Tichys Einblick
Nach der Abwahl der Dänen-Ampel in Kiel

Stegner bezieht Prügel von den eigenen Genossen

Susanne Gaschke (SPD), einst ZEIT-Autorin, dann Oberbürgermeisterin in Kiel und jetzt bei der WELT an Martin Schulz: „Es nützt weder ihm noch der SPD, wenn Parteivize Ralf Stegner stets wie ein Unglücksrabe hinter seiner rechten Schulter lauert."

© Odd Andersen/AFP/Getty Images

Hannelore Krafts Haltung am Wahlabend verdient Respekt: Sie hat das nordrhein-westfälische Wahlergebnis als das erkannt, was es war, nämlich eine Abwahl, und daraus die Konsequenzen gezogen. Man sollte sie deshalb aber nicht gleich heilig sprechen. Hätte die SPD nur 0,1 Prozentpunkte vor der CDU gelegen, hätte Kraft darum gekämpft, im Amt zu bleiben.

Ihr ebenfalls von den Wählern abgestrafter Ministerpräsidentenkollege in Kiel hat deutlich länger gebraucht, um den „Schuss“ zu hören. Auch Torsten Albig steht für eine wie immer geartete SPD-Regierung nicht mehr zur Verfügung. Den Ausschlag gab offenbar nicht sein politisches Scheitern. Vielmehr nimmt er jetzt Vorwürfe zum Anlass, er habe sein Amt genutzt, um seiner in der PR-Branche tätigen neuen Lebensgefährtin Aufträge zuzuschanzen. Ein klarer Schnitt sieht anders aus.
Mögen andere zurücktreten, einer bleibt: Ralf Stegner, umtriebiger und kämpferischer SPD-Linker, allzeit bereit, jeden Nicht-Linken in die Nähe der Nazis zu rücken, ersatzweise zumindest in die Nähe der AfD – und das per Twitter, per Zeitungs-, Hörfunk- und TV-Interviews und nicht zuletzt auf Facebook. Für Leser, die tatsächlich nicht wissen sollten, wer Stegner ist, eine kleine Hilfe: Das ist der Mann, der sich gnadenlos in jedes Bild drängt, wenn wichtigere Leute als er etwas zu sagen haben – und meistens gnadenlos grimmig guckt.

Stegner drängt sich immer ins Bild …

Stegners bundespolitische Bedeutung beschränkt sich darauf, dass er als Partei-Vize in den Medien omnipräsent ist. In Kiel hat er als Vorsitzender von Partei und Landtagsfraktion dagegen wirklich etwas zu sagen. Nicht ohne Grund sprachen manche Spötter am 7. Mai in Kiel von der Abwahl der „Regierung Stegner/Albig.“ Jetzt hat er sich als Fraktionsvorsitzender wiederwählen lassen. Das Ergebnis – 100 Prozent – verkündete er stolz auf Twitter. Irgendwie muss er vergessen haben, dass auch eine andere SPD-Größe vor einiger Zeit auf ihre 100 Prozent mächtig stolz war. Inzwischen hat der Ex-Gottkanzler wohl bemerkt, dass DDR-Ergebnisse kein Ausweis ehrlicher Unterstützung sind.

Stegner ist seit der SPD-Wahlschlappe im hohen Norden damit beschäftigt, die rot-grünen Wahlverlierer irgendwie mit Hilfe der FDP im Amt zu halten. FDP-Chef Kubicki hat das jetzt mit der Begründung abgelehnt, ihn störe die „Attitüde“ des Herrn Stegner. Der trete nach dem Motto auf, „er sei derjenige, der alles in der Hand habe. Das kann er seiner eigenen Partei erzählen.“ Das ist der Stoff, aus dem Stegner-Gegner die Geschichte schreiben werden: „Wie Stegner uns um die Macht brachte.“
Nicht nur Kubicki steht Stegners Einstellung im Wege, die Leute sollten doch wählen, was sie wollen, die SPD regiere einfach weiter. Inzwischen gibt es auch die ersten Rücktrittsforderungen an den noch allmächtigen Partei- und Fraktionsvorsitzenden.

Angeführt werden die SPD-internen Stegner-Gegner vom nordfriesischen Bundestagsabgeordneten und Kreisvorsitzenden Matthias Ilgen: „Herr Stegner muss die Konsequenzen aus der dramatischen Wahlniederlage ziehen und zurücktreten“. Das habe der Kreisvorstand einstimmig beschlossen, berichten die Kieler Nachrichten. Das Blatt schreibt weiter von Forderungen aus anderen Kreisverbänden, Stegner zu entmachten. Was sich gehöre, so Ilgen, habe Hannelore Kraft gezeigt. Stegner gibt dagegen den Staatsmann, verweist auf geplante „Gespräche zu einer Regierungsbildung“ und tadelt die kritischen Genossen nur indirekt: „Es ist nicht zielführend, auf das eigene Tor zu schießen.“

… und grimmt vor sich hin

Stegner hat aber noch ein anderes Problem: Selbst SPD-Genossinnen und -Genossen halten es für kontraproduktiv, dass der SPD-Vize sich mit griesgrämigem Gesichtsausdruck immer ins Bild drängt und die derzeitige Misere der Sozialdemokraten geradezu verkörpert. Zum Beispiel Susanne Gaschke (SPD), einst Zeit-Autorin, dann Oberbürgermeisterin in Kiel und jetzt bei der „Welt“. Gaschke sieht noch Hoffnung für Martin Schulz, wenn er die eigenen Genossen zur Glaubwürdigkeit zwingen könnte. Gaschkes Rezept in der „Welt“: „Keine Wahlverlierer-Ampel in Schleswig-Holstein! Nie wieder den Wählerintellekt beleidigende Wahlslogans wie „Mehr Gerechtigkeit für alle“!“

Die Genossin empfiehlt Schulz ferner, sich die Fernsehbilder der drei Wahlabende im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen anzusehen. „Es nützt weder ihm noch der SPD, wenn Parteivize Ralf Stegner stets wie ein Unglücksrabe hinter seiner rechten Schulter lauert. Und es nützt auch nichts, wenn Stegner wehrlosen Wählern nach jeder verlorenen Wahl androht, nun werde die SPD aber noch doller kämpfen.“

Nun muss man wissen, dass Frau Gaschke in Kiel von den eigenen Genossen aus dem Amt gemobbt wurde – mit Unterstützung der Landesregierung, also von Albig/Stegner. Sie ist also bei der Nord-SPD parteiisch. Aber Urteile aus parteiischer Perspektive müssen nicht zwangsläufig falsch sein.

Die Älteren können sich noch an die Zeiten erinnern, als SPD-Zuchtmeister Herbert Wehner bei großen Bundestagsdebatten am Rednerpult schimpfte, beleidigte, tobte und pöbelte. „Mama mach den Fernseher aus, der böse Mann ist wieder da“, wurde in Bonn zum geflügelten Wort. Stegner ist kein Wehner – nicht bei den fehlenden  Umgangsformen und schon gar nicht mit Blick auf dessen Einfluss und Macht in der SPD. Aber eines hat Stegner mit Wehner gemeinsam: Ihn greift kein Genosse ungestraft an.