Tichys Einblick
Geschichtsverdreher

„DDR war eine Diktatur“ – aber (k)ein Unrechtsstaat!

Im 30. Jahr des Mauerfalls will die deutsche Linke die Geschichte mit aller Gewalt umschreiben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereitete für die Schönfärbung mit ihrer Rede zum Tag der deutschen Einheit das Feld.

Ministerpräsidentenkonferenz Ost 03.04.19

imago images / Karina Hessland

In Thüringen gibt es am 27. Oktober noch eine wichtige Landtagswahl. In Sachsen und Brandenburg fuhren Linke wie Sozis heftige Verluste ein. Die alten SED-Kader und Rest-Sozialdemokraten sollen in Thüringen nun wieder brav an die Wahlurnen schreiten, weil sie bislang über ihre linksgrünen Lifestyle-Parteien tief enttäuscht sind. Selbst die linke Frontfrau Sahra Wagenknecht wirft inzwischen ihren Genossen eine elitäre Entfernung von den Arbeitnehmern vor: „Linkssein heißt, soziale Missstände zu bekämpfen, und nicht etwa, einen bestimmten Lifestyle zu pflegen, der womöglich sogar noch ziemlich elitär ist.“ Auch die SPD hat sich als Klientelpartei für Studenten, Professoren und Sozialarbeiter Lichtjahre von ihrer früheren Wählerschaft entfernt.

Da verwundert es nicht, wenn man im Osten jetzt bei Ostalgikern auf Stimmenfang geht und gleich noch die Geschichte umschreibt.

Quasi als Geschenk zum 70. Jahrestag der DDR am 7. Oktober im 30. Jahr des Mauerfalls am 9. November, servieren in trauter Zweisamkeit die Ministerpräsidenten Manuela Schwesig (SPD/Mecklenburg-Vorpommern) und Bodo Ramelow (Linke/Thüringen) die frohe Botschaft: Sie seien dagegen, den Begriff „Unrechtsstaat“ für die DDR zu verwenden. „Die DDR war eine Diktatur“, räumt Schwesig ein. Aber der Begriff „Unrechtsstaat“ werde von vielen, die in der DDR gelebt hätten, als herabsetzend empfunden.

Rechtsstaatlichkeit gilt unter Sozis wohl als überbewertet

Ebenso demagogisch formuliert Schwesigs Kollege Ramelow die Ansage für seine Wähler: „Die DDR war eindeutig kein Rechtsstaat.“ Aber der Begriff „Unrechtsstaat“ sei für ihn ausschließlich mit der Zeit der Nazi-Herrschaft verbunden.

Was war die DDR denn dann? Nicht einmal für viele SED-Genossen war ihr Staat eine fröhliche Baracke. Hunderte Mauertote, zehnttausende politische Gefangene, Straflager, Zwangsarbeit, Verfolgung, Willkür, Zwangsadoptionen, Menschenhandel – all das macht für SED-Erben wie Ramelow oder Sozis wie Schwesig natürlich keinen Unrechtsstaat aus.

Das ist schon arglistige Wortklauberei, aber gelernt ist gelernt: Sozialdemokratin Schwesig und Sozialist Ramelow üben sich wieder einmal in marxistisch-leninistischer Dialektik. Die DDR war für sie eine Diktatur, aber kein Unrechtsstaat. Die DDR war für sie kein Rechtsstaat, aber auch kein Unrechtsstaat. Was soll dieser Unsinn? Frage an Sender Jerewan: Wird hier die Öffentlichkeit dialektisch hinter die grüne Fichte geführt? Antwort: Im Prinzip ja!

