Tichys Einblick
3. Oktober

Das absolute Unverständnis in der Berliner Echokammer

Was die zur Einheitsfeier zusammengekommenen Vertreter der Berliner Republik eint, ist das absolute Unverständnis für das Volk. Sie retten sich in irgendwelche Floskeln von Gemeinsamkeiten, von kollektiver Solidarität, die jenes berühmte „Wir“ des Alles und Nichts zusammenschweiße, um „die Demokratie“ zu verteidigen.

Bodo Ramelow, Bärbel Bas, Frank-Walter Steinmeier, Olaf Scholz und Stephan Harbarth bei der Ankunft am Erfurter Dom zum Gottesdienst und Festakt zum Tag der Deutschen Einheit. Erfurt am 3. Oktober 2022

IMAGO / Future Image

Da trafen sie sich also in Erfurt, die oberen 1.000 aus der Echokammer der Berliner Republik. Einträchtig saßen sie beieinander: ein Bundespräsident, der unreflektiert in die Definition eines „Dunkeldeutschland“ seines Vorgängers schlüpfte, den menschenverachtenden Mullahs im Iran Glückwunschtelegramme zur Machtergreifung schickt und sich zum Fan linksextremistischer Musikantentruppen erklärt. Ein Bundeskanzler mit dem Charisma eines vergilbten Löschblatts, der mit Doppelwumms und anderen Belanglosigkeiten seine Politik auf das sprachliche und geistige Niveau eines Vorschulkindergartens reduziert. Ein Bundesverfassungsgerichtspräsident, der die Freiheitsrechte als Säule des demokratischen Staates mittlerweile als nebenrangig erachtet, wenn es um die Verteidigung eines Abstraktums namens Staat geht.

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Was sie neben ihren überhoch dotierten Posten eint, ist das absolute Unverständnis für das Volk. Das allerdings ist allein schon deshalb nachvollziehbar, weil „Volk“ von ihnen ohnehin nur noch als „völkisch“ gedacht und selbst der Begriff der Nation nur noch als „nationalistisch“ und damit menschen-, europa- und zukunftsfeindlich geframt wird. Sie sitzen da und verstehen nicht. Retten sich stattdessen in irgendwelche Floskeln von Gemeinsamkeiten, von kollektiver Solidarität, die jenes berühmte „Wir“ des Alles und Nichts zusammenschweiße, um „die Demokratie“ zu verteidigen.

Sie warnen vor „Spaltern“, die „Hass und Hetze“ verbreiten, während sie selbst das Volk spalten in jene, die ihnen willig folgen, und jene, die es immer noch wagen, ihrer Kritik, auch ihrer Ablehnung Wort zu geben. Dabei hetzten sie selbst gegen alles, was in ihren Augen „rechts“ ist, und meinen damit jeden, der nicht gleich ihnen die Chancen der Zukunft ausschließlich in der woken Unterwerfung unter neomarxistische Weltillusionen sieht; der es wagt, eine andere Zukunftsvorstellung als die ihre zu haben.

Die angeblichen Demokratieverächter

Assistiert von den medialen Propagandisten, die als Journalisten zu bezeichnen einen einst verantwortungsbewussten Berufsstand beleidigen muss, sind sie fast schon außer sich, dass in jenen Instrumenten der Massenmanipulation, die als Umfragen bezeichnet werden, den Herrschaften aus der Echokammer ein verheerendes Zeugnis ausgestellt wird. Wobei auch hier die Spaltung in die guten und die nicht ganz so guten Deutschen zielgenau manifestiert wird.

Nur noch 39 Prozent der Ostdeutschen – also jener, die in den Bundesländern des Beitrittsgebiets der ehemaligen DDR leben – seien mit der Demokratie zufrieden. Der Zusatz, den der „Ostbeauftragte“ der Bundesregierung, ein Sozialdemokrat namens Carsten Schneider, noch korrekterweise hinzufügt und wonach diese Zufriedenheitsfrage sich „auf die Demokratie, so wie sie in Deutschland funktioniert“, beziehe, wird in Berichterstattung und politischer Reflektion schnell ausgeblendet. Stattdessen erfolgt der unvermeidliche Schluss: Nur noch 39 Prozent für die Demokratie – das sind 61 Prozent Demokratiefeinde. Sie hätten Demokratie halt noch immer nicht gelernt, diese Ostdeutschen, die 1989 ein sozialistisches Regime zum Teufel jagten, weil sie endlich in einer Demokratie leben wollten.

Demokratie in Nöten, weil Pseudodemokraten in Nöten

Wie gut, dass es die aufrechten Wessis gibt, von denen immerhin mit 59 Prozent eine knappe Mehrheit zufrieden mit dem ist, was die Politiker als Demokratie bezeichnen. Wobei – auch hier beginnt die Zustimmung zu bröckeln, waren es doch vor zwei Jahren noch 65 Prozent. Demokratie in Nöten, lautet der Tenor, und erwartet weitere Anstrengungen, um sich gegen die Feinde der Demokratie zu wappnen.

