Tichys Einblick
Sic transeunt Data Mundi

Big Mama vs. Big Data – Digitale Chefsache der Kanzlerin

Die Kanzlerin möchte in Zukunft Daten besteuern, damit der Gerechtigkeit genüge getan werde. Das ist eine Gelegenheit, die man als Bewerber um eine Ghostwriter-Stelle im Kanzleramt nicht an sich vorüber ziehen lassen kann.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Erinnern Sie sich noch an den Koalitionsvertrag, liebe Leser? Das waren die 5 Tonnen Gutmenschenphilosophie, Euromantik und Küchenökonomie auf 160 Seiten salbadernde Sprache abgefüllt, die wir alle viel zu wenig ernst genommen haben. Das Ding hätte ich vor ein paar Monaten gründlicher lesen sollen, dann wäre mir aufgefallen, dass die Kanzlerin den Deutschen damit gedroht hat, das Thema Digitalisierung zur Chefsache zu machen. Jetzt ist es dafür fast zu spät, denn Merkel hat ihr schwerstes Geschütz in der Sache in Stellung gebracht: Die Gerechtigkeit.
Und die Munition liegt auch schon daneben: Das Steuerrecht, Merkels liebstes Instrument zur Herstellung derselben. Das geht im Kanzleramt wie am Fließband, kann ich Ihnen sagen. Ständig neue sozialistische Produktionsrekorde für in Flaschen abgefüllte Gerechtigkeit! Das geht nur so hopp, hopp, hopp!

Hä? Digital? Gerechtigkeit? „Wie geht denn das zusammen?“ werden Sie sich jetzt fragen.

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Sehen Sie, daran erkennt man, dass Sie die FAZ von vorgestern nicht gelesen haben, die diese Nachricht so unkommentiert gebracht hat, als wäre es das normalste Ding der Welt, beim Thema digitale Zukunftsgestaltung erstmal das Wieselwort Gerechtigkeit in die Debatte zu werfen. Nur so am Rande, liebe FAZ: So was wäre noch vor wenigen Jahren von eurer Wirtschaftsredaktion nicht unkommentiert geblieben. Aber das ist Euer Ding, wenn Ihr das einfach so schlucken wollt. Schlucken soll ja angeblich der letzte Schrei sein. Honi soit qui mal y pense.

Digitale Gerechtigkeit geht nämlich laut Kanzlerin wie folgt: Die bösen Internetkonzerne verdienen an den Daten, die wir, ihre Nutzer ihnen liefern, Milliarden. Und dann zahlen sie dafür noch nicht mal Steuern, weil sie sich dank derselben Milliarden die besten Anwälte und Steuerberater leisten können, die das Ausbildungssystem des Planeten hergibt und alles nach Irland verschieben, wo sie willige Helfershelfer finden, das niedrige Unternehmenssteuern gut für die Wirtschaft sind. Und die Nutzer, denen die Daten gehören, die gehen auch leer aus. So geht’s ja nicht! Haltet den Dieb!

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Es ist somit natürlich völlig klar, dass dies eine Frage der Gerechtigkeit ist. Die ist massiv in Gefahr, wenn nicht schon dem Meuchelmord der Silicon Valley Verschwörer von Google, Facebook und Twitter zum Opfer gefallen. Daraus folgt zwingend, dass dem unmündigen Bürger die Hilfe des Finanzamtes zur Seite gestellt werden muss, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Und Merkels genialer Gedanke und zündende Idee ist – na, liebe Leser, macht`s schon Klick? – dass in Zukunft Daten besteuert werden sollten. Nein, Sie haben sich nicht verlesen, die Königin Europas möchte Daten besteuern.

Das ist, als würde man die Fenstersteuer des 16. Jahrhunderts wiederbeleben, damit die Leute ihre Guckluken zumauern (frühe Form des Steuersparmodells im Bauherrenbereich) und sich so nicht mehr aus dem Fenster stürzen können, um sich auf der Flucht vor dem Steuereintreiber das Leben zu nehmen.

