Tichys Einblick
Noch ist nichts entschieden

Der steinerne Weg des Friedrich Merz

Merz wird sich in einem Zweifrontenkrieg wiederfinden: gegen die Merkel’sche Linksfraktion in den eigenen Reihen und gegen die geballte Macht der Neomarxisten in Medien, sogenannter Zivilgesellschaft und Politik.

Friedrich Merz

imago images / HOFER

Der König ist tot – es lebe der König. Das könnte man versucht sein zu rufen angesichts des Ergebnisses der Mitgliederbefragung zum künftigen Vorsitzenden der CDU. Nach rund 20 Jahren nun die vorläufige Genugtuung für den Mann, der nie bis zur letzten Konsequenz durchhielt. Rund 62 Prozent der 248.360 CDU-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt hatten, stimmten für Friedrich Merz. Das ist zumindest eines: eine Klatsche für Angela Merkel, die bis zuletzt daran arbeitete, den Ungeliebten zu verhindern. Ihr Strohmann, der Vasall aus dem Kanzleramt, wurde von der Basis abgestraft. Nur 12,1 Prozent der Mitglieder entschieden sich für ihn – ein Mann von Ehre würde ein solches Votum zum Anlass nehmen, sich umgehend aus der Politik zurückzuziehen.

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Das allerdings gälte auch für all jene Funktionäre des Mittelbaus, die offensichtlich alles waren, nur keine Repräsentanten ihrer Parteibasis. Das zumindest lässt die Deutlichkeit vermuten, mit der Merz nun zum Favoriten eben jener Basis gekürt wurde. Wobei die Betroffenen sich selbstverständlich schnell damit herausreden werden, dass die Umstände bei der Wahl des Bauernopfers Annegret Kramp-Karrenbauer und des Wahlverlierers Armin Laschet doch eben andere gewesen waren. Was in gewisser Weise sogar zutrifft, denn in beiden Fällen hatte die Schwarze Witwe im Kanzleramt ihre gerauteten Finger fest im Spiel und auf den Funktionären. Das ist nun tatsächlich anders: Des Laschets tiefer Fall, mitorganisiert von Angela Merkel, die zwar nicht ihre Wunschkoalition, dafür aber ihren Wunschkanzler an der Regierung sieht, hinterließ ein Vakuum, das ihr Notnagel Braun zumindest inhaltlich und in der Sache nicht zu füllen in der Lage gewesen ist.
Gewonnen ist noch nichts

Gewiss: Das Ergebnis der Mitgliederbefragung tut weh. Es schmerzt Merkel, weil nun doch noch jener eine Chance bekommt, den sie seit zwei Dekaden erfolgreich an einer politischen Karriere gehindert hat. Es schmerzt die Entourage, die getreu mit Merkel den Niedergang der Union von der Volks- zur Linkspartei mitgegangen ist und in der Dame mit DDR-Funktionärsvergangenheit den Garanten ihrer persönlichen Karriereplanung sah. Das eigentliche Problem wurde und wird dabei bis heute gezielt verdrängt. Es ist das einer Partei, die ihre Prinzipien und Grundsätze aufgab, um mit dem Rückenwind der linken Meinungsmacht Pfründe zu sichern und dabei eine Kernklientel der eigenen Anhängerschaft zur Disposition stellte. Dabei vergaßen die Karrieristen eines, denn schon Lenin wusste: „Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen.“ Umgeschrieben auf die aktuelle Situation: „Die dekadenten Bürgerlichen werden uns noch die Stimmen schenken, mit denen wir sie aus der Politik vertreiben.“

Koalitionen mit Nicht-Sozialisten sind für Sozialisten seit eh ein Konstrukt, welches ausschließlich dem Ziel dient, die Macht der Gegner zu brechen – eine Erkenntnis, die trotz offenbarter Realität bei der Union noch nicht angekommen ist und die der FDP, die einmal mehr um der Macht willen ihre Grundsätze verrät, noch bevorsteht.

Keine Renaissance der Ära Kohl

Für die CDU soll es nun also Merz richten. Ob das gelingen kann, steht in den Sternen. Zwar gilt in der Union das klassische Prinzip vom toten König, der den König hochleben lässt – doch der Parteibasis schwebt trotz oder wegen Merkel immer noch so etwas wie eine Renaissance der Ära Kohl vor. Die aber wird auch ein Friedrich Merz nicht reanimieren können. Zu sehr hat Merkel die einstige Hochburg des sozial verantwortlichen Bürgertums in die Fänge der linken Ideologen getrieben und ihr durch das kategorische Nein zur AfD jegliche Chance genommen, die Transformation der Republik in eine räterepublikanische DDR 2 Punkt Null zu verhindern.

