Tichys Einblick
Pleiten, Pech und Pannen

Deutsche Bummelbahn fährt aufs Abstellgleis

Statt ein Paradebeispiel für die erzwungene grüne Verkehrswende zu sein, beweist der Zustand des heimischen Schienenkonzerns: Mit purer Anti-Auto-Ideologie erreicht man keinen verkehrswirtschaftlichen Fortschritt. Die Deutsche Bahn ist ein Fass ohne Boden und ein Katastrophenfall.

IMAGO / BildFunkMV

Mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen, wollen die großen, grünen Transformierer, assistiert von SPD und FDP in der gegenwärtigen Ampelkoalition. Auch die Union hat unter ihrer grünaffinen Ex-Kanzlerin Dr. Angela Dorothea Merkel (CDU) an der sogenannten Verkehrswende mit einer „Klimabahn“ gewaltig herumgeschraubt.

Das Ergebnis der grünen Zwangstransformation ist mehr als ernüchternd – es ist erschreckend. Täglich erleben Bahnkunden auf dem Weg zur Arbeit oder in den Urlaub stehende, kaputte oder verspätete Züge, defekte Toiletten, Türen und Klimaanlagen, geschlossene Bordrestaurants wegen fehlendem Personal, Speisen, Getränken und technischer Störungen in der Küche oder im Bistro. Statt einer modernen Deutschen Bahn (DB) fährt eine Deutsche Bummelbahn trotz neuer Züge, digitaler Stellwerke und vielen zusätzlichen Steuermilliarden immer mehr aufs Abstellgleis.

Ausbau und Sanierung des Schienennetzes
Für Bahnkunden wird es bald reichlich unbequem
Allein der Bund steckte 2022 mit 7,9 Milliarden Euro rund 92 Prozent aller Investitionszuschüsse in den Bahnkonzern im Staatsbesitz. Die restlichen Mittel stammten von Ländern und Gemeinden (600 Millionen Euro) und der Europäischen Union (100 Millionen Euro). Als Teil des Klimapakets stärkte die Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel zudem die Eigenkapitalbasis der Deutschen Bahn zwischen 2020 und 2030 um jährlich eine Milliarde Euro, also insgesamt um 11 Milliarden Euro.

Die Subventions-Milliarden fließen offensichtlich in ein Loch, denn die wichtigste Qualitätszahl, die Pünktlichkeit, wird seit Jahren immer schlechter, statt wie versprochen besser. Allein im Mai dieses Jahres war die Pünktlichkeit bei der DB schlicht eine Katastrophe: Im Regionalverkehr fuhren nur 92,5 Prozent der Züge pünktlich (Vormonat: 93,3 Prozent). Am schlimmsten bummelte der teure Fernverkehr – weniger als zwei Drittel der ICE- und IC-Züge (nur 65,5 Prozent) konnten ihr Ziel pünktlich erreichen (Vormonat: 70,3 Prozent).

Laut Bahnexperten seien in den Zahlen noch nicht einmal die Zugausfälle berücksichtigt, insofern käme im Fernverkehr fasst nur noch jeder zweite Zug pünktlich an. In den Sommermonaten Juli bis August 2022 lag die Pünktlichkeit der DB sogar jeweils unter 60 Prozent. In manchen Regionen sei die Pünktlichkeitsquote zeitweise unter 50 Prozent gefallen, hieß es sogar in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Unionsfraktion.

Kein Weltniveau, die peinliche Pünktlichkeit der Deutschen Bahn

Damit nicht genug: Die Bahn hatte 2022 zwar ein positives Vorsteuer-Ergebnis von 932 Millionen Euro erreicht, unter dem Strich bleiben dennoch 227 Millionen Euro Verlust. Für 2023 rechnet der umstrittene Bahnchef Richard Lutz mit mehr als 150 Millionen Kunden im Fernverkehr, aber auch noch höheren Verlusten. Was für ein Bahnsinn!

Kein Wunder, dass die Bahn wegen sinkender Gewinnprognosen, anhaltender Verluste im Güterverkehr, Unterfinanzierung der Infrastruktur und Managementproblemen in Dauerkritik steht. Nach einer Reihe von SPD-Verkehrsministern (Franz Müntefering, Reinhard Klimmt, Kurt Bodewig, Manfred Stolpe, Wolfgang Tiefensee) und CSU-Ressortleitern (Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt, Christian Schmidt, Andreas Scheuer) murkst jetzt auch noch ein FDP-Verkehrslenker (Volker Wissing) am Bahnkonzern herum.