Immerhin ist jetzt die FDP vor einer Wahl noch einmal aufgewacht. Deren Generalsekretärin Linda Teuteberg haut Ramelow und Schwesig die Schönfärbung um die Ohren: „Eine alte, perfide Strategie der SED und all ihrer Nachfolgeparteien wird hier aufgewärmt und durch eine SPD- Ministerpräsidentin übernommen: Menschen in Ostdeutschland für den Staat DDR und das SED-Regime zu vereinnahmen.“

Kein Widerstand aus der Union – ganz im Gegenteil

Doch mit dieser fiesen Taktik stehen Ramelow und Schwesig nicht allein. Denn mit Widerstand aus Merkels Union ist gegen die sozialistische Umschreibung nicht zu rechnen. Ganz im Gegenteil: Kanzlerin Merkel steht hier mit an der Spitze der Bewegung zur Freude von Ramelow, Schwesig und Co. Sie hielt zum Tag der deutschen Einheit nicht nur eine höchst fragwürdige, sondern in Teilen sogar fast undemokratische Rede. Merkel schafft mit ihrer Wortwahl die Kritik an Regierenden ab. Sie diskreditiert andersdenkende Bürger als Querulanten, wenn sie Kritik an den Regierenden üben, nur weil sie mit ihrem Leben in deren Staat nicht klarkommen. Doch Kritik an Regierungen und Eliten gehört zur Demokratie wie die Luft zum Atmen.

Beim zentralen Festakt in Kiel warnte Merkel davor: Ähnlich wie zu DDR-Zeiten, suchten „auch heute manche – und zwar in ganz Deutschland – die Ursache für Schwierigkeiten und Widrigkeiten vor allem und zuerst beim Staat und den sogenannten Eliten“. In deren Betrachtung stünde der Staat dabei mehr oder weniger synonym für eine abgehobene Obrigkeit, verbunden mit sogenannten Eliten in Politik, Medien, Wirtschaft, Wissenschaft, denen man sowieso nichts glauben könne, kritisierte Merkel. „Setzte sich ein solches Denken durch, führte das ins Elend.“

Stopp, hier müssen wir über Merkels Hammer-Sätze nachdenken. Das bedeutet: Diese furchtbaren Dissidenten haben den DDR-Staat in den Abgrund gestürzt und nicht die SED?

Und Merkel hat noch eine Botschaft an ihre Dauerkritiker: Freiheit sei Verantwortung des Einzelnen für eigene Entscheidungen, um damit auch dann zurechtzukommen. Wer eben in einem Staat nicht zurechtkommt, solle seine Enttäuschung nicht woanders abladen, etwa beim Staat oder seinen Eliten.

Der Bürger ist halt selbst Schuld an seinem Leben in einem DDR- oder Merkel-Staat. Das heißt auch: Lästige Dauerkritiker an Merkels früherer Partei- und heutiger Staatsführung würden heute gleiches tun – das Land ins Elend stürzen. Was ist das für ein Staatsverständnis einer Kanzlerin? Kein Berliner Elite-Journalist fragt danach in einem Kommentar!

Aber es kommt noch schlimmer: Merkel drohte verärgerten Bürgern, die ihre Verantwortung nur auf den Staat abladen wollten: „Niemals darf konkretes politisches Handeln – sei die Enttäuschung darüber auch noch so groß – als Legitimation dafür akzeptiert werden, andere wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung auszugrenzen, zu bedrohen oder anzugreifen.“

Übersetzt in Klartext bedeutet das: Merkels Regierung kann mit ihrer grenzenlosen, rechtswidrigen und massenhaften Asyleinwanderung historische Fehler begehen, aber die Folgen mit Betrug, Kriminalität, Frauen-, Christen- und Judenfeindlichkeit hat der Bürger stillschweigend hinzunehmen. Denn wer Merkels Einwanderer kritisiert, wird automatisch nach obiger Vorgabe als Ausländerfeind gebrandmarkt und diskreditiert.

Langanhaltender Beifall der politischen Elite aus den ersten Reihen war Merkel bei ihrer Rede zur Einheitsfeier in Kiel gewiss. Denn es hält zusammen, was zusammengehört. So stigmatisieren sie heute erneut wieder Regierungskritiker als Querulanten, wenn sie nicht Kritik aus der linken Ecke üben. Das hat inzwischen schon vielen den Job gekostet. In der SED-Diktatur steckte man die Lästerer und Nörgler gerne auch gleich in die Psychiatrie. Denn, wer die Partei- und Staatsführung kritisiert, der kann ja nur verrückt sein.

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