Tichys Einblick
Nicht noch eine Unsinnsschleife Sozialismus

Berlin – zum kommunistischen Experimentierfeld verkommen

Wissen Sie, liebe Leser, was ein fundamentaler Irrtum gewesen ist? Falls nicht: Schauen Sie auf Berlin, dann merken Sie es vielleicht. Der Sturm auf die Grundfesten des modernen, freiheitlichen Staates ist erfolgreich.

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Damals, 1989/90 – ein paar der älteren Leser mögen sich vielleicht noch daran erinnern – dachte die breite Mehrheit der Deutschen in West und und in Ost (den künftigen, neuen Bundesländern in der früheren Mitte des Reichs) allen Ernstes, das sozialistische Experiment, in dem Menschen zu Versuchskaninchen ideologisch-utopistischer Träumereien werden, sei final überwunden. Welch ein Irrtum! Eingeräumt – ich hatte damals bereits ein mulmiges Gefühl im Bauch, als die Sozialdemokraten sich mit Händen und Füßen dagegen wehrten, die SED mit ihrem marxistisch-leninistischen Grundgerüst als verfassungsfeindlich zu verbieten. Grund genug hätte es gegeben – Blut genug klebte an den Händen jener, die dieser Glaubensgemeinschaft antihumanistisch-kollektivistischer Traumtänzer die Stange gehalten hatten. Doch die Sozialdemokraten spekulierten auf einen Koalitionspartner, mittels dessen man die Dominanz der Unionsparteien zu überwinden hoffte und den Traum vom demokratischen Sozialismus (ein klassisches Oxymoron) würde wahr werden lassen.

Nun, mittlerweile hat sich das erledigt. Der linke Druck im Mainstream und die Etablierung einer Räte“demokratie“, in der durch nichts legitimierte Lobbyisten als Vertreter einer vermeintlichen „Zivilgesellschaft“ der Politik ihr Handeln vorschreiben, hat die Union unter der einstigen FDJ-Beauftragten für Agitation und Propaganda Angela Merkel selbst zu einer Linkspartei verkommen lassen. Die Utopisten waren also erfolgreich – Stück für Stück rückten sie die Gesellschaft nach links, stigmatisieren dabei alles, was nicht nach ihrer Pfeife tanzen will, als „rechts“, „national“, „völkisch“ – kurz: Nazi. Unterstützung fanden und finden sie dabei in den Reihen jener aus den maoistischen Studierzirkeln erwachsenden Ökosozialisten, die mit ihrer eigenen Utopie einer wonnevollen Wohlfühlgesellschaft der ökologischen Reinheit die Reihen mit den Altkommunisten schlossen, um gemeinsam das alte Feindbild des bürgerlichen Liberalismus als Gebärstube eines gefühlten, menschenverachtenden Kapitalismus zu überwinden.

Der Weg der vereinigten Neomarxisten und Stalinisten in ihre schöne, neue Welt, die nichts anderes als eine überwunden geglaubte hässliche, alte Welt ist, soll in den absoluten Bevormundungsstaat führen. Die einen wollen die Bevormundung, weil sie schon immer der Auffassung waren, dass eine sogenannte Arbeiterklasse – die im modernen Industriestaat längst verschwunden ist – einzig das Recht habe, allen anderen zu befehlen, wohin sie zu gehen und was sie zu denken haben. Die anderen wollen die Bevormundung, weil sie der Auffassung sind, einzig und allein alle Weisheit dieser Welt mit Suppenkellen gelöffelt zu haben, wenn es darum geht, die vorgeblich durch die Menschheit bedrohte Erde vor eben dieser Menschheit zu retten. Sie beide eint die Auffassung, sie allein wüssten, wohin die Menschheit zu gehen hat – und finden dabei aktive Unterstützung bei Figuren wie Kevin Kühnert, der gleich einer Luisa Neubauer auf dieser Welt noch nichts gerissen hat, außer ständig die Klappe aufzureißen und unausgegorene Welterrettungsphrasen zu verkünden, und jener Saskia Esken, die, ähnlich lebensunerfahren, davon träumt, mit der Sturmabteilung der radikalen Linken den Staat in ihre Hände zu bekommen.

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Der Sturm auf die Grundfesten des modernen, freiheitlichen Staates ist dabei längst entfacht – und er ist erfolgreich. Er begann mit der Abschaltung der umweltfreundlichen Kernenergie. Vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere: Die deutsche Industrie war einstmals führend auf diesem Sektor, entwickelte die sichersten und effizientesten Anlagen. Doch um den Bürger gängeln zu können, muss seine Energieabhängigkeit in politische Abhängigkeit umgestrickt werden. Deshalb folgte nach dem überstürzten Ausstieg blitzschnell die Attacke auf die Kohle- und Gaskraftwerke. Auch hier ging es nicht darum, diese Energieträger sauberer und effizienter zu machen – was alles längst auf den Weg gebracht war. Es geht darum, Energie, die für viele immer noch aus der Steckdose kommt, zu einem Gängelungsinstrument zu machen. Denn wer den Hahn an der Energieerzeugung hat, der bestimmt über die Freiheit der eigenen Entscheidung des Bürgers. Bereits heute ist auffällig, dass plötzlicher Stromausfall immer häufiger – und immer ohne plausible Erklärung – stattfindet. Dabei fällt dann nicht nur der Hausstrom aus – auch Telefon und Mobilkommunikation liegen plötzlich lahm, läuft doch das Netz der Bürgerkommunikation längst über das Internet und nicht mehr über separate, unabhängige Schwachstromnetze. Das kann sich insbesondere dann als besonders nützlich erweisen, falls sich beim Bürger doch demnächst einmal der Widerstand gegen die Gängelungspolitik der Framer, Begriffsverkehrer und Geschichtsverdreher regen und zu spontan organisierten Protestaufständen führen sollte.

