Tichys Einblick
Ohne Kohle bald nix mehr los

Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 67 – Kohlekommission

„Und wenn ich mal nicht weiter weiß, dann gründe ich `nen Arbeitskreis“, so der geflügelte Reim, wenn wieder irgendwo eine Kommission ins Leben gerufen wird. Oft ist sie nötig, um vorhergegangene Fehler aufzuklären. Es gibt beispielsweise Havariekommissionen oder Untersuchungsausschüsse. Oft ist aber Ratlosigkeit der Entscheider der Entstehungsgrund.

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Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

K wie

Kohlekommission, die

Der Begriff ist lateinischen Ursprungs („comissio“) und steht für „Vereinigung“ oder „Verbindung“. Veraltet ist die Verwendung als Bezeichnung für „anvertrauen“ oder „beauftragen“. Kaum sagt man heute noch, jemand wolle etwas „in Kommission“ verkaufen. Dennoch fühlen wir uns bei der Kohlekommission irgendwie verkauft.
Selten gab es vor der Einsetzung einer Kommission so viel politisches und mediales Theater wie bei der nunmehr berufenen umgangssprachlich genannten Kohlekommission. Ihre offizielle Bezeichnung lautet „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ und könnte grundsätzlich für alles zuständig sein, was Wirtschaft und Gesellschaft betrifft. Regierungsamtlich soll damit gezeigt werden, dass man die Folgen zu berücksichtigen gedenkt, wenn Kohlestrom mit Terminsetzung verboten werden sollte.

Dem ökolinksgrünen Komplex schwebt vor, durch diese Kommission in Analogie zur Ethikkommission 2011 ein Kohleausstiegsgesetz mundgerecht begründet zu bekommen. Konnte man beim Atomausstieg noch auf manifestierte Angst vor dem Massentod setzen, funktioniert dies bezüglich des Kohleausstiegs nicht. Zum einen ist ein schneller Tod durchs Klima nicht abzusehen, zum anderen schwant auch den mit der Materie weniger befassten Mitmenschen, dass man neben der Kernkraft nicht auch fast gleichzeitig noch weitere knapp 40 Prozent des Stromaufkommens folgenlos plattmachen kann. Der Gedanke, mit einem deutschen Kohleausstieg die Welt retten zu können, lässt sich nicht wie beim Atom durch ein Panikinstrument stützen.

Sollte die Ethikkommission vor allem moralisch-philosophische Ansätze als Begründung für das Atom-Aus liefern, wird jetzt ein ganzheitlicher Ansatz gesucht, der alle Folgen berücksichtigt und Ökonomie und „Klimaschutz“ harmonisch eint.
Wurden die Stuhlreihen der Ethikkommission 2011 vor allem von Klerikalen und Geisteswissenschaftlern besetzt (die übrigens den Neubau von Kohlekraftwerken wegen wegfallendem Atomstrom für nötig hielten), soll nunmehr auch Fachverstand in der Kommission vertreten sein.

Das ist, wenn man die Zusammensetzung sieht, nur teilweise der Fall, aber Ziel ist ja auch ein politischer Konsens. Einer der vier Vorsitzenden ist Roland Pofalla, bei der Bahn offenbar unterbeschäftigt und für seine umgänglich sympathische Art bekannt. Er wird schon kommunizieren, wenn ihm eine „Fresse“ am Tisch nicht passt. Neben Matthias Platzeck und Stanislaw Tillich als ehemaligen Ministerpräsidenten von Kohleländern wird die Vorsitzendenrunde durch die nachhaltige Professorin Barbara Praetorius komplettiert. Sie arbeitete für das DIW, Agora Energiewende und besetzt derzeit einen Lehrstuhl für Umwelt- und Klimaökonomie. Ihr schlichtes Credo ist ein schnelles Kohle-Aus und Ersatz durch mehr Wind- und Sonnenstrom, also grüne Einfalt in Reinform.

Grüne Kommissare

Die Vertreter von Greenpeace, BUND und Artverwandte bilden den Background-Chor der CO2-fixierten „Abschalten“-Rufer. Es finden sich eine Gerechtigkeitsforscherin sowie Antje Grothus, die nebenbei Strom für Greenpeace-Energy verkauft und von einer Bürgerinitiative kommt. Die Rolle Professor Schellnhubers ist offensichtlich. Er ist für das ganz große Rad zuständig und wenn seine „Große Transformation“ schon nicht kommt, dann ist der deutschnationale Kohleausstieg aber das Mindeste. Eines eint die Phalanx der Ausstiegsbefürworter, abgesehen von den einschlägigen Politikern: Sie sind in keiner Weise demokratisch legitimiert und sorgen dafür, dass die Kommission nicht die Mehrheitsmeinung der Gesellschaft spiegelt. Zudem sind Grüne, Greenpeace und Anti-Kohle-Initiativen bekannt für ihre unterstützende Toleranz gegenüber der Gewalt linksextremer Gruppen, die wie unlängst am Tagebau Hambach ihre Straftaten weitgehend folgenlos begehen können.
NGOs der anderen Seite (Pro Lausitz e.V., Unser Revier) hatten keine Chance zur Teilnahme.

