Tichys Einblick
Dorothee Bär

Sie hat Flugtaxi gesagt

Flugtaxis werden ein Bestandteil unserer mobilen Zukunft sein. Die Digitalisierung macht sie effektiver. Dorothee Bär hat das korrekt erkannt.

© Ethan Miller/Getty Images

Feiern sollte man die Augenblicke, in denen eine Regierung technologische Trends nicht nur registriert, sondern auch noch mit Weitsicht in ihre Agenda integriert. Denn allzu selten ist solches in den vergangenen Jahren geschehen. Nun aber hatte Dorothee Bär von der CSU ihren lichten Moment. Und das ausgerechnet im ZDF, ausgerechnet im heute journal (Ausgabe vom 05.03.2018), ausgerechnet in einem Interview mit Marietta Slomka, also genau unter den Umständen, unter denen man dergleichen am wenigsten erwartet. Es gelang der designierten Staatsministerin für Digitales der wie üblich aggressiv unterbrechenden Moderatorin genug Redezeit abzuringen, um die Digitalisierung mit autonomen Autos in Verbindung zu bringen. Und mit fliegenden. „Habe ich die Möglichkeit, auch zum Beispiel mit einem Flugtaxi durch die Gegend zu können?“ Ja, das hat sie gesagt. Im deutschen Fernsehen. Wo Zukunft sonst nur als Energiesparversion der Gegenwart vorkommt. Ja, ausgerechnet auf dieser Plattform hat sie wirklich das Wort „Flugtaxi“ gebraucht.

Seitdem ergießt sich Hohn aus den sozialen Medien über die Politikerin. Bei Twitter sprang der Hashtag #Flugtaxi sogar in die Liste der Deutschland-Trends. All die Spötter aber vergessen: Wer die Zukunft will, muss sie auch in seinem Denken zulassen. In dieser Hinsicht scheint Dorothee Bär vielen blickfeldreduzierten Digitalnaiven voraus zu sein. Die Antwort auf die Frage, was denn bitteschön Flugtaxis mit der Digitalisierung zu tun haben, lautet nämlich: Alles.

Flugtaxis weisen einen entscheidenden Vorteil gegenüber vielen anderen Ideen zur Zukunft der Mobilität auf. Sie benötigen keine neue physische Infrastruktur. Manchen Konzepten genügen Dächer, Parkplätze oder Rasenflächen für Start und Landung. Andere wiederum sind auf kleine Flugplätze angewiesen, von denen es aber mehr als 500 allein in Deutschland gibt. Im unkontrollierten Luftraum darf man hierzulande herumfliegen, wie man will. Noch.

Teil 4 der Serie zur Zukunft der Mobilität
Das fliegende Auto
Denn wenn der Individualverkehr in der Luft tatsächlich substantiell wächst, braucht es eben doch definierte Verkehrswege und -regeln. Die man nur virtuell erzeugen und festlegen kann. Was zudem flexibel und dynamisch möglich ist. Je nach Verkehrsaufkommen staffelt man Personen- und Frachtdrohnen einfach dichter, je nach Verkehrsaufkommen ändert man Routen, Geschwindigkeitsvorgaben und Vorfahrtsbedingungen. Ein menschlicher Pilot bekäme in sein Sichtfeld auf der Frontscheibe seinen Flugkorridor eingeblendet, einem steuernden Rechner würde dieser direkt übermittelt. Unmengen an Daten sind in hoher Taktung jederzeit verlässlich zu übertragen, um die Bewegung von Menschen und Gütern in der dritten Dimension sicher und komfortabel zu gestalten. Es geht um Positionen, Flugziele, Flughöhen, Fluggeschwindigkeiten, Wetterbedingungen, Energiebedarfe und technische Zustandsdaten, um nur einige zu nennen. Flugtaxis werden miteinander und mit einem zentralen Verkehrsmanagement kommunizieren, um Kollisionen oder Abstürze ebenso zu vermeiden, wie allzu große Belästigungen hinsichtlich Lärm oder Emissionen. Genau dafür braucht es ein flächendeckendes Hochgeschwindigkeitsnetz, vor allem kabellos natürlich. Und wie das so ist bei Innovationen, bedingen und befördern fliegende Autos und breitbandige Informationsübertragung einander.

