Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 42-2018

Der „Soli“ oder Die unheilige Allianz der Abzocker

CDU/CSU, SPD, Linke und Grüne lehnen die Abschaffung des Solidaritätszuschlags geschlossen ab. Nur FDP und AfD stimmen für entsprechenden FDP-Antrag.

Omer Messinger/AFP/Getty Images

Kurz vor Weihnachten ertönt wieder einmal die Frohe Botschaft aus dem Bundesfinanzministerium: Zum vierten Mal in Folge erzielt der Bundeshaushalt Überschüsse. Im laufenden Jahr 2018 sollen es gut 10 Milliarden Euro sein, doppelt so viel wie am Ende des letzten Jahres. Dass diese Überschüsse vor allem aus den immer noch sprudelnden Steuereinnahmen herrühren, aber auch aus den niedrigen Refinanzierungskosten der Staatsschulden, rückt bei den Berufspolitikern im Berliner Reichstag leicht in den Hintergrund. Die steuer- und abgabepflichtigen Bürgerinnen und Bürger sind dagegen doppelt gekniffen. Sie bezahlen seit Jahrzehnten immer höhere Anteile ihres Einkommens an den Staat: als Steuern und Sozialabgaben. Sie spüren auch die gesunkenen Zinseszins-Effekte bei den traditionellen Altersvorsorge-Sparformen der Deutschen (Lebensversicherungen und Sparbuch), eine Folge der Nullzins-Politik, mit der die Europäische Zentralbank die Kreditaufnahme der europäischen Schuldnerländer alimentiert und gleichzeitig das private Sparen bestraft.

In Sonntagsreden fokussieren sich Politiker gern auf die Menschen, „die jeden Tag morgens aufstehen, eigenverantwortlich Leistung erbringen und tüchtig Steuern und Sozialabgaben bezahlen“. Auch im CDU-internen Wahlkampf um den Vorsitz war davon die Rede, nicht nur bei Friedrich Merz, sondern auch bei der späteren Siegerin. Beim Bundesparteitag in Hamburg beschloss die CDU am 8. Dezember sogar die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Das brächte den Steuerzahlern immerhin 5,5 Prozent Ersparnis auf ihre persönliche Einkommensteuerlast. Leichter als bei der Abschaffung dieser Sonderabgabe lässt sich der individuelle Entlastungseffekt einer Steuerreform für die Steuerpflichtigen nie errechnen. Allerdings steckt in dieser leichten Errechenbarkeit auch ein politischer Vorteil, den sich die Umverteiler in der Politik gern zu eigen machen. 90 Prozent der Steuerpflichtigen sollen laut Koalitionsvertrag von Union und SPD bis zum Ende der Legislaturperiode beim Solidaritätszuschlag entlastet werden. Die obersten zehn Prozent dagegen, die sogenannten „starken Schultern“, müssen dagegen weiter bezahlen. Die bezifferten Steuerausfälle für diese Teilabschaffung beliefen sich auf rund 10 Milliarden Euro im Jahr. Weil das Soli-Aufkommen am Ende der Legislaturperiode aber mehr als 20 Milliarden Euro umfassen dürfte, tragen die oberen zehn Prozent weiterhin mehr als die Hälfte des bisherigen Aufkommens. Auf die Idee, dass eine Entlastung vor allem auch denen zugutekommen sollte, die schon seit Jahrzehnten die Hauptlast getragen haben, scheint in der Umverteilungsrepublik Deutschland kaum mehr jemand zu kommen. Ein merkwürdiges Verständnis von Gerechtigkeit!

Dass Parteitagsbeschlüsse oft das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt stehen, bewies die Unions-Bundestagsfraktion am 13. Dezember, also nur fünf Tage nach dem Hamburger Bundesparteitagsbeschluss. In namentlicher Abstimmung
stimmten alle (!) teilnehmenden MdBs von CDU und CSU gegen die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags, wie ihn die FDP-Fraktion per Gesetzentwurf
eingebracht hatte. Es gab keine Enthaltungen aus der Unionsfraktion, aber 22 von 246 Abgeordneten blieben – aus welchen Gründen auch immer – der Abstimmung fern.

Bei der SPD-Fraktion stimmten alle 136 teilnehmenden Abgeordneten gegen die Abschaffung. Es gab keine Enthaltungen. 16 SPD-MdBs nahmen an der Abstimmung nicht teil. Ähnlich eindeutig war das Ergebnis bei der Fraktion der Linken. Alle 57 teilnehmenden MdBs stimmten mit Nein. 12 Abgeordnete fehlten bei dieser Abstimmung. Die Grünen komplettieren die Liste der Neinsager. 58 teilnehmende Abgeordnete stimmten gegen die Soli-Abschaffung, 9 Grüne fehlten bei diesem Votum.

Zustimmung gab es natürlich bei der antragstellenden FDP-Fraktion. 74 Abgeordnete sagten Ja, 6 nahmen nicht an der Abstimmung teil. Aus der AfD-Fraktion stimmten 74 Abgeordnete der Soli-Abschaffung zu. Es gab eine Enthaltung. 17 Abgeordnete der AfD stimmten nicht ab. Zwei Jastimmen gab es auch aus dem winzigen Lager der fraktionslosen Abgeordneten. Ein fraktionsloser MdB nahm nicht teil.

Übrigens: Weil sich wirtschaftliche Abschwung-, gar Rezessionsgefahren am Horizont abzeichnen, wäre eine Steuerentlastung beim Solidaritätszuschlag jetzt ein Stimulans für die Binnenkonjunktur. Sie würde kaufkraftsteigernd wirken. Wenn die Politik zu lange mit der Abschaffung abwartet und die aktuellen Überschüsse in gewohnter Weise wieder in die Ausweitung des Sozialstaats steckt, dann wird in der nächsten Rezession wieder Ebbe in den Staatskassen herrschen. Das ist dann nicht die Zeit für Steuersenkungen. Denn kreditfinanzierte Steuersenkungen entfachen nur konjunkturelle Strohfeuer, wie man derzeit in den USA beobachten kann.