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Da hat sie wahrscheinlich den Satz im Kopf gehabt „Daten sind das Rohöl der Zukunft“ und Schwupps hat ihr die schwarze Null aus Schwaben die Mineralölsteuer als passende Analogie ans Herz gelegt, weil er auch im neuen Amt von fiskalischen Geniestreichen nicht lassen kann. Der Alice im Hohen Hause Rügen zu erteilen, weil sie einen anderen Modegeschmack hat, als er, ist halt auf die Dauer auch nicht wirklich befriedigend. Ich möchte wetten, Mutti hat ihn fast aus dem Zweirad gestoßen beim dankbaren Abbusseln a la Breschnews-Honeckers Vorlage für Doisneau`s Kuss ob dieses Geistesblitzes.

Besteuern wir also die Daten in unserem aufstrebenden Silicon Germany. Damit schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Gerechtigkeit und Kohle. Gehen wir also an die Arbeit und überlegen uns, wie wir das machen könnten. Hier dazu ein paar Vorschläge:

Vorschlag 1: Die Quellensteuer. Wir besteuern die Daten dort, wo sie entstehen. Also beim unmündigen Verbraucher, dessen Nutzenfunktion und Verhaltensparameter die Zahlen unfreiwillig beim Gebrauch von Suchmaschine und Social Media ausspucken. Dieser arme kleine Wicht erzeugt etwas von Wert und liefert es, gewissermaßen im Zuge einer nicht angemeldeten scheinselbständigen Tätigkeit an die Internetkonzerne. Dafür bekommt er die kostenlose Nutzung dieser Produkte und also einen geldwerten Vorteil. Hat er den bisher denn versteuert? Nein! Und der Riesenvorteil: Er kann uns nicht entkommen, indem er bei jeder Nutzung vorher schnell mal nach Irland fliegt. Nachteil: Das werden die Bewohner von Cyberspace-Germania für ungerecht halten, im schlimmsten Fall gibt es einen kleinen Facebook-Shitstorm. Papperlapapp! Gerechtigkeit wird eh überschätzt, wenn es um fiskalische Bedürfnisse geht. Die Option bleibt erst mal auf dem Tisch.

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 Vorschlag 2: Die Daten-Mehrwertsteuer. Das böse Google-Monster zahlt für jede Suchanfrage einen kleinen Betrag an den Fiskus, Facebook für jedes Like und jedes Posting. Schließlich fließt ihm mit diesem Privatsphärenexhibitionismus wertvolle Information zu, die es dann räuberisch gegen das Gemeinwohl einsetzt. Außerdem haben die bei Google den Grundsatz „Don`t be evil“ gerade aus ihren Statuten gestrichen. Sowas macht man nicht ungestraft. Die Zahlung pro Suchanfrage ist so etwas wie eine Datentransaktionssteuer. Vorteil: Bei den hunderten von Milliarden Suchanfragen brauchen wir nur ganz winzige Beträge anzusetzen und das läppert sich. Da kann sich die KleGroKaZ, die kleinste Große Koalition aller Zeiten schon mal reich rechnen und die Gießkanne für das Verteilen von künftigen Wahlgeschenken vom Speicher holen. Nachteil: Die Zentrale des Dr. Evil mit ihren Servern muss nicht in Deutschland stehen. Da kommen wir nicht ran, solange wir nicht nach Chinesischem Vorbild einen Great Firewall of Data errichten. Muss die Kanzlerin ihr Vorbild Xi mal anrufen und fragen, wie das geht. Scheint aber schwierig.

Vorschlag 3: Die Datenpauschalsteuer, am besten auf europäischer Ebene. Wir schätzen einfach, wie viele Bits und Bytes an Daten die Kracke hier abgreift, hauen eine Steuer von X Euro pro Gigabit drauf und lassen das Ganze von Jean-Claude Busselweltmeister Juncker administrieren. Vorteil: Damit können wir dann die Fiskalkapazität für Emanuels Eurofinanzminister herstellen und das Ganze dann auch noch in protektionistischer Manier auf die Amis abwälzen. Nachteil: Schauen wir mal, wie Trump das findet und wie es sich anfühlt, wenn Google im Konzert mit Facebook, Twitter und was da sonst an Datensammlern in Kalifornien frei (!) rumläuft mal für eine paar Tage seine Dienste in Eutopia abstellt.

Vorschlag 4: Wir sehen ein, dass wir die Datenkraken aus dem ungerechten Trumpistan nicht zu fassen kriegen und konzentrieren uns bei der Besteuerung von Festplatten auf die heimische Digitalindustrie. Da wird uns schon eine Bemessungsgrundlage für einfallen. Vorteil: Heiko „ich zensiere sogar die Tonlage eurer Verdauungsgeräusche“ Maas wird bei seinem nächsten Besuch in Washington nicht in einen Schuhkarton gepackt und per Elon-Musk-Rohrpost nach Gitmo verfrachtet. Nachteil: Eine heimische Datenindustrie, die mehr kann als Fingerabdrücke beim BAMF zu katalogisieren und dann datenschutzrechtlich zuverlässig der Löschung zuzuführen wird wohl nicht entstehen und was schon da ist, wird sich schleunigst auf den Weg in die verhassten USA machen.

Das digitalisiert sich selbst
Bloß kein Digitalminister!
 Für einen gestandenen Anhänger der Marktwirtschaft war ja schon immer klar, dass man sein Hab und Gut und neuerdings seine Familie in Sicherheit bringen sollte wenn Politiker mit dem Wieselwort Gerechtigkeit das Budget ihres korrupten Stimmenkaufs steigern wollen. Aber dass sich eine Kanzlerin in einem Anfall von ökonomischen Analphabetismus mit drei dürren Sätzen beide Knie wegschießt und die Ballettfüßchen unter den filigranen Stampferchen gleich mit, das ist neu. Das ist geil. Hurra, hurra, die Schule brennt!

Andererseits: Wer würde angesichts der ökonomisch vollkommen debilitätsbeladenen Energiewende, der leistungsfeindlichen Besteuerung des deutschen Mittelstands, der von jeder wirtschaftlichen Ahnung befreiten Eurorettungspolitik und der kompletten Unfähigkeit, begangene Fehler einzusehen und zu korrigieren von dieser Kanzlerin etwas anderes erwarten, wenn es um die Schlüsselfrage unserer künftigen Wettbewerbsfähigkeit in der Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts geht? Ihre Drohung, das Thema zur Chefsache zu machen, war wohl wirklich ernst gemeint.

METZGERS ORDNUNGSRUF 16-2018
Auch Daten müssen in der Marktwirtschaft einen Preis haben
 Liebe Bundeskanzlerin, Big Mama: Ich habe schon mal eine Sprechblase für Sie vorbereitet, die Sie in der Bundespressekonferenz abstottern können, wenn das letzte Digitalunternehmen Deutschland verlassen haben wird: „Mir doch egal, ob ich sie aus dem Land getrieben habe. Jetzt sind sie halt weg.“ Ich hoffe, ich habe ihren Sprachduktus einigermaßen getroffen.

PS: Für künftige Manifestationen der wirtschaftspolitischen Ahnungslosigkeit und der sozialistischen Wieselworte aus Ihrem Munde verspreche ich getreu dem Zitat eines Mannes, der mit dem Thema Grenzöffnung viel Positives für unser Land bewirkt hat, dass es hier bei Tichy dazu einen Kommentar gibt. Die FAZ fällt ja dafür leider vorläufig aus. Seine Worte lauteten: „Nach meiner Kenntnis gilt das sofort, … unverzüglich.“