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Dass sie selbst es sind, diese oberen 1.000 einer woken Republik, die sich in Erfurt versammelt haben und die sich selbst zu Feinden der Demokratie entwickelt haben, kommt ihnen nicht in den Sinn. Weshalb sie auch als ersten Redner einen angeblichen Ministerpräsidenten des Gastgeberbundeslandes auf das Podium lassen. Ausgerechnet der Kommunist Bodo Ramelow schwingt sich auf zum Verteidiger der Demokratie – ein Mann, der in einer demokratischen Wahl seine Mehrheit verloren hatte und für den in einem demokratischen Prozess des zuständigen Parlaments ein anderer gewählt worden war.

Erst der Druck des linken Pöbels, der bis hin zur Bedrohung der Familie des gewählten Ministerpräsidenten ging, und ein eklatanter, aber nie geahndeter Verfassungsverstoß der damaligen Frau Bundeskanzler, die aus fernen Landen wissen ließ, dass die in jeder Hinsicht legale Wahl des neuen Mannes umgehend zu revidieren sei, ließen den Verlierer wieder an die Macht kommen. Kaum war dort mit seinem Kabinett der Verlierer installiert, vergaß er die Zusage, spätestens nach einem Jahr Neuwahlen durchzuführen, um damit sich oder einem anderen die unverzichtbare, demokratische Legitimation zu verschaffen. Das alles geschah im März 2020 – und wenn nicht Ramelow schon damals das Amt des Ministerpräsidenten delegitimiert hatte, dann spätestens 2021, als er seine verbindliche Neuwahl-Zusage brach.

Doch es ist nicht nur Ramelow, der das Vertrauen der Bürger in die Demokratie zutiefst erschütterte. Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, die auf Einladung eines illegitimen Ministerpräsidenten an den Feierlichkeiten in Erfurt teilnahm, ist ein weiterer Fleck auf der Schandliste der Demokratieerschütterung. Mittlerweile hat selbst das Berliner Verfassungsgericht begriffen, dass die vom Sozialdemokraten Andreas Geisel zu verantwortende Bundes- und Landtagswahl nichts mit demokratischen Standards zu tun hatte.

In einer Demokratie verantwortungsbewusster Politiker hätte daraufhin umgehend das gesamte Kabinett seinen Rücktritt erklären müssen, um den Weg zu Neuwahlen frei zu machen. Doch nichts geschieht – die demokratiewidrig Etablierten tun so, als ginge sie das alles überhaupt nichts an und bestätigen jene, die von ihnen zu Undemokraten geframt werden, weil die Demokratie so, wie sie von den Verantwortlichen gehandhabt wird, nicht mehr ihren Ansprüchen genügt.

Neomarxisten gegen die Werte des Bürgertums

Dabei ist das, was wir erleben, kein deutsches Problem. Deutschland ist nur das Brennglas, in dem ein ideologischer Bruch deshalb unmittelbar zu erkennen ist, weil hier Bürger aus dem ehemals demokratischen Westen und dem scheindemokratischen Osten unter einer Fahne vereint sind. In dem, was sich Europäische Union nennt, ist dieser Bruch längst schon noch viel deutlicher zu erkennen. Es ist der Bruch zwischen einer neomarxistischen Illusion und dem Anspruch der Bürger, selbstbestimmt in demokratisch organisierten Gemeinwesen zu leben.

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Als 1989 in den Städten Mitteldeutschlands die Menschen gegen das Regime der SED auf die Straße gingen, verlangten sie nicht nur nach Reisefreiheit und Deutschmark. Sie verlangten nach einem Staat, in dem die Politik die Bürger nicht länger gängelte und individuelle Zukunftsträume zerstörte. In dem Bürgerfreiheit gegen sozialistischen Kollektivismus stand. Das bedeutete auch, dass der Bürger das Recht haben muss, eine von den etablierten Kräften ungeliebte Opposition zu wählen und diese Opposition in den Parlamenten ernst nehmen zu lassen.

Ob Polen oder Ungarn: Die Menschen dort haben sich mehrheitlich für Politiker entschieden, die das neomarxistische Dogma ablehnen. So wie jetzt auch in Italien, wo aller Voraussicht nach eine Frau das Amt des Ministerpräsidenten übernimmt, die genau das zu tun verspricht, was ein italienischer Staatsbürger von einem italienischen Politiker erwarten darf.

Das Bekenntnis zu den Werten Europas

Meloni sagt offen, dass für sie die Interessen ihrer Italiener oberste Priorität haben. Eigentlich sollte das selbstverständlich sein, doch die woke Echokammer nennt es Nationalismus und Anti-Europäismus. Unsinn ist beides, denn wenn Wahlen in einer Demokratie einen Sinn haben sollen, dann den, dass die Bürger Politiker wählen, die ihre Interessen auch dann repräsentieren, wenn diese nationale sind. Und die nicht, wie beispielsweise die Deutsche Annalena Baerbock, ohne jede Scham verkünden, dass sie die Wünsche der Bürger nicht für einen Zehner interessieren.

