Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 23-2019

Berlin: Wohnen wie im Westen; Miete wie in der DDR

Staatliche Regulierung gilt Vielen als Gotteswerk. Beispiel Berlin: Der Senat will die Mieten fünf Jahre deckeln. Deshalb drohen Vorzieheffekte durch Mieterhöhungen, aber vor allem ein Investitionsstillstand. Irdische Probleme, die die Wünsche durchkreuzen.

Wie aufgeheizt in Berlin die Debatte um die Kosten des Wohnens geführt wird, ist auf TE schon öfters beschrieben worden. Am 14. Juni wollen die Initiatoren des Volksbegehrens ihre gesammelten Unterschriften beim Senat einreichen, um das Procedere für die Enteignung von großen privaten Wohnungsunternehmen im Wege einer Volksabstimmung auf den Weg zu bringen. Dass Fahrzeuge von Wohnungsgesellschaften demoliert oder Immobilienbesitzer öffentlich an den Pranger gestellt werden, daran stört sich in der Bundeshauptstadt kaum noch jemand. Gelegentlich trifft der organisierte Volkszorn in Berlin auch Krebspatienten in einem Reisebus, den militante Demonstranten kürzlich angegriffen haben, weil sie die Insassen „versehentlich“ für Besucher eines Immobilienwirtschaftskongresses hielten. Der öffentliche Protest war nahezu unhörbar. Denn die Akteure stammten ja aus der linken (= guten) Szene, nicht von „rechten Pöblern“. 

Rundumschlag gegen Vermieter

Am 18. Juni will der rot-rot-grüne Senat die aggressive Anti-Vermieterstimmung in der Stadt politisch zu einem Rundumschlag nutzen. Er will ein Gesetzesvorhaben beschließen, mit dem ab dem 1. Januar 2020 für fünf Jahre die Mieten nicht preisgebundener Wohnungen in Mehrfamilienhäusern festgeschrieben werden. Außerdem sollen die Mieter das Recht erhalten, ihre Miete auf „Mietpreisüberhöhung“ prüfen zu lassen. Sollte sie zu hoch sein, kann sie „in Form eines Absenkungsbegehrens“ auf die zulässige Miethöhe reduziert werden. Für Modernisierungsumlagen werden besondere Genehmigungs- und Anzeigepflichten für die Vermieter geschaffen. Anzeige-, aber nicht genehmigungspflichtig sind künftig nur noch Modernisierungsumlagen, mit denen die Bruttowarmmiete um maximal 50 Cent pro Quadratmeter erhöht wird.

17. Juni – diesmal Mietdeckel-Gedenktag und Miet-Erhöhungstag

Stichtag für alle Mieterhöhungen wird der 17. Juni dieses Jahres sein, der Tag vor der definitiven Einleitung dieses Mietendeckel-Gesetzes. In einem Akt politischer Notwehr hat deshalb der Berliner Landesverband von Haus & Grund, in dem die privaten Wohnungseigentümer organisiert sind, seine Mitglieder aufgefordert, jetzt schnell noch vorab die Mieten zu erhöhen, sofern sie für die jeweiligen Objekte unter dem Berliner Mietenspiegel liegen. Die öffentlichen Reaktionen fielen scharf aus, obwohl dieser Appell gerade von den Eigentümern kommt, die seit vielen Jahren – im Gegensatz zu den großen privaten Wohnungskonzernen, aber auch den öffentlichen Wohnungsvermietern – die Mieten für ihre Mieter deutlich unterdurchschnittlich angehoben haben. Das belegen selbst die offiziellen Daten zur Mietpreisentwicklung.

Doch um Marktmechanismen kümmern sich Sozialdemokraten, Linke und Grüne nicht nur in Berlin nicht, aber dort besonders ausgeprägt. Deutlich über 80 Prozent der Einwohner leben in Berlin in Miete. Die Eigentümerquote ist extrem niedrig. In Diskussionen mit Mietern gewinnt man manchmal den Eindruck, dass sie in einer Traumwelt leben. Man stellt sich vor, in guten Lagen und mit gehobenen Ausstattungsstandards zu leben, aber zu Preisen, die in der Wohnungsverwahrlosungs-Welt der DDR Usus waren. Dass es Wohnungen nur gibt, wenn möglichst viele Eigentümer ins Risiko gehen, investieren und dann auch vermieten, stellt für manchen geistigen Horizont eine Überforderung dar. Der Satz lässt sich übrigens auch auf die banale Feststellung anwenden, dass Arbeitnehmer keine Arbeit finden, wenn es keine Unternehmer gibt. Es sei denn, die Kevin Kühnerts dieser Welt glauben ernsthaft, dass der Staat nicht nur der bessere, sondern auch der Monopol-Unternehmer und Monopol-Wohnungseigentümer sein sollte.

Wohnluxus wie im Westen; Miete wie in der DDR

Wer sich die Wohnungswirtschaft der DDR zurückwünscht, der mag diesen verhängnisvollen planwirtschaftlichen Politikpfad weitermarschieren. Der wird aber der Wohnungsnot nicht Herr werden, sondern nur den Mangel verwalten. Die aktuellen sozialistischen Feldversuche im einstens reichen Venezuela lassen grüßen, wo die Vergesellschaftungspolitik Massenarmut bewirkt hat und Flüchtlinge zuhauf aus dem Land treibt.

Ich will abschließend eine Berliner Hausbesitzerin zitieren, SPD-Mitglied, die im „Checkpoint“ des Berliner Tagesspiegel wie folgt zitiert wird:
„Ich und mein Mann haben eine gute Kreuzberger Mischung an Mietern, leben selbst im Haus. Die Mieten sind unter dem Mietspiegel. Mit dem Mietendeckel werden wir zukünftig nicht mehr kostendeckend wirtschaften können. Etliche Hausbesitzer im Kiez haben deshalb schon entnervt an einen Investor verkauft. Und jetzt sollen wir nicht mal mehr bei steigenden Kosten Mieten moderat anheben dürfen? Die Sanierung einer Wohnung frisst den Jahresgewinn auf. Uns geht es nur um die eigene Altersvorsorge, wenn der Kredit abbezahlt ist, nicht um Reichtum.
Ich habe bei SPD-Abgeordneten nachgefragt. Einzige Antwort: Das muss jetzt durchgezogen werden. Und wer Hausbesitzer ist, dürfe sich doch nicht beklagen, ich könne doch an das Land Berlin verkaufen. Damit wird aber doch keine einzige zusätzliche bezahlbare Wohnung gebaut. Ich finde es absurd, dass meine eigene Partei jenen das Leben schwer macht, die mit unternehmerischem Risiko dieselben Ziele verfolgen: Mietern langfristig ein bezahlbares Zuhause zu bieten. Ich überlege, ob ich mir den Mitgliedsbeitrag bei der SPD spare und lieber an ‚Haus & Grund‘ zahle.“

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