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Auch wenn nun, abgesehen von einigen radikalen Auslegern der Union, die ihr Wohl und Wehe auch künftig in der Unterwerfung unter einen linksgestrickten Zeitgeist erwarten, vor allem der Mittelbau schnell dem neuen König huldigen wird: Gelingt es Merz nicht innerhalb kurzer Zeit, alle Schalthebel der Macht in seine Hände zu legen und die katastrophalen Umfragewerte erkennbar nach oben zu heben, könnte seine Amtszeit ebenfalls von kurzer Dauer sein. Da mögen zwar einige der Altkader hoffen, den Ungeliebten durch entsprechendes Personal einzuhegen – doch das Heft des Handelns liegt nun erst einmal in den Händen des Merz.
Personelle Erneuerung im wahrsten Wortsinn

Will der Sauerländer mehr sein als ein Konkursverwalter, wird er mit dem eisernen Besen durch die Partei gehen müssen. Das beginnt bei der Bundesgeschäftsstelle, die nach faktisch 20 Merkeljahren durchsetzt ist mit Kräften, denen eine konservative Rückbesinnung mehr als suspekt ist. Mögen manche um der Jobgarantie willen wendefähig sein – es steht trotz allem zu erwarten, dass die Frustrierten alles andere als hilfreiche Merz-Unterstützer werden. Dabei ist der unsägliche Generalsekretärsdarsteller Paul Ziemiak nur das kleinste Problem: Der kann als gleichsam politischer Beamter schnell entsorgt werden, auch wenn eine Abfindung als Parlamentarischer Staatssekretär gegenwärtig nicht zur Verfügung steht. Problematisch jedoch wird vor allem die Endverwertung jener, die über Festanstellung verfügen – und das ist der Kern des Apparats.

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Die zweite Hürde, die Merz nehmen muss, ist die Fraktion. Dort haben die Anhänger des aktuellen Fraktionsvorsitzenden das Sagen. Merz hingegen ist nach bald 20 Jahren Abstinenz ein Fremdkörper. Den Weg an die Parteispitze werden diese Kräfte, wollen sie nicht das Auseinanderbrechen der CDU riskieren, nun nicht mehr verhindern können. Den Weg an die Fraktionsspitze allerdings durchaus. Räumt Ralph Brinkhaus nicht freiwillig das Feld und gibt sich mit der zweiten Reihe zufrieden, wird Merz ein König Ohneland. Denn die politische Musik spielt im Parlament – nicht in den Parteigremien, die dann wieder nur Sammelbecken politisch Frustrierter sein werden.

Lässt Merz Brinkhaus im Amt, hat er bereits verloren. Scheitert er bei dem Versuch, dessen Posten zu übernehmen, ebenso. Dann wird sich die Union in den kommenden Jahren mit den internen Kämpfen zweier Teilinvaliden beschäftigen – Shakespear’sche Ausmaße nicht ausgeschlossen und ebensolche Dramaturgien ebenfalls nicht.

Der Hauptgegner des Merz steht im zivilgesellschaftlichen Rätestaat

Doch angenommen, Merz gelingt mit dem Basisvotum tatsächlich der Durchmarsch. Er übernimmt als uneingeschränkter Herrscher die Macht in der CDU – was automatisch einen Preußisch-Bayerischen Dauerkonflikt verursachen wird – und es gelingt ihm, durch positive Umfragewerte ehemalige Vasallen Merkels in sein Lager zu holen. Spätestens dann wird sich der frühere Black-Rock-Mitarbeiter mit einer Kampagne konfrontiert sehen, die zu überstehen mehr verlangt als die Notnagelfunktion für eine aus der eigenen Partei vergraulten Basis.

Keine Chance
Wie soll die CDU Opposition sein, wo die Ampel weitermacht wie sie?
Die linken Bataillone stehen schon bereit, um der Union im Falle einer bürgerlichen Restauration den Todesstoß zu versetzen. Die Zwangsumsetzung der Fraktion neben die AfD ist dabei mehr als nur ein Possenspiel. Wer nicht, wie Merkel, das Lied der linken Transformatoren singt, dem wird schnell der Kehlkopf massakriert. Die radikale Linke wittert nach den Jahren der Merkel’schen Vorbereitung mehr als nur Morgenluft. Sie wähnt sich kurz vorm Ziel, das ihr verhasste Bürgertum nebst allen „reaktionären“ Restanten abschließend zu überwinden und den nächsten Versuch einer sozialistischen Utopie zu starten. Ein Unionschef Merz, der den Auftrag seiner Basis verstanden hat, die Union wieder zur Heimat von Konservativen, Liberalen und bürgerlichen Traditionalisten zu machen, wird sich schnell dort wiederfinden, wohin bereits die AfD erfolgreich verdrängt wurde. Die Dominosteine des Konservatismus und des klassischen Bürgertums müssen weiter fallen – geschähe dieses nicht, wäre die linksradikale Politik der vergangenen bald 30 Jahre sinn- und erfolglos geblieben.

Insofern stehen für den Fast-Gekürten die Fußfallen nicht nur in den eigenen Reihen. Daran, dass er Manns genug ist, den anstehenden Spießrutenlauf unbeschadet zu überstehen, darf durchaus gezweifelt werden.

In der deutschen Geschichte folgte auf den Vormärz eine kurze Revolution und eine Phase der Stagnation und Deliberalisierung. Nicht auszuschließen, dass es sich mit Friedrich Merz ähnlich verhalten wird. Die Reaktionäre, die die Vernichtung einer freiheitlichen Gesellschaft im Namen von Klima, Corona, Migration, Gleichheit und sonstiger Schlagwörter betreiben, werden das berühmte „Alles“ tun, um Merz an dem zu hindern, was nun sein vorrangigster Auftrag wäre: die Union wieder zur Bastion eines modernen, aber traditionsbewussten Bürgertums zu machen.

Merz wird sich in einem Zweifrontenkrieg wiederfinden: gegen die Merkel’sche Linksfraktion in den eigenen Reihen und gegen die geballte Macht der Neomarxisten in Medien, sogenannter Zivilgesellschaft und Politik.

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