Das Chaos jedoch bleibt: Selbst der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, warnte schon im März: „Die Krise der DB AG wird chronisch, der Konzern entwickelt sich zu einem Sanierungsfall, der das gesamte System Eisenbahn gefährdet.“ Der Konzern im Bundeseigentum habe bereits über 30 Milliarden Euro Schulden, zuletzt seien täglich fünf Millionen dazu gekommen. „Die DB entwickelt sich zu einem Fass ohne Boden.“

Star-Trek-Fans kennen solche Lagen besser unter „Alarmstufe Rot für alle Decks“. Doch unsere Bummelbahn fährt erst einmal verspätet weiter bzw. bleibt auf offener Strecke stecken. Die Ampelpolitik hat ja mit der Zwangstransformation von uns Bürgern alle Hände voll zu tun.

Hinzu kommt: Das 49-Euro-Ticket, das die grünlastige Politik den Verkehrsbetrieben bundesweit aufgedrückt hat, verstopft regionale Züge, U- und S-Bahnen, Busse und Trams. Denn die große Mehrheit der Nutzer des öffentlichen Verkehrs will damit eigentlich nur Tagesausflüge machen – siehe Grafik.

Deutschland dank 49-Euro-Tickte immer mehr ein Freizeitpark

Wehmütig denken Fahrgäste aus West und Ost inzwischen an die Zeiten ihrer Deutschen Bundesbahn und Deutschen Reichsbahn zurück, an deren Mängel und Bräsigkeit hatte man sich wenigstens gewöhnt. Was nützen neue ICE, IC, RE, S-Bahnen, digitale Stellwerke und das internationale European Train Control System (ECTS), wenn die heutige Murksbahn solche Qualitäts-, Personal- und Pünktlichkeitsmängel bietet.

ICE bleibt liegen – 800 Fahrgäste in Sommerhitze evakuiert

Erst vergangenen Sonntag blieb wieder einmal ein ICE auf der Strecke von Berlin über Leipzig nach Zürich irgendwo liegen – diesmal ausgerechnet auf der Neubaustrecke Erfurt-Leipzig/Halle. Alle 800 Fahrgäste musste die DB bei hochsommerlichen Temperaturen auf offener Strecke evakuieren und zeitaufwendig mehrere Stunden in einen anderen Zug umsteigen lassen. „Der Schnellzug war wegen einer technischen Störung das erste Mal schon gegen 15 Uhr stehen geblieben“, gab eine Bahnsprecherin zu. Nach einer kurzen Pause konnte der ICE zwar vorerst seine Fahrt fortsetzen, bevor er laut Bahnsprecherin auf der Saale-Elster-Talbrücke bei Halle in Sachsen-Anhalt gegen 15.30 Uhr erneut stoppen und endgültig die Fahrt beenden musste.

„Solche technischen Pannen sind mittlerweile keine Seltenheit mehr, aber nicht alles liegt immer an der Infrastruktur“, weiß Bahnexperte Torsten Herbst. Der sächsische Parlamentsgeschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion betont im Gespräch mit Tichys Einblick: Das Problem der Bahn sei inzwischen auch „mangelndes Engagement und fehlende Kundenorientierung“. Dass Züge, Bordbistros, Toiletten, Türen und Klimaanlagen immer öfter nicht funktionieren, sei einfach nur schlechte Wartung, kritisiert Herbst.

Mit schwarzem Humor versuchen Zugbegleiter derweil die peinlichen Situationen noch zu retten, wie am 16. Januar dieses Jahres vor dem Kölner Hauptbahnhof mit einer Durchsage im Dunklen: „Dies ist auch nicht alltäglich, dass wir extra für Sie auf der Hohenzollernbrücke anhalten. Das abendliche Köln! Wenn Sie links rausschauen, fließt der Rhein – und rechts fließt er wieder raus!“

Verstopfte und defekte Toiletten bleiben ein Dauerproblem, obwohl die DB seit Jahren eine Initiative nach der anderen für deren schnellere Reparatur ausruft. Stattdessen hören die DB-Kunden dann solche Durchsagen wie am 24. Mai 2023, bei denen man körperlich einiges zurückhalten muss: „Wir wünschen Ihnen eine angenehme Fahrt – wobei, so angenehm wird sie nicht! Wir haben keine funktionierenden Toiletten im Zug. Bitte stellen Sie dementsprechend die Flüssigkeitszufuhr ein oder beschränken sie auf ein Minimum!“

Überhaupt sind Bahnreisende schon froh, wenn ihr Zug halbwegs ankommt und die Bahntechnik mitspielt, wie eine Durchsage am 3. Mai 2023 informiert: „Heute endet der Zug in Köln-Hauptbahnhof. Grund ist, dass der Zug dringend in die Werkstatt muss. Wir sind froh, wenn wir Köln überhaupt erreichen.“

Auch überfüllte Züge gehören zum Alltag, jetzt noch mehr, nachdem das 49-Euro-Ticket durch die grüne Politik den Bahnbetrieben aufgedrückt wurde. Stehen im ICE bei üppigen Preisen gilt inzwischen am frühen Freitagabend zwischen Berlin und Leipzig, Mannheim und Stuttgart, Köln und Frankfurt als Standard. Umso erstaunlichere Mathematik und Verhaltensanweisungen bieten dann DB-Mitarbeiter in ihren Durchsagen an: „Unser Zug ist zu 100 Prozent reserviert und zu 130 Prozent ausgelastet. Bitte sortieren Sie sich gewaltfrei!“ Ja, ausgefallene und übervolle Züge steigern schon mal die Aggressivität.

Weltniveau in Deutschland war einmal: Sogar international fahrende Züge offenbaren Qualitätsmängel und erzeugen bei Reisenden viel Frust, weil sie für die Tickets obendrein immer mehr Geld zahlen müssen.

Nicht selten sind nicht einmal die Lokführer am Start im Berliner Hauptbahnhof, wenn der ICE nach Basel abfahren soll. Die DB-Angestellten kommen meist erst auf den letzten Drücker mit dem Regionalexpress, der Regionalbahn oder S-Bahn zu ihrem Arbeitsplatz angereist. Doch auch die regionalen Züge verspäten sich oder fallen oft aus. Da müssen die DB-Fahrgäste mit ihren teuren Tickets große Verspätungen halt schon am Startbahnhof hinnehmen. Auf der Strecke Leipzig–Berlin zum Beispiel konnten Kunden vor Jahren noch mit dem Flexpreis für 30 Euro hin- und zurückfahren, heute reicht das in Spitzenzeiten nur noch für eine Strecke.

Für schlampige Dienstauffassung, teure Tickets und miese Qualität des Gesamtprodukts Deutsche Bahn fordern die Bahngewerkschafter alle Jahre wieder wie jetzt auch noch exorbitante Lohnerhöhungen und drohen den Fahrgästen in den Sommerferien mit massiven Streiks. So stellt die Eisenbahnergewerkschaft EVG 2023 mit zwölf Prozent die höchste Lohnforderung aller Zeiten. Mindestens sollten aber die Gehälter um 650 Euro steigen. Für Auszubildende fordert die EVG sogar eine Lohnanhebung um 15 Prozent. Sie nimmt dafür die Bahnkunden praktisch in Geiselhaft. An diesem Donnerstag will die EVG über Warnstreiks am kommenden Dienstag entscheiden, obwohl der Bahnvorstand eine Schlichtung anstrebt.

Dabei hat die DB-Führung in der dritten Verhandlungsrunde die EVG-Forderungen fast erfüllt mit ihrem Angebot: zehn Prozent Lohnerhöhung für untere und mittlere Einkommen, acht Prozent Lohnerhöhung für obere Einkommen sowie zusätzlich 2.850 Euro Inflationsausgleichsprämie für alle. Obendrein holen sich die Bahngewerkschaften EVG und GDL Jahr für Jahr im Vergleich zu anderen Branchen viele Prozente aus der klammen Konzernschatulle heraus. Steuerzahler und Bahnkunden haften ja.

49-Euro-Ticket
Bahn und Co können die Erwartungen ihrer neuen Kunden nicht „einlösen“
Der zuständige Berichterstatter im Haushaltsausschuss des Bundestages für den Verkehrsetat, Frank Schäffler (FDP), kritisiert im Gespräch mit Tichys Einblick: „Die EVG nimmt Bürger und Bahnkunden in Kollektivhaftung, um ihre überzogenen Lohnforderungen durchzusetzen, obwohl Service und Qualität immer schlechter werden.“

Nur zur Erinnerung, werte Gewerkschafter: 21 Millionen Rentner erhalten in Deutschland trotz galoppierender Inflation mit horrenden Energie- und Lebensmittelpreisen dieses Jahr weit weniger als die Hälfte eurer EVG-Forderung. Die Rentenerhöhung im Westen beträgt lediglich 4,39 Prozent und im Osten 5,86 Prozent. Arbeitnehmer und Senioren müssen demnächst aber bei den Ticketpreisen der Bahn im Bundeseigentum durch exorbitante Lohnabschlüsse gehörig draufzahlen. Weitere Verspätungen und schlechter Service natürlich inklusive.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht bei der Deutschen Bahn: Um die Laune aufzubessern, geben sich Zugbegleiter mitunter großzügig. Sie versprechen dann trotz aller Pannen Freibier bis zum nächsten Bahnhof wie 28. April 2023: „Wegen der Zugverspätung gehen alle Getränke im Bordrestaurant aufs Haus, solange der Vorrat reicht. Und: Die Restaurant-Crew steigt am nächsten Bahnhof aus!“ Na denn, liebe Fahrgäste, viel Glück bei ihrer nächsten Tour mit der teuren Deutschen Bummelbahn!

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