Tichys Einblick
Nicht auf dem Stimmzettel

Elke Twesten – Retterin der SPD

Offensichtlich hat jemand die Wahl entschieden, der am Sonntag gar nicht auf dem Stimmzettel stand: die von den Grünen zur CDU gewechselte Abgeordnete Elke Twesten.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Die Niedersachsen haben gewählt. Die SPD ist wieder stärkste Fraktion, Rot-Grün wurde abgewählt, die AfD ist auch im 14. Landtag drin. Aber die Erde hat nicht gebebt. Eigentlich wars eine ganz normale Landtagswahl: Der Titelverteidiger hat mit seinem Amtsbonus gepunktet und die Blütenträume des Herausforderers haben sich nicht erfüllt. So was kommt häufig vor.

Nicht wenige Kommentatoren sehen in dem Ergebnis von Hannover einen Ausläufer der Bundestagswahl von vor drei Wochen. Aber die Interpretation, Bernd Althusmann habe wegen Angela Merkel verloren, ist nicht ganz schlüssig. Natürlich hat die politische Großwetterlage der Union in Niedersachsen nicht geholfen. Doch für die SPD siehts im Bund genauso traurig aus, auch wenn Martin Schulz sich selbst gefeiert hat, als habe er in Niedersachsen auf dem Stimmzettel gestanden. Gleichwohl haben die Genossen zugelegt.

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Offensichtlich hat jemand die Wahl entschieden, der am Sonntag gar nicht auf dem Stimmzettel stand: die von den Grünen zur CDU gewechselte Abgeordnete Elke Twesten. Die wollte sich noch im Mai von den Grünen erneut aufstellen lassen. Aber erst nach ihrer innerparteilichen Niederlage entdeckte sie plötzlich tiefgreifende Differenzen mit der eigenen Partei und obendrein eine ideologische Nähe zur CDU. So jemand kann sich für die berühmten 15 Minuten im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit sonnen. Aber eben nicht als Heldin, sondern als prinzipienlose Karrieristin.

Nun war und ist die CDU nicht für das Verhalten der Ex-Grünen verantwortlich. Die Eile und die Begeisterung, mit der die Union die Überläuferin bei sich aufnahm, warf jedoch auf Althusmann und die Union ein schlechtes Licht. Niemand liebt Verräter. Und viele Menschen lehnen auch Politiker und Parteien ab, die mit Verrätern Geschäfte machen – und das offenkundig gerne.

Für Ministerpräsident Stephan Weil war der Parteiwechsel Twestens ein Geschenk der besonderen Art. Er ging voll ins Risiko, führte vorgezogene Neuwahlen herbei und nutzte den Fall, der CDU den moralischen Spiegel vorzuhalten. Das war zudem für ihn und die SPD so hilfreich, weil die Gerüchte über angebliche Zusagen der CDU, Twesten werde für ihren „Verrat“ fürstlich zu belohnen, so herrlich ablenkten von den Betrügereien bei Volkswagen: den Mauscheleien zwischen Management und Betriebsrat sowie der obszönen Selbstbedienungsmentalität der VW-Oberen. Das hätte für den VW-Aufsichtsrat Weil gefährlich werden können. Schließlich ist der staatlich-gewerkschaftlich-sozialdemokratisch geformte und beherrschte Konzern aus Sicht der SPD ein Muster-Kombinat. Da kam die Überläuferin gerade recht.

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Spaßvögel haben noch in der Wahlnacht den Vorschlag gemacht, in der SPD-Zentrale in Berlin neben der überdimensionierten Willy-Brandt-Skulptur eine Twesten-Statue aufzustellen – mit der Inschrift „Retterin der Sozialdemokratie“. Schließlich dürfte Weil Ministerpräsident bleiben. Der glücklose Martin Schulz, bei der Landtagswahl eher versteckt als eingesetzt, konnte zudem seine gefährdete Position an der SPD-Spitze stabilisieren – vorerst jedenfalls.

Althusmann eignete sich ebenfalls als Figur im Willy-Brandt-Haus an der Seite von „Willy“. Hätte er geschickter taktiert und Twesten nicht mit offenen Armen aufgenommen, hätte Twesten als fraktionslose Abgeordnete Rot-Grün ebenfalls um die Mehrheit gebracht. Aber die SPD hätte die CDU nicht als Hauptbeteiligte der Schmuddelgeschichte darstellen können. Die CDU in Hannover hat sich also kräftig verzockt. Der Gegenwind, den Althusmann beklagt, kam eben nicht nur aus Berlin; er war zum Teil hausgemacht. So was kommt eben von so was.