Tichys Einblick
Umfragerisches

Ist Baerbock die richtige Kandidatin? Ja, selbstverständlich!

Die Hoffnung stirbt zwar bekanntlich zuletzt – aber auch eine fantasievolle Civey-Interpretation wird die grüne Übernahme des Kanzleramtes nicht mehr ermöglichen.

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Soeren Stache

Das Volksbefragungsunternehmen Civey hat wieder einmal eine sogenannte Umfrage erstellt. Dabei geht es um die alle Linken bewegende Frage: Hat Annalena Baerbock noch eine Chance, ohne entsprechende Qualifikation und trotz Mangels jeglicher Voraussetzungen im September das Kanzleramt zu erobern?

Das süddeutsche Regionalblatt Augsburger Allgemeine verbreitet auf seiner Website als Exklusiv-Nachricht: „Mehrheit der Deutschen ist überzeugt: Grüne hätten auf Habeck setzen sollen“.

Angesichts der fragwürdigen Aufhübschungen eines Lebenslaufs der Belanglosigkeit und des großzügigen Bedienens bei anderen Autoren zwecks eiligen Erstellens eines belanglosen Buches scheint diese Schlagzeile jede Erwartung zu bedienen. Folgerichtig verbreitet die Augsburger Allgemeine, dass nur eine Minderheit an Baerbocks Einzug in das Kanzleramt glaubt. 60 Prozent hingegen hielten die Baerbock-Kandidatur anstelle der des parteiinternen Konkurrenten Robert Habeck für einen Fehler. In einer „repräsentativen Umfrage“, erstellt am 1. und 2. Juli, hätten 60,9 % der „Befragten“ auf die Frage „War es Ihrer Meinung nach die richtige Entscheidung der Grünen, Annalena Baerbock statt Robert Habeck als Kanzlerkandidatin zu bestimmen?“ mit Nein und nur 24,0 % mit Ja gestimmt. 15,1 % seien unentschieden.

Breite Mehrheit für Habeck?

Also alles klar? 24 Prozent unverbesserliche Grünen-Fans, die wohl auch eine Brötchentüte gewählt hätten, wäre diese von der Partei als Kanzleramtsbewerber aufgestellt worden, gegen fast zwei Drittel jener, die vielleicht Grün gewählt hätten, stünde statt Baerbock nun Habeck im Spitzenkandidatenfeuer?

So will es uns die Augsburger Allgemeine suggerieren und verweist darauf, dass es noch unmittelbar nach der Baerbock-Nominierung gänzlich anders ausgesehen habe. Damals hatte Civey die Ergebnisse derselben Umfrage auf Grundlage der Beteiligung zwischen dem 19. April und dem 2. Mai exklusiv dem Hamburger Wochenmagazin „Der Spiegel“ verkauft – und damals sah es tatsächlich anders aus. Seinerzeit hätten 39,6 % erklärt, die Entscheidung für Baerbock sei richtig gewesen. Habeck hätten hingegen nur 37,1 % den Vorzug gegeben. Das sieht tatsächlich nach dem massiven Einbruch aus, den die Augsburger Allgemeine ihrem Leser suggeriert und mit dem Hinweis garniert, dass gleichwohl mehr als sechs von zehn Grün-Wählern nach wie vor ihre Bewerberin für die Richtige halten. Allerdings: Wie viele der Abstimmungsteilnehmer sich als Grün-Wähler geoutet haben, erfährt der Leser nicht.

Ziehen wir aktuelle Prognosen anderer Volksbefrager zu Rate, so liegt der Grünanteil derzeit bei rund 22 Prozent. Das scheint im Wesentlichen jenen 24 Prozent Pro-Baerbock-Unverbesserlichen zu entsprechen, welche Civey ermittelt haben will. Allerdings: Bei den Wahlabsichtsumfragen fallen in der Regel mindestens 30 Prozent der Befragten als „Unentschlossene“ – also Nichtwähler – unter den Tisch. Die gefühlten 22 grünen Prozentpunkte schrumpfen so schnell auf unter 16 %, von denen wiederum dann 60 Prozent der Wahlbrandenburgerin die Stange halten. Womit wir nun nur noch bei unter zehn Prozent wären, die als überzeugte Grüne von Baerbock als Bundeskanzler träumen.

Wie die Augsburger mit Zahlen jonglieren

Doch halt! Ganz so einfach ist das nicht.
So dreht die Augsburger Allgemeine bereits die Aussage der Civey-Mitwirkenden. Denn ein „Ja“ und ein „Nein“ standen als mögliche Antwort überhaupt nicht zur Verfügung. Wer Spaß daran hatte, unentgeltlich etwas zum Gewinn der Internetfragesteller beizutragen, konnte die Frage mit „Ja, auf jeden Fall“, „Eher ja“, „Unentschieden“, „Eher nein“ und „Nein, auf keinen Fall“ beantworten. Die Augsburger Allgemeine tut nun so, als hätte Baerbock Ende April deutlich vor Habeck gelegen – doch dem ist nicht so. Denn bei den eindeutigen In-jedem-Fall-Antworten hatte bereits im April eine knappe Mehrheit von ausgewiesenen 25,5 % für Habeck votiert, während Baerbock mit 24,8 % leicht zurück lag. Erst durch das Hinzurechnen der nicht so richtig Überzeugten kamen Anfang Mai 39,6 % für den weiblichen und nur 37,1 % für den männlichen Bewerber – und damit die behauptete Baerbock-Zustimmung – zustande.