Meloni bekennt sich zu den Werten des westeuropäischen, christlich geprägten Abendlandes. Es sind Werte, die die Europäer über Jahrtausende geprägt haben und den Erfolg dieses an sich unbedeutenden Zipfels an der Westkante des eurasischen Doppelkontinents begründeten. Meloni benennt die klassische Familie als Fundament der Gesellschaft. Damit provoziert sie nicht nur jene medial herrschende LGBTsonstwas-Community, die angesichts der Menge der von ihrer Dominanz Ausgegrenzten eine verschwindende Minderheit repräsentiert, sondern auch jene neomarxistischen Vertreter der Identity- und Konstruktivismus-Ideologien, die ihre Vorstellung der gleichgemachten Menschheit der Zukunft dadurch zu schaffen suchen, dass sie den Menschen ihre natürliche Identität stehlen und sie durch künstlich konstruierte Scheinidentitäten zum willigen Instrument gefühlter Zukunftseliten degradieren.

Meloni wendet sich gegen den Genderwahn, der als Begriff bereits für sich schon als rechtsextremistisch geframt wird, und der lediglich das Ziel verfolgt, als weiterer Baustein der Fragmentierung der Gesellschaft die Basis dafür zu schaffen, eine Horde entindividualisierter Neurotiker zu schaffen, die willig jenen folgen, die sie in die Neurose getrieben haben.

Der ewige Kampf gegen die bürgerliche Gesellschaft

Jene, die die angebliche Ferne der Bürger beklagen, weil diese mit der Demokratie der Gegenwart, die von der sprachlichen Verwendung des Krampfsterns als Kampfstern über die Absolutsetzung irgendwelcher pseudogenetischer Wirrungen bis hin zu jener bewussten Verfälschung des Bürgerwillens bei Wahlen selbst die Demokratie aushöhlen, sind selbst die Totengräber des demokratischen Systems. Mit Geschichtsklitterung und erfundenen Narrativen bewegen sie sich auf dem Höhepunkt ihres nunmehr 150 Jahre währenden Kampfes gegen die Werte des Bürgertums und damit gegen die Grundfesten des demokratischen Staats, schrecken dabei nicht einmal mehr davor zurück, jene Almosen, mit denen „der Staat“ jene ruhigstellt, die leistungsunfähig oder leistungsunwillig sind, als „Bürgergeld“ zu verkaufen.

3. Oktober
Unerhörter Osten. Über verpasste Chancen zur deutschen und europäischen Einigung
Die Neomarxisten, die längst selbst die Hirne jener vergiftet haben, die früher als Christdemokraten und Liberale als Bollwerk gegen den sozialistischen Kollektivismus standen, sehen sich kurz vor dem Ziel der finalen Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft, die für Anstand und Verantwortung ebenso steht wie für nationale Interessen in einer christlich geprägten Gemeinschaft von Europäern, in der Italiener Italiener, Franzose Franzose und Deutscher Deutscher bleiben darf.

Der Kampf, den die Neomarxisten in Berlin und Brüssel fast gewonnen zu haben meinen, ist der Sprengstoff, der erst die Europäische Union und dann die woken Gesellschaften zwischen Elbe und Tejo zerstören wird, weil Menschen feste Ankerpunkte und Wertesysteme brauchen, an denen sie sich orientieren und in der Krise festhalten können. Das wirre Versprechen einer multinationalen Globalmenschheit, in der nur die weißen Europäer jene sind, die ihre Identität aufgeben sollen, ist ebenso wenig zukunftstauglich wie jene Illusionen einer Klimasteuerung aus Menschenhand, während in der Ostsee Gaspipelines gesprengt und in der Ukraine und anderswo unendliche Mengen an – der Echokammer zufolge – klimaschädlichen Gasen für die Machtphantasien von Politikern freigesetzt werden.

Ob die angebliche Pandemie, ob das Klima oder der russische Überfall auf die Ukraine mit den unvermeidlichen Konsequenzen für die Energieversorgung und die ohnehin gehasste Industriegesellschaft – all das sind am Ende nichts anderes als instrumentalisierte Werkzeuge im Kampf gegen den Individualismus einer bürgerlichen Gesellschaft.

Die Vertreter der woken oberen 1.000, die sich in Erfurt ein Stelldichein gaben, können und wollen nicht verstehen, dass für die Menschen Demokratie Selbstbestimmung und nicht Gängelung ist. Selbstbestimmung auch mit dem Recht, sich von Menschen vertreten zu lassen, die den Vertretern der Echokammer nicht gefallen. Wobei sich dann am Ende sogar die Frage stellt, ob es tatsächlich um neomarxistische Ideologie und die absurde Vision einer global gleichgemachten Einheitsmenschheit geht – oder einfach nur um die Jobgarantie für Menschen, die auf dem normalen Arbeitsmarkt chancenlos wären. Doch das lassen wir jetzt einfach im Raum stehen.

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