Tichys Einblick
Aufbruch ins All

Auf dem Mond wartet die Zukunft

In der politisch induzierten Corona-Rezession tritt die schon länger bestehende Innovationsschwäche der deutschen Wirtschaft deutlich zutage. Ein neuer Apollo-Moment scheint erforderlich, um Unternehmen zu inspirieren und eine verzagte Gesellschaft mitzureißen. Denn nichts regt Phantasie, Kreativität und Schaffenskraft der Menschen so sehr an wie der Aufbruch in den Weltraum. Noch ist der Mond wüst und leer, aber das lässt sich ändern.     

© Getty Images

Mal angenommen, die Menschheit würde von vorn beginnen. Allerdings nicht in der Steinzeit, sondern mit allem Wissen und allen Fertigkeiten, über die sie heute verfügt. Nur eben in einer sowohl geistig als auch materiell jungfräulichen Umgebung. Ohne an das bereits Existierende, ohne an technologische wie ökonomische Pfadabhängigkeiten oder ideologische Schranken gebunden zu sein, uneingeschränkt durch bereits erfolgte Investitionen oder durch Dogmen wie Nachhaltigkeit, Vorsorgeprinzip oder Klimaschutz. Um eine Welt zu errichten, die die Bedürfnisse aller ihrer Bewohner mit höchster Perfektion erfüllt. Würde ein solcher Start an der Nulllinie mit dem Werkzeugkasten der Moderne zu denselben oder zumindest ähnlichen Ergebnissen führen, wie die bereits durchlaufene Entwicklung der letzten Jahrmillionen? Würde also alles wieder genauso gemacht wie bisher?

Heute wäre es tatsächlich möglich, dieses Experiment „Neubeginn“ in der Realität durchzuführen, statt es nur abstrakt zu durchdenken. Und dabei Lösungen zu finden, die manche erstaunen, manche erschrecken, aber die meisten wahrscheinlich begeistern werden. Es gilt lediglich, zu diesem Zweck den bereits gestalteten irdischen Kontext mit seinen spezifischen physikalischen und biologischen Rahmenbedingungen zu verlassen. Aber zum Glück wartet ein Mond in nicht allzu großer Entfernung.

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Ohnehin steht der Erdtrabant längst wieder im Fokus staatlicher und privater Raumfahrtaktivitäten. So plant die NASA bereits für das Jahr 2024 die Stationierung einer Raumstation in einem lunaren Orbit als Plattform für erneute bemannte Missionen zur Oberfläche. Die europäische Weltraumagentur ESA ist an diesem Vorhaben beteiligt und erarbeitet parallel eigene Konzepte für künftige Mondmissionen. China hat ein ehrgeiziges Programm aufgelegt, dessen vorläufiger Höhepunkt die Landung eines Rovers auf der Mondrückseite im Jahr 2018 darstellte und das ebenfalls langfristig bemannte Missionen vorsieht. Weitere mindestens im fortgeschrittenen Planungsstadium befindliche mondbezogene Raumfahrtaktivitäten sind aus Ländern wie Russland, Japan, Indien und Israel bekannt. Auch kommerziell orientierte Unternehmen wie SpaceX, das im Jahr 2023 einen Weltraumtouristen zum Mond bringen möchte, oder BlueOrigin, das federführend für die NASA eine Landefähre entwickelt, widmen sich zunehmend unserem nächsten kosmischen Nachbarn.

Immer gehen von solchen Ansätzen erhebliche Innovationsimpulse aus. Denn sie bedürfen zahlreicher Inventionen in Hoch- und Spitzentechnologien, denen das grundsätzliche Potential innewohnt, in neuartige Produkte für irdische Zwecke überführbar zu sein. Gerade für das ehemalige Apollo-Programm ist dies in Bereichen wie der Informationstechnologie, der Materialforschung und der Produktionstechnik evident. Es initiierte gar die erste Phase der Digitalisierung und markiert den Beginn der amerikanischen Dominanz in diesem Sektor. Und es beinhaltete die fachliche wie soziale Aus- und Fortbildung zehntausender Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker. Ein Großteil dieses Personals wechselte während und nach Ende des Projektes in die freie Wirtschaft, trieb dort die Innovationstätigkeit an oder gründete sogar selbst Unternehmen.