Ziehen wir zum Vergleich den aktuellen Wasserstand heran, so ist der Baerbock-Fanclub auf 15,9 % geschrumpft, während der Habeck-Fanclub scheinbar auf 42,3 % Überzeugte und 18,6 % fast überzeugte – mithin zusammen 60,9 % – angewachsen ist.

Das wiederum korrespondiert nach Darstellung der Augsburger Allgemeine mit den Ergebnissen einer ebenfalls als „exklusiv“ gemarkten Civey-„Umfrage“, die mit den identischen Antwortmöglichkeiten folgenden Wortlaut hatte: „Wird es den Grünen Ihrer Meinung nach mit Annalena Baerbock gelingen, nach der Bundestagswahl die Kanzlerin zu stellen?“ Hier zeugen die Ergebnisse davon, dass immerhin 59,3 % der Teilnehmer über eine realistische Sicht der Dinge verfügen. Denn so viele klickten auf „Nein, auf keinen Fall“. Dagegen schweben nur noch 6,6 % jenseits der Wolken der grünen Glückseligkeit und sind immer noch davon überzeugt, dass man auch ohne jegliches Fundament das Kanzleramt übernehmen kann, solange man nur Frau und grün ist.

Redaktionelle Zauberkünstler

So scheinen nun beide Fragestellungen ein rundes Bild zu ergeben: Unter Hinzuziehung der 20,1 % nicht so richtig vom Nichteinzug Überzeugten stehen also 79,4 % gegen eine grüne Kanzlerchance – und 60,9 % für Habeck. Die Botschaft, die die Augsburger Allgemeine ihren Lesern und mehr noch der grünen Parteiführung vermitteln möchte, lautet: Tauscht schnellsten den Reiter aus, sonst habt ihr eure einmalige Chance aufs Kanzleramt verspielt!

Doch auch hier agiert die Augsburger Allgemeine-Redaktion nebst all jener medialen Abschreiber ähnlich wie ein Zauberkünstler. Zum einen steht nirgendwo, dass jene 79,4 % der „Chancenlosen“ gleichzeitig Habeck-Fans sind. Hätte beispielsweise ich mich an dem Civey-Frage-Antwort-Spiel beteiligt, so hätte ich bei der Kanzleramtsfrage ohne jeden Zweifel auf das „Nein, auf keinen Fall“ geklickt. Das hätte ich allerdings auch getan, wenn in der Frage statt Baerbock Habeck gestanden hätte, denn schließlich hat Civey nach meiner Meinung gefragt – und Meinungen müssen bekanntlich weder etwas mit sachgerechten Betrachtungen noch gar wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun haben. Selbst also, wenn ich einem Habeck vielleicht ein Quentchen mehr an Wählerzustimmung und ein Quentchen weniger an Selbstzerstörung zugetraut hätte, bliebe er meiner Meinung nach mit Blick auf das Kanzleramt chancenlos. Außerdem: Da ich die grün gefärbten Neomarxisten und ihre sanfte Ökodiktatur überall sehe, nur nicht in politischer Verantwortung sehen will, hätte ich bei der Civey-Frage immer auf das radikale Nein geklickt. Und sei es nur, um damit meine grundsätzliche Ablehnung zu dokumentieren.

Noch fragwürdiger wird der Auftritt der Meinungs-Zauberer mit Blick auf die vorgebliche Baerbock-Habeck-Frage. Vor allem offenbart sie, dass die Anklicker bereits gut konditioniert sind.

Schauen wir noch einmal auf die genaue Fragestellung: „War es Ihrer Meinung nach die richtige Entscheidung der Grünen, Annalena Baerbock statt Robert Habeck als Kanzlerkandidatin zu bestimmen?“

Eine ehrliche oder eine gewünschte Antwort?

Als jemand, der die fortschrittsfeindlichen Grünen um nichts in der Welt in Regierungsverantwortung sehen möchte, hätte ich diese Frage unter der Voraussetzung, dass ich eine ehrliche Antwort geben möchte, mit einem überzeugten „Ja, auf jeden Fall“ beantworten müssen. Denn einen größeren Gefallen, als das Schnatterinchen aus Brandenburg zur Spitzenkandidatin zu machen, konnten die Grünen jenen, die die Grünen als Bedrohung für die meinungsfreiheitliche Demokratie betrachten, überhaupt nicht tun. Der weichgespülte Frauenversteher aus dem hohen Norden wäre da durchaus gefährlicher gewesen – weshalb vermutlich deshalb er in der Civey-Frage auch als weiblicher Kanzleramts-Bewerber ausgewiesen wurde.

