zu machen. Merkel hatte nach der unendlichen Liste des Leyenschen Fehlversagens jeden Grund gehabt, die Niedersächsin zurück zu ihren Pferden zu schicken. Stattdessen: Ab in die nächste Runde als Minister der Vernichtung der bundesdeutschen Streitkräfte.

Julia Klöckner

Einmal Weinkönigin – und schon reicht es für die Landwirtschaft als Minister. Immerhin stammt sie aus einer Winzerfamilie – dürfte sich also mit Reblaus und Mehltau ebenso auskennen wie mit den zahllosen Mittelchen, die die Chemieindustrie dagegen anbietet. Es wird spannend werden, wenn Barbara Hendricks ihren Feldzug gegen das Glyphosat ganz oben auf die Agenda setzt – und bei Klöckner die Bauernlobby die Ministertore stürmt, um die spärlichen Gewinne zu retten.

Doch was soll es – aus Merkels Sicht eine perfekte Wahl. Die potentielle Konkurrentin ist ab sofort mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigt und wird ihre gelegentlich durchscheinende, verhaltene Kritik an Merkel nun deutlich herunterfahren. Sozusagen hochgelobt, um sie mundtot zu machen. Dürfte funktionieren.

Jens Spahn

Somit sind wir bei dem zweiten, der in den MSM ständig als Merkel-Kritiker gefeiert wird. Woran deutlich zu erkennen ist, dass für diese Medienvertreter bereits ein wenig spätpubertäre Bockigkeit als politischer Widerstand erscheint. Der 1980 im Münsterland geborene Bankkaufmann ist wie Altmaier Berufspolitiker. Seit 2002 gehört er dem Deutschen Bundestag an – das versperrt den Blick auf die Wirklichkeit.

Jung ohne Schwung
CDU-Minister für die GroKo: Regierung der zerbrechenden Eisscholle
Spahn wird in den Medien gern als rechts und „Konservativer“ in der Union bezeichnet – was wiederum belegt, dass klassische Mittelinks-Positionen in der öffentlich gewünschten Wahrnehmung bereits als hart am rechtradikalen Rand der AFD vorbeischrammend einsortiert werden sollen. Echte Konservative ordnen Spahn nicht bei sich ein. Er darf jetzt als Minister das Gesundheitsressort leiten – was sich insofern gut trifft, weil der Politiker bereits von 2006 bis 2010 gleichzeitig als bezahlter Lobbyist der Pharmaindustrie und als Mitglied des Gesundheitsausschusses tätig war.

Wie bei Klöckner gilt: Nun ist er beschäftigt und wird, eingebunden in die Kabinettsdisziplin, seine gelegentlich angedeutete Kritik an der einen oder anderen Merkel-Entscheidung einstellen. Bereits in der Vergangenheit diente diese grundsätzlich nur der Organisation eines kurzen Strohfeuers der Öffentlichkeitswirksamkeit – nachhaltiger Widerstand ist seine Sache nicht.

Helge Braun

Der Humanmediziner soll künftig das Kanzleramt leiten. In der Partei ist er ein weitgehend unbeschriebenes Blatt – obgleich er mit einer Unterbrechung ebenfalls seit 2002 über Bundestagserfahrung verfügt. Wir dürfen gespannt sein, wie er sich an der Schaltstelle zwischen Merkel und dem Rest der Berliner Echoblase macht – warten wir also mit der Beurteilung, bis er sich durch irgendwelche Großtaten auszeichnet.

Anja Karliczek

Wo wir gerade bei unbeschriebenen Blättern sind: Mit Anja Karliczek wird nun eine Dame Minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, die zumindest von zwei dieser Ressortschwerpunkte keinerlei Ahnung hat. Den universitären Betrieb hat die Hotelfachfrau bislang lediglich aus der Froschperspektive des Fernuniabsolventen betrachtet.

Das spricht dafür, dass die Tochter einer Hoteliersfamilie den seit mehreren Jahrzehnten betriebenen, sozialistischen Abbau des klassischen Bildungsideals mangels Sachkenntnis weiter vorantreiben wird. Hier wird sie gut mit Altmaier kooperieren können: Der kümmert sich um die berufliche Zwangsintegration der „Wanderarbeiter“, Karliczek um die dafür unverzichtbare, berufliche Basisbildung.
Insofern passt das Kabinett – es steht für eine Fortsetzung der Merkelschen Flüchtlingspolitik und der Abwicklung Deutschlands in doppelter Hinsicht: Durch die Einsetzung von Personen, die dafür bereits frühere Erfahrungen mitbringen – und durch das Mundtotmachen jener wenigen, verhaltenen Kritiker.

Medien-Jubel

Vielleicht kann das den Jubel erklären, der allüberall auf den Medienspitzen der Merkelschen Personalpolitik glückseelig entgegen klingt und ihn als Nonplusultra vernünftiger Politik und Unions-Erneuerung feiert.

Nein, an diesem Kabinett gibt es überhaupt nichts zu feiern. Es signalisiert weder Aufbruch noch Erneuerung – sondern die Fortsetzung des Merkelschen Mehltaus mit bekannten Mitteln. Zu feiern gilt es dieses Personaltableau nur für jene, die ihren Journalistenjob mit Regierungspropaganda verwechseln. Und die schon jetzt einmal sicherstellen wollen, künftig das eine oder andere Exklusivinterview zu erhalten. Traurig.