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Mit den konventionellen, hierzulande etablierten Ansätzen der Wirtschaftsförderung können solche Effekte in vergleichbaren Größenordnungen nicht erzielt werden. Zu geringe Fördersummen führen bei mittleren und großen Unternehmen häufig nur zu Mitnahmeeffekten. Das Zuschussprinzip schließt insbesondere Startups und sehr kleine Firmen aus, denen die Darstellung einer Gegenfinanzierung gerade bei bahnbrechenden Vorhaben nicht gelingt. Die in Deutschland unterentwickelten Optionen zur Gewinnung auch langfristig verfügbaren Risikokapitals sind dafür mit ursächlich. Das beliebte Mittel direkter Subventionen, von EEG-Umlagen bis Kaufprämien, zementiert die Marktstellung des bereits Vorhandenen und reduziert die Wettbewerbsfähigkeit neuer Ideen. Auch den zahlreichen themenorientierten Förderlinien wohnt eine solche Innovationsbremse inne, da sie häufig technische Suchpfade zu sehr einschränken. Im Ergebnis werden nicht Innovationen unterstützt, sondern vor allem die Optimierung des Bestehenden und Aufholprozesse gegenüber den in vielen wichtigen Branchen bereits enteilten internationalen Wettbewerbern. Deutschland lebt von der bereits im Kaiserreich aufgebauten Substanz in Chemie und Pharmazeutik, in der Elektroindustrie, der Metallverarbeitung, dem Fahrzeugbau und der Agrarwirtschaft und versucht,  durch deren Modernisierung den Anschluss zu halten. Angesichts der sichtbar werdenden Potentiale umwälzender Entwicklungen in der Digitaltechnik, in der Mikro- und Nanotechnologie sowie der Molekularbiologie wird dies nicht genügen.

Gerade in der politisch induzierten Corona-Rezession tritt die längst bestehende, auch auf fehlgeleitete staatliche Eingriffe zurückgehende Innovationsschwäche der deutschen Wirtschaft deutlich zutage. Nichts kann besser aus dieser Misere heraushelfen als ein Apollo-Moment, der zielgerichtet unternehmerische und wissenschaftliche Schöpferkraft ohne direkten Eingriff in das Marktgeschehen über einen längeren Zeitraum hinweg bündelt. Natürlich würde kaum eine Firma aus eigenem Antrieb in eine Rückkehr zum Erdtrabanten investieren, da einem solchen Vorhaben in Ermangelung potentieller Nutzer nahezu keine Gewinnaussichten innewohnen. Aber zur effektiven Verstärkung der vorwettbewerblichen, experimentellen Forschung und Entwicklung in der Industrie eignet sich kein Instrument besser als ein staatlich induziertes Raumfahrtprojekt. Innovationen lösen keine Probleme, sie schaffen neue Gelegenheiten. Die öffentliche Hand vermag Unternehmen dazu zu stimulieren, diesen Möglichkeitsraum auch vollständig auszunutzen, wenn sie es denn will. 

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Von dieser Prämisse ausgehend ergibt es natürlich wenig Sinn, lediglich eine nachholende Expansion bei Transport- und Trägersystemen zu starten, um den Vorsprung anderer in diesem Segment zu verringern. Ein einfaches Kopieren des Apollo-Programms wird ebenfalls keine Impulse auslösen, die technologieübergreifend einen über den etablierten Stand der Technik hinausgehenden Innovationsschub auslösen. Stattdessen gilt es, weit über das momentan Mögliche hinauszudenken und ehrgeizige, visionäre Ziele zu formulieren. Ganz wie es John Fitzgerald Kennedy im Jahr 1962 ausdrückte, bedarf es einer Verknüpfung von Wagemut und Anspruch, um jene Dinge anzupacken, die zunächst kaum machbar erscheinen. Damals ging es um die irrwitzige Idee, Menschen an der Spitze einer mehr als hundert Meter hohen, mit der Präzision eines Uhrwerks aus zum Teil noch nicht erfundenen Materialien gefertigten Rakete zu einem unbekannten Himmelskörper in ungefähr 400.000 Kilometer Entfernung zu transportieren und gesund wieder zur Erde zurückzubringen. In einem Raumschiff, das unter bislang ungekannten Belastungen das Überleben seiner Besatzung sicherstellen musste. Heute darf, heute kann, heute sollte man deutlich verrückter werden. Es genügt nicht, einfach nur zum Mond fliegen, um ebenfalls dort gewesen zu sein. Es gilt, sich dort anzusiedeln, um für immer zu bleiben. 

