Tichys Einblick
Mein Wunschzettel fürs Christkind

Ein Land, in dem man wirklich gut und gerne leben möchte

Ich würde gerne in einem Land leben, in dem sich 2019 manches verändert – damit man hier wirklich gut und gerne leben kann.

Liebes Christkind,

mit den Weihnachtswünschen ist das ja so eine Sache. Eigentlich haben die meisten von uns, was sie brauchen. Oder sie kaufen es sich dann, wenn sie es brauchen, warten also nicht bis Weihnachten. Das führt dann zu ausgefallenen Weihnachtswünschen wie einem Fallschirmabsprung, einem Selbstfindungsseminar oder einem Urlaub in einem „Boot camp“, in dem Schreibtischhelden sich als echte Männer fühlen dürfen.

Ich brauche eigentlich nichts; keine neue Krawatte und auch keinen Gutschein für eine Session in einem Beauty-Salon für alte weiße Männer. Aber ein paar Wünsche hätte ich doch – nicht für mich persönlich, sondern für unser Land. Nicht, weil ich besonders selbstlos wäre. Im Gegenteil: Ich denke hier sehr wohl an mich. Ich würde nämlich gerne in einem Land leben, in dem sich 2019 manches verändert – damit man hier wirklich gut und gerne leben kann. Hier also mein politischer Wunschzettel.

Ich wünsche mir

  • eine Gesellschaft, die tolerant genug ist, unterschiedliche Meinungen zu ertragen, statt jeden auszugrenzen, der nicht im politisch-korrekten Mainstream mitschwimmt;
  • ein Diskussionsklima, in dem man von der Mehrheitsmeinung abweichen kann, ohne mit der Faschismus- bzw. Extremismus-Keule erschlagen zu werden;
  • eine Bundesregierung, die mehr Ehrgeiz hat, als nur irgendwie den Wahltermin 2021 im Amt zu erreichen;
  • eine Koalition, die Schluss macht mit der Illusion, man könne das derzeitige Rentensystem ohne Verlängerung der Lebensarbeitszeit finanzieren;
  • einen Wirtschaftsminister, der sich an den Satz von Ludwig Erhard erinnert, dass man sich in der Politik bisweilen gegen den Geist der Sozialen Marktwirtschaft „versündigen“, aber sich seiner „Sünden“ wenigstens bewusst sein müsse;
  • eine Union mit einem klaren Profil statt einem grün imprägnierten, sozialdemokratisch angereicherten, demoskopisch abgesicherten Wohlfühlangebot;
  • eine SPD, die sich an den Bedürfnissen breiter Bevölkerungsschichten orientiert und nicht an den ideologischen Verirrungen ihres Funktionärscorps;
  • Grüne im Bund, die sich etwas vom Pragmatismus ihrer baden-württembergischen und hessischen Parteifreunde abschauen;
  • Bürger und Wähler, die sich die Mühe machen, die Parolen der AfD zu durchschauen – als Mischung aus nationalkonservativen, rechtspopulistischen, völkischen rassistischen Positionen;
  • eine ehrliche Bestandsaufnahme über den Beitrag der seit 2015 ins Land gekommenen Asylsuchenden, Schutzsuchenden und Illegalen zur Wirtschaftsleistung und die Kosten für ihre Versorgung – bis hin zur Grundsicherung im Alter;
  • eine Integrationspolitik, die darauf abzielt, dass die sich integrieren die zu uns kommen – nicht umgekehrt;
  • ein Minderheitenschutz, der Minderheiten schützt, nicht die Mehrheit dazu zwingt, sich den Minderheiten anzupassen;
  • ein Gesundheitssystem, von dessen Milliarden mehr denen zugute kommt, die dort unverzichtbar sind: den Pflegekräften und Therapeuten.
  • Bankvorstände, die sich nicht als Zocker und persönliche Profitmaximierer verstehen, sondern als volkswirtschaftliche Dienstleister;
  • Manager, die den Betrug am Kunden nicht als Bestandteil ihres Geschäftsmodells sehen – in der Automobilindustrie wie in anderen Branchen;
  • öffentlich-rechtliche Medien, die die Bürger informieren und nicht indoktrinieren wollen;
  • Zeitungen, die ganz altmodisch zwischen Nachricht und Kommentar unterscheiden, statt den Lesern einen Meinungsbrei vorzusetzen;
  • eine Online-Plattform, auf der alle, die im „Spiegel“ erwähnt werden, Woche für Woche richtig stellen können „was ist“ – im Gegensatz zu manchen Behauptungen des „Spiegel“;
  • Klarnamen-Zwang für Twitter und alle „Social Media“, um anonymen Pöblern die Plattform zu entziehen.

Liebes Christkind,

Ich weiß, das ist ein bisschen viel auf einmal. Ich bin auch nicht enttäuscht, wenn nicht alle meine Wünsche in Erfüllung gehen. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und wann, wenn nicht an Weihnachten, ist Hoffnung angesagt (auch wenn viele Feier-Biester das längst vergessen oder nie erfahren haben)?

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten.