Tichys Einblick
Fraktionszuschüsse und Politische Stiftungen:

Die Parteien bedienen sich selbst

Die Parteien haben aus der grundgesetzlich verbrieften Mitwirkung an der politischen Willensbildung längst einen Quasi-Monopolanspruch abgeleitet. Das zeigt sich an der Aufblähung ihrer Apparate, nicht zuletzt der Stiftungen, die sie immer ungenierter vom Staat finanzieren lassen.

imago Images/Political Moments

Das Thema ist heikel, weil man als Kritiker sofort unter Generalverdacht steht, nur billiges Parteien-Bashing betreiben zu wollen. Doch das liegt mir fern. Dass die Entscheidungsstrukturen einer parlamentarischen Demokratie Kosten verursachen, ist klar. Man braucht qualifiziertes Personal, nicht nur im Parlament, sondern auch im Mitarbeiterstab der Abgeordneten. Auch die nötigen Infrastrukturkosten – von der Technik bis zu den Räumlichkeiten – haben ihren Preis. Schließlich wird den Parteien im Grundgesetz ein eigener Artikel eingeräumt: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen.“ (§ 21 Abs. 1 Sätze 1 bis 3)

Dass die Parteien aus der grundgesetzlich verbrieften Mitwirkung an der politischen Willensbildung längst einen Quasi-Monopolanspruch abgeleitet haben, zeigt sich an der Aufblähung ihrer Apparate, die sie immer ungenierter vom Staat finanzieren lassen. Satz 4 aus dem zitierten Grundgesetzartikel übergehen sie gern und bewusst: „Sie (die Parteien) müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.“ Zwar gibt es jährlich mehr oder weniger transparente Rechenschaftsberichte der Parteien. Doch für zwei sehr große staatliche Fördertöpfe, die vom Bundestag jährlich wiederkehrend mit dem Haushaltsgesetz und dem Bundeshaushalt verabschiedet werden, gibt es keine gesetzliche Regelung. Kostentransparenz und eine wirksame Kontrolle lassen sich daher weder für die parteinahen Stiftungen noch für die Zuschüsse an die Bundestagsfraktionen durchsetzen.

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Erst im Januar dieses Jahres legte der Bundesrechnungshof einen Bericht zu den strukturellen Defiziten bei der Verwendung und Kontrolle der den Fraktionen zur Verfügung gestellten Geld- und Sachleistungen vor. Dabei geht es nicht um Peanuts. Mehr als 121 Millionen Euro erhalten die sechs Bundestagsfraktionen in diesem Jahr an Fraktionszuschüssen. Der Rechnungshof bemängelt, dass es seit 1995 (!) an den durch das Abgeordnetengesetz vorgeschriebenen Ausführungsbestimmungen für die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Fraktionen fehlt. Der schmale Grat zwischen einer verbotenen indirekten Parteifinanzierung durch die Fraktionen und der ihnen erlaubten Öffentlichkeitsarbeit werde immer wieder überschritten.

Beanstandungen des Bundesrechnungshofs über eine zweckwidrige Mittelverwendung und entsprechende Rückforderungen durch die Bundestagsverwaltung verpufften in der Vergangenheit folgenlos. Das abschließende Verdikt des Rechnungshofs: „De lege lata fehlt aber ein wirksames und rechtlich verbindliches Instrumentarium, um die Fraktionen zu rechtstreuem Verhalten zu zwingen und Verstöße zu ahnden. Dieses strukturelle Kontroll- und Vollzugsdefizit ist vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in besonderer Weise bedenklich und geeignet, die Legitimation des Systems der Fraktionsfinanzierung in Frage zu stellen.“

Wesentlich üppiger bestückt ist ein Topf, aus dem sich die bisher sechs Parteistiftungen bedienen: Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), Hanns-Seidel-Stiftung (CSU), Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FDP), Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne), Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke). Die Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD erhält bisher noch keine Mittel aus dem Bundeshaushalt, weil sie erstmals im Bundestag vertreten ist. Erst ab der zweiten Wahlperiode im Parlament haben auch die Stiftungen der Grünen und der Linkspartei erstmals Zuschüsse für ihre Stiftungen erhalten. Nicht weniger als 542 Millionen Euro flossen im vergangenen Jahr aus den Etats des Auswärtigen Amtes, des Innen- sowie des Entwicklungsministeriums an die sechs etablierten Stiftungen der Parteien.

Selbst der Bund der Steuerzahler, eine kritische Stimme, wenn es um die Ausgaben des Staates geht, stellt die Arbeit der parteinahen Stiftungen nicht grundsätzlich in Frage. Aber dass für Jahreszuschüsse von inzwischen mehr als einer halben Milliarde Euro überhaupt keine gesetzliche Grundlage besteht, treibt nicht nur den Steuerzahler-Lobbyverband um. Das muss auch jeden Bürger empören, den der Staat in Gestalt der Finanzverwaltung oder der Straßenverkehrsbehörden oft wegen Kleinstbeträgen mit Hinweis auf Gesetze und Verwaltungsvorschriften traktiert. Für die Parteistiftungen existiert keine gesetzliche Norm, die Anspruch, Umfang, Obergrenzen, Verwendung und Kontrolle der Steuermittel regelt. Die Bundestagsfraktionen machen die üppigen Zuschüsse lediglich auf Basis einer gemeinsamen Erklärung der privatrechtlich organisierten Stiftungen aus dem Jahr 1998 (!) untereinander aus. Die Selbstbedienung im rechtsfreien Raum funktioniert prächtig. In den Jahren 2010 bis 2019 stiegen die Haushaltsmittel für die parteinahen Stiftungen um sage und schreibe 61 Prozent, während der Gesamthaushalt in diesen zehn Jahren lediglich um 19 Prozent aufwuchs.

Verantwortungsflucht
Politiker verwechseln in einem fort Risiko und Gefahr
Wie lapidar sich die Selbstbedienung liest, wenn man den aktuellen Bundeshaushalt durchstöbert, findet sich als kleines Beispiel unter dem Haushaltstitel 687 27 „Gesellschafts- und europapolitische Maßnahmen der Politischen Stiftungen“ im Einzelplan 0502 des Auswärtigen Amtes. Dort wird der Etatansatz von 2020 auf 2021 um satte 17 Prozent von 58 Millionen auf 68 Millionen Euro erhöht. Begründung: „wegen gestiegener Anforderungen im Förderbereich der Politischen Stiftungen“.

Nachtrag: Der Vollständigkeit halber seien hier auch noch die Kosten der 709 Abgeordneten aufgelistet, die sich im Einzelplan 02 des Bundestags finden: Für die steuerpflichtigen Diäten der MdBs sind im aktuellen Bundeshaushalt 85.048.000 Euro veranschlagt. Die zusätzliche steuerfreie Aufwandsentschädigung ist mit 39.744.000 Euro etatisiert. Für Mitarbeiter steht jedem Abgeordneten jährlich ein Höchstbetrag von 272.058 Euro zu (Arbeitnehmerbrutto). Samt der Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen summiert sich der Aufwand für die persönlichen Mitarbeiter der Abgeordneten im Bundeshaushalt auf 261.120.000 Euro im Jahr. Für mandatsbedingte Reisekosten sowie die Beihilfe im Krankheitsfall fallen insgesamt zweistellige Millionensummen im Jahr an. Die Kosten für die Altersversorgung ausgeschiedener Abgeordneter und ihrer Hinterbliebenen belaufen sich laut Plan in diesem Jahr übrigens auf 51.100.000 Euro.

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