Aus der Überzeugung heraus, nach der nichts Phantasie, Kreativität und Schaffenskraft der Menschen so sehr anregt, wie der Aufbruch in den Weltraum, empfiehlt sich daher die Errichtung einer ersten, dauerhaft bemannten Kolonie auf der Mondoberfläche in Form eines staatlichen Großauftrages an die hiesige Industrie. Dabei wäre eine solche lunare Station als autarke, von einer regelmäßigen Versorgung durch die Erde unabhängige Einrichtung für einige Dutzend Bewohner zu projektieren. Mit dem Anspruch, die Überlebensfähigkeit der Kolonie für mehrere Monate sicherzustellen, in denen möglicherweise externe Hilfeleistungen ausbleiben könnten. Die für den Aufbau der Basis erforderlichen technischen Systeme müssen daher unter anderem höchsten Maßstäben an ihre Betriebssicherheit genügen und gleichzeitig mit vor Ort verfügbaren Ressourcen und Werkzeugen gewartet und repariert werden können. Die sich dadurch stellenden Herausforderungen an die einzelnen Teilbereiche, vom Bau von Gebäuden und Infrastrukturen, über die Bereitstellung von Energie und Nahrung bis hin zur Gesundheitsversorgung erfordern hoch- und spitzentechnologische Fortschritte auf allen Gebieten und daher Beiträge nahezu aller Branchen und Sektoren. Ein entsprechendes Programm wäre deshalb absolut technologieoffen zu formulieren und dürfte keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der denkbaren Methoden und Verfahren beinhalten. Nur dann vermag es Innovationen zu induzieren, die auch in irdischen Zusammenhängen großen Nutzen entfalten können. Man denke nur an Stichworte wie Kreislaufwirtschaft, Agrar- und Lebensmitteltechnik, Medizintechnik, additive Fertigung, Automatisierung und Robotik.

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Natürlich ist der Mond noch kein Markt und bietet keine unmittelbaren kommerziellen Chancen. Visionen von Weltraumtourismus oder Weltraumbergbau stellen derzeit nicht mehr als vielversprechende Ideen dar. Mit einer Kolonie vor Ort aber wird über den Aspekt der unmittelbar auf terrestrische Applikationen zielenden vorwettbewerblichen Innovationsförderung hinaus auch das für die Eroberung und Nutzung des Mondes notwendige Fundament errichtet. Szenarien für eine mögliche Nutzung des Außenpostens, etwa als Forschungseinrichtung (mit Schwerpunkten wie Astronomie oder Medizin) oder sogar zur Gewinnung von Rohstoffen und deren Rücktransport zur Erde sind daher im Rahmen des Projektes ebenfalls zu formulieren.

Konzeption und Konstruktion einer Mondbasis bieten Ingenieuren und Technikern die Chance, ihr wirkliches Können bar aller Zumutungen von realitätsfernen, ideologisch denkenden Bürokraten zu zeigen. Angstbasierte Regulierungsorgien inspirieren niemanden, die Expansion in das Unbekannte hingegen schon. Eine extraterrestrische Kolonie wird zudem die Bedeutung von Technologie als Schutz vor den destruktiven Einflüssen einer uns gleichgültig gegenüberstehenden Umwelt verdeutlichen. Und dadurch den in saturierten Wohlstandgesellschaften grassierenden Ökologismus sehr plastisch als Irrlehre entlarven. Jedenfalls belegt die Fähigkeit, sich nun sogar auf dem Mond behaupten zu können, wie adäquat der bisherige, irdische Weg der Menschheit war. Von dem grundsätzlich abzuweichen niemanden weiterbringt, vor allem nicht ins All.

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