Auch die Verteufelung des Benziners ist hier ein hilfreiches Instrument mit dem Ziel, die unkontrollierbare Mobilität des Bürgers in den Griff zu bekommen. Zum einen wissen sämtliche Experten, dass niemals genug Batterien produziert werden können, um die Kraftfahrzeugdichte von heute zu erhalten – auch erklärte mir jüngst ein Fahrzeugverkäufer, dass eine Batterieladung höchstens für 250 bis 300 Kilometer reicht. Dann ist E-Tanken angesagt – selbst bei Hochleistungsbatterien sei dafür eine Dreiviertelstunde einzuplanen. Eine Fahrt von Hamburg nach München? Mit dem E-Auto also zwei Zwischenstopps mit mindestens 90 Minuten Mehrzeit. Und falls es den Bayern aus München gelüstet, spontan an einer Protestdemo vor dem Kanzleramt in Berlin teilzunehmen? Chancenlos – im Ernstfall staatlicherseits einfach den Strom der E-Ladestation abstellen.

Doch schon bevor es dazu kommt, bevor des Bürgers Abhängigkeit vom energetischen Wohlwollen jeglichen Widerspruch im Keim ersticken lässt, wird ohnehin bereits an der schönen, neuen, sozialistischen Welt gebastelt. Die deutsche Autoindustrie, immer noch entscheidendes Standbein des Wohlstands, fährt zunehmend krachend an die Wand. Die Konkurrenz schläft nicht – und in Japan, Korea und China ist man nicht so verrückt, sich den Ast abzusägen, auf dem man sitzt.

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Nun hat Corona die ideale Möglichkeit geliefert, die Umdrehung der Sozialistisierung noch etwas höher zu fahren. Von Luftfahrt bis Kulturbetrieb und Medien – alles muss nun subventioniert werden, da es Dank politischer Überreaktion ohne staatliche Subvention nicht mehr marktfähig ist. Sogenannte Kulturschaffende, bei denen man sich ständig fragen darf, was sie eigentlich für wen „schaffen“, werden durch die Hintertür zu Staatsdienern. Die Mitarbeiter der sogenannten Mainstreammedien sind es ohnehin schon.

Doch auch in anderen Branchen hält den Sozialismus in seinem Lauf niemand mehr auf. Die vorgeblich gemäßigten Sozialisten der SPD fordern jetzt die Fortsetzung des Kurzarbeitergeldes bis mindestens 2022. Tatsächlich bedeutet das: Eigentlich stünden diese Arbeitnehmer bereits vor dem, was früher Arbeitsamt hieß, Schlange, weil staatliches Handeln ihren Arbeitgebern die Geschäftsgrundlage genommen hat. Faktisch sehen wir hier einen Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen – eine Erfindung der Sozialisten, um jene, die im Arbeitsprozess nicht mehr gebraucht werden, mit Almosen vom Aufstand abzuhalten.

Nebenbei werden in Berlin beispielhaft Fakten geschaffen. Eine sogenannte Mietpreisbremse führt den Wohnungsmarkt zurück in DDR-Zeiten. Damals galt: Wer nicht mitspielen will, kann sein Immobilieneigentum ja dem Staat überschreiben. Dort landete es in der KWV – in Volksmund stand dieses Kürzel der Kommunalen Wohnungsverwaltung für „Kann weiter verfallen“. Doch es garantiert, dass der Plebs auch künftig dafür sorgen kann, dass die Metropolen von sozialistischen Mehrheiten in den Abgrund geführt werden. Dabei: Ein Wohnrecht in bester Citylage ist weder von Menschenrecht noch Grundgesetz garantiert. Es könnte auch nur einem sozialistisch verseuchten Hirn entspringen.

In Berlin hat nun eine linksradikale Mehrheit im Bezirksparlament Mitte die Vernichtung der traditionsreichen Mohrenstraße durchgesetzt. Selbstverständlich ganz im sozialistischen Sinne ohne die vorgesehene Bürgerbeteiligung. Begründung: „Nach dem heutigen Demokratieverständnis ist der bestehende rassistische Kern des Namens belastend und schadet dem internationalen Ansehen Berlins.“ Da stellt sich doch die Frage: Welches und wessen „Demokratieverständnis“? Das der Herren Stalin, Honecker und Co? Offensichtlich. Und welches Ansehen? Das der verrottenden Hauptstadt einer untergehenden Republik?