Hätten folglich die Civey-Klicker die Frage richtig gelesen und im Sinne des geschriebenen Wortes beantwortet, so hätten all jene, die die Grünen nicht in Regierungsverantwortung sehen möchten, meinem Beispiel folgen müssen und zugunsten der begeisterten Ja-Antwort klicken müssen. Immerhin: 23,6 % der potentiellen Unionswähler und 21,8 % der FDP-Anhänger sowie 46,6 % der SPD-Klientel und 40,2 % der SED-Nostalgiker taten es denn auch. Nur – mit welcher tatsächlichen Intention? Wollten die Unions- und FDP-Anhänger damit zum Ausdruck bringen, dass sie dem Baerbock-Fanclub angehören? Oder hatten sie die Frage korrekt gelesen und wahrheitsgemäß beantwortet, weil das grüne Leichtgewicht die Wahlchancen des eigenen Bewerbers erheblich verbessert hat? Und wie ist das mit den links-gestrickten? Freuen sich SPD-Anhänger darüber, dass eine dauernd stolpernde Baerbock möglicherweise manch potentiellen Grün-Wähler zu Olaf Scholz treibt? Selbst bei den Kommunisten stellt sich die Frage, was die deutliche Zustimmung zum „Ja, auf jeden Fall“ aussagen soll. Hoffen sie darauf, dass ihre Partei unter den Flügeln der Neomarxisten vielleicht tatsächlich in Regierungsverantwortung kommen kann? Oder freuen sie sich darüber, dass ein grünschwarz plappernder Spitzenkandidat echte Marxisten von den Grünen zu der PdL treiben könnte?

Civeys Ergebnisse haben null Relevanz

Kurzum: Diese Zustimmung oder Ablehnung hat auf Basis des Civey-Fragespiels keinerlei tatsächliche Aussage – und damit keinerlei Relevanz. Denn niemand kann beantworten: Haben die Teilnehmer, wie gefordert, tatsächlich ihre eigene Auffassung dargelegt – oder haben sie als gut dressierte Umfrageteilnehmer die gestellte Frage uminterpretiert, sodass diese nicht wortgemäß beantwortet wurde, sondern so getan wurde, als hätte sie gelautet: „War es für die grünen Wahlchancen die richtige Entscheidung, Baerbock statt Habeck als Kanzlerkandidaten zu bestimmen.“

Diese Frage hätte ich wahrheitsgemäß mit einem eindeutigen „Nein, auf keinen Fall“ beantworten müssen. Doch Civey wollte ja wissen, ob es meiner Meinung nach die richtige Entscheidung der Grünen gewesen ist – und da bleibt es aus besagten Gründen uneingeschränkt beim „Ja, auf jeden Fall“.

Als Habeck-Fan hätte ich mich übrigens weder mit der einen noch mit der anderen Antwort geoutet – und wie die Augsburger Allgemeine aus dieser vorgeblichen Umfrage der Nullrelevanz zu der Headline kommt, dass eine Mehrheit der Deutschen davon überzeugt sei, die Grünen hätten auf Habeck setzen sollen, wird ihr Geheimnis bleiben müssen. Da bedarf es schon ausgesprochen viel Interpretationsphantasie, um aus Ergebnissen, deren tatsächliche Motivation ungeklärt bleiben muss, einen solchen Schluss zu ziehen.

Und ewig lockt das Ministeramt …

Vielleicht aber ist es auch nur der Wunsch, der der Vater des redaktionellen Gedankens war. Die Träumer von der grünen Ökodiktatur im Kanzleramt könnten angesichts der politischen Schwindsucht, die die Heilsbringerin mit fragwürdigem Universitätsabschluss befallen hat, ihre letzte Chance auf Erfolg in einer Blitzrochade erblicken.

Jedoch sei ihnen gesagt: Wird es nicht geben. Denn erstens ist Baerbock eine Frau und bei Quote spielt Qualifikation keine Rolle, und zweitens ist Schnatterinchen dann doch nicht so dumm, ihrem wirklichkeitsfernen Leben die einmalige Chance zu nehmen, sich ab September auf dem Trittbrett einer schwarzgrünen Koalition in einen Ministersessel zu schleichen. Zöge sie jetzt zurück, wäre diese einmalige Chance vertan. Denn ob Frau und grün oder nicht: Das offene Eingeständnis des Totalversagens würde schnell andere Quotenfrauen an die Oberfläche spülen. Und da die Annalena mit den fragwürdigen Lebensläufen und den zusammengeklaubten Büchern bislang noch nicht genug für ihre Rente eingezahlt haben dürfte, ist der Weg in ein Ministeramt als Zukunftssicherung schlicht zu verlockend.

Insofern, liebe Augsburger Allgemeine-Kollegen: Die Hoffnung stirbt zwar bekanntlich zuletzt – aber auch Eure fantasievolle Civey-Interpretation wird die grüne Übernahme des Kanzleramtes nicht mehr ermöglichen. Diese Chance haben die Grünen nachhaltig vergeigt – und das ist, um einen früheren Bürgermeister Berlins zu zitieren, auch gut so.

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