Wer über Flugtaxis nachdenkt, berücksichtigt implizit Fortschritte in der Aerodynamik, in der Avionik, bei neuen Materialien und Leichtbaukonzepten, bei effizienten Antriebssystemen, in der Mensch-Maschine-Schnittstelle und der Automatisierung, die ohne die rasanten Entwicklungen bei Hard- und Software nicht möglich gewesen wären. Das fliegende Auto ist ein cyberphysikalisches System, das sich, unterstützt von künstlichen Intelligenzen, in einem durch Datenströme strukturierten und organisierten Raum bewegt. Das Flugtaxi stellt die perfekte Symbiose aus Maschinenbau und Digitalisierung dar. Etwas, dessen Erschaffung unsere Ingenieure anstreben sollten, will Deutschland als Industrienation im globalen Wettbewerb bestehen.

Wem das zu abstrakt erscheint, der mag sich vielleicht den zurzeit in Dubai im Testbetrieb befindlichen Volocopter näher anschauen, dessen Entwicklung Daimler und Intel fördern. Oder vergleichbare Personendrohnen, wie sie der chinesische Hersteller Ehang und das französische Startup EAC jüngst vorgestellt haben. Ideen, die selbst die Phantasien großer Konzerne wie Airbus beflügeln, das mit Hochdruck am Vahana arbeitet. Solche Multikopter zielen vor allem auf die Kurzstreckenmobilität innerhalb von Ballungszentren. Für Mittel- und Langstrecken eignen sich die Flächenflieger der deutschen Startups Lilium und Carplane ebenso, wie das slowakische Aeromobil und der amerikanische Transition. Der Entwickler des letzteren, Terrafugia, wurde übrigens vor einigen Monaten vom neuen Daimler-Großaktionär Geely gekauft. Drehflügler wie den Tragschrauber, dessen marktführender Hersteller AutoGyro ebenfalls in Deutschland beheimatet ist, sollte man auch nicht unterschätzen. In den Niederlanden entstand auf Basis dieses technischen Prinzips der PAL-V.

Flugtaxis auf der Aero 2017, links oben der EAC Whisper, rechts oben der Autogyro Cavalon mit Radnabenantrieb für die Straßenfahrt, unten der Volocopter 2X

Eine Zukunft, in der es keine Flugtaxis gibt, ist offensichtlich sehr unwahrscheinlich geworden. Dies belegen die Anzahl an Projekten in einem fortgeschrittenen Stadium und die technische Bandbreite der Systeme, die bereits erprobt wurden. Die aufgeführten Beispiele bieten in dieser Hinsicht bei weitem noch keinen vollständigen Überblick.

Für alle Pioniere, die bereits jetzt ein fliegendes Auto in der klassischen Variante verwenden wollen, also als Vehikel auf vier Rädern, das fliegen und fahren kann, bietet die Firma FreshBreeze den Cross-X an. Gut, das Gerät ist was für schönes Wetter, für Enthusiasten und Abenteurer, aber hat nicht noch jede bahnbrechende Innovation auf diese Weise ihren Siegeszug begonnen? Auch das konventionelle, bodengebundene Automobil startete einst als Sport- und Freizeitgerät mit äußerst bescheidenem Komfort. Die ersten Digitalrechner waren Geräte mit sinnreich auf unterschiedlichen Achsen angeordneten, manuell verschiebbaren Kugeln. An der Kombination dessen, was diesen beiden Wurzeln entsprang, wird heute intensiv und erfolgreich gearbeitet. Und die Nachkommen von Ideen, die sich miteinander paaren, bieten häufig neue Möglichkeiten. Sich darüber lustig zu machen, ist vor allem einen Zeichen von Ignoranz.

Die Digitalisierung mit schnellen Internetzugängen gleichzusetzen, bedeutet, sie auf einen besseren Vertriebskanal für die Spiele- und Filmindustrie zu reduzieren. Das mag manchen, die sich über Flugtaxis amüsieren, vielleicht sogar genügen. Die Digitalisierung aber ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Sie ist der Humus, auf dem bahnbrechende Innovationen zur Bedarfsbefriedigung wachsen können. Die Eroberung der dritten Dimension für den motorisierten Individualverkehr fällt zweifellos unter diese Kategorie. Dorothee Bär scheint dies zumindest zu ahnen.

Was ein echter Lichtblick wäre.