Nun soll es also Anton Wilhelm Amo sein. Ein „Mohr“, der angeblich von der holländischen Ostindien-Kompanie aus Ghana verschleppt worden sei. Tatsächlich aber hatte ihn seine Familie zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach Europa geschickt, um dort zu lernen. Mit Erfolg: Amo errang 1730 in Wittenberge die Doktorwürde. Und das in einem Land, dass doch nach aktuellem Narrativ Hort des übelsten Rassismus ist! All das aber ficht die Systemüberwinder nicht an – mit FakeNews begründen sie ein ums andere Mal ihre Zerstörung der bürgerlichen Demokratie. Selbst der Berliner Zeitung, sonst ganz auf Linie der kulturvernichtenden Volksfrontpolitik, platzte nun der Kragen. In einen sauber recherchierten Artikel entlarvt sie die linken Lügenmärchen.

Doch was interessieren Stalinisten Fakten? Freuten sich die Altmarxisten schon auf ihrem Bundesparteitag, endlich alle gesellschaftlichen Leistungsträger in Arbeitslager zu entsorgen, statt sie gleich zu erschießen, wird in Berlin der nächste Coup vorbereitet. Nun sollen die Kaufhäuser dran glauben. Um den bösen Kapitalismus zu überwinden, sollen diese nun am besten verstaatlicht werden. Notfalls reicht auch die Gründung einer Genossenschaft, um die Grundbedürfnisse des Bürgers zu decken. Das fordert die Vorsitzende des ZK der SED Berlin – pardon: Die Vorsitzende der Linkspartei in Berlin -, Katarina Schubert, nun im Vorfeld des anstehenden Parteitages. 

Hatten wir auch schon mal. Damals hieß es „Handelsorganisation“, kurz HO, war sogenanntes „Staatseigentum“ und zeichnete sich durch leere Regale und lange Warteschlangen aus. Neben der HO durfte sich die Konsumgenossenschaft um die Volksversorgung bemühen – eine Organisation, die dann nicht staatseigen, sondern staatsgenossenschaftlich versagte.

Damit einhergehen soll der totale Sozialstaat: Von der Krippe bis zur Bahre wird der Bürger in staatlicher Abhängigkeit gehalten. Wann er Strom bekommt und wofür; was er essen darf und wann, wie er verreisen kann und wohin, wieviel Almosen er bekommt, um Ruhe zu halten – alles bestimmen dann endlich wieder die grauen Männer und lilahaarfarbenen Frauen über ihr Schild und Schwert in einer neuen Normannenstraße. Denn wie stellt Schubert fest: „Wir müssen also nichts weniger, als den Kapitalismus an die Kette legen und dann überwinden.“

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Ist es endlich so weit, dann haben die kollektivistisch-leninistischen Volksfeinde aus dem unzulänglich ausgetrockneten Sumpf der DDR ihr Ziel endlich erreicht. Die kapitalistische Industrie zerstört oder am Gängelband des sozialistischen Staates. Eine Energieversorgung nebst Kommunikation, die „der Staat“, sollte er sich bedroht fühlen, umgehend ausschalten kann. Eine Nahrungsmittelversorgung, deren Zusammensetzung und Menge „der Staat“ bestimmt. Und Konsum, dieser unerträgliche Auswuchs einer liberalen Bürgerlichkeit? Bestenfalls nur in einem Rahmen der ökologisch sauber und fair gehandelten und durch die maroden Staatsfinanzen finanzierbaren Möglichkeiten zulässig. Das wird dann auch die grün gefärbten Ökomaoisten überzeugen – und Luisa kann künftig im Jutesack am Freitag hüpfen und sich darüber freuen, dass all die netten Unnötigkeiten, mit denen sie als Kind wohlhabender Eltern zu sehr verwöhnt wurde, nun endlich abgeschafft werden.

Der Weg in die schöne neue Welt der Sozialismusutopisten, der sich zunehmend mehr als direkter Weg Vorwärts in der die Vergangenheit entpuppt, ist nicht mehr aufzuhalten. Ob es das war, was der Altkommunist Egon Bahr meinte, als er die Floskel vom Wandel durch Annäherung erfand? 

Die alte BRD hat sich bereits derart gewandelt, dass sie nicht mehr wiederzuerkennen ist. Vorbei mit bürgerlicher Freiheit und freiem Denken, mit Liberalismus und Selbstbestimmung. Was gedacht werden darf, bestimmt eine radikale Minderheit der Kulturvernichter.

Und die sogenannten neuen Länder? Deren Bewohner durften für knapp drei Jahrzehnte versuchsweise an Freiheit und Wohlstand schnuppern. Ansonsten sollten die Älteren nun beginnen, ihre Kinder und Enkel auf die Zeit vor 1989 vorzubereiten. Nicht, dass die am Ende noch unvorbereitet sind, wenn das sozialistische Experiment mit den Menschen als Versuchskaninchen einer idiotischen Utopie nun in die nächste Runde geht.

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