Ziel der Anti-Kohle-Bank ist der schnellstmögliche Kohleausstieg, ungeachtet jeglicher Folgen. Sie will die Kommission in ihrem Krieg gegen die Kohle instrumentalisieren. Es herrscht die feste Überzeugung, mit Geld seien alle Probleme zu lösen, dieses sei in großen Mengen vorhanden und würde es auch immer bleiben. Beschwichtigungen, alles solle sozialverträglich ablaufen, werden konterkariert durch Forderungen zur Sofortabschaltung von sieben Gigawatt, was in den zum Glück unvollendeten Jamaika-Verhandlungen so gut wie ausverhandelt war.
Dass ein schnellerer Ausstieg umso teurer wird, ist für diese Fraktion kein Problem. Der wirtschaftliche Hintergrund von Braunkohletagebauen besteht aber darin, dass man diese nicht beliebig zeitnah herunterfahren kann. Würde zwangsabgeschaltet, gäbe es nicht die in den Betriebsplänen festgelegten Endreliefs der Gruben, die Basis für die Rekultivierung sind. Offene Tagebaue mit enormen Folgekosten für den Steuerzahler wären die Folge, denn die Betreiber könnten durch den eingestellten Geschäftsbetrieb auch kein Geld mehr für den toten Bergbau abführen.

An der anderen Seite des Tisches sitzen auch Realisten. Stefan Kapferer vom BDEW warnt vor dem sich abzeichnenden Kapazitätsmangel, ein Punkt, den Wirtschaftsminister Altmaier offenbar noch nicht zur Kenntnis genommen hat. Der fabuliert lieber über Offshore-Windkraftanlagen als „Kathedralen der Energiewende“ und möchte „Arbeitsplätze zu den Menschen bringen“. Realitätssinn geht anders.
Sachkunde bringt auch Michael Vassiliades mit. In seiner als Konsensgewerkschaft bezeichneten IG BCE ist mehr Energiewissen versammelt als in der ganzen Bundesregierung. Zudem ist hier bekannt, dass man im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interesse eine Kuh melken muss und sie nicht für eine global irrelevante Emissionsminderung schlachten sollte.

Wer die Musik bestellt, in diesem Fall abbestellt, muss zahlen. Wer politisch den Abschaltknopf in Anlagen drückt, die immer noch halbwegs am ramponierten deutschen Strommarkt klarkommen, muss für Ersatz sorgen. Das gilt nicht nur für entfallenden verlässlichen Strom, sondern auch für die wirtschaftlichen Folgen in den Regionen. „Ein Gigawatt für ein Gigawatt“ tönt es von dort und meint den Ersatz an Wertschöpfung und Arbeitsplätzen.

Ahnungslose Abschalter

Politik schafft keine Arbeitsplätze, diese Weisheit ist so alt wie der Kapitalismus. Sie kann aber wohl Arbeitsplätze vernichten. 3.600 sind es deutschlandweit allein durch die so genannte „Sicherheitsbereitschaft“ von Braunkohlekraftwerken. In der Lausitz entfallen durch die Reservestellung eines einzigen 500-MW-Blockes zum Jahresende etwa 1.600 Stellen von direkt Beschäftigten und bei Dienstleistern. Dazu kommen Stellenverluste bei Bertelsmann, Siemens, Bombardier und der DB Instandsetzung. Spärlich blühende Landschaften im Osten beginnen zu welken.

Alle grünen Zukunftsträume bleiben dagegen ohne Termin. Wunschvorstellungen von baldigen Arbeitsplatzzuwächsen durch wie auch immer geartete Stromspeicher oder Wasserstoffinfrastrukturen oder E-Mobiliät oder Künstliche Intelligenz bleiben so fern der Realitäten wie eh und je. Ein gewisses Maß natürlicher Intelligenz wäre hilfreich.

Am Ende der Kommissionsarbeit soll eine Jahreszahl stehen. Medial geht es aber nur um CO2 und Arbeitsplätze. Die wichtigsten Punkte, Versorgungssicherheit und Strompreise, werden schmählich ignoriert. Die Realisten in der Kommission sollten weitere Jahreszahlen festschreiben lassen. Ab wann und in welcher Menge liefern die „Erneuerbaren“ verlässlichen Strom?

Das Kommissionsziel ist nicht weniger als eine Quadratur des Kreises. Wirtschaftliche Prosperität und „Klimaschutz“ sollen harmonisch geeint werden. Wie viele Arbeitsplätze entfallen pro eingesparter Tonne CO2 und sind an anderer Stelle staatlich finanziert zu schaffen? Wie hoch sind die CO2-Vermeidungskosten eines gewaltsam zu nennenden Ausstiegs? Weiteres Geld braucht die Finanzierung der Netzreserve, der systemstabilisierenden konventionellen Kraftwerke. Ab 2023 wird die Decke kurz.

Die fälschlich als „Klimaziele“ bezeichneten deutschen Emissionsziele für 2020 werden nicht erreicht, die für 2030 sind unrealistisch. Selbst wenn ein zügiger Kohleausstieg im Energiesektor kommen würde, fehlen die Minderungen im Bereich Gebäude und Verkehr. Die Abkehr vom Diesel und die Zuwendung zum Benziner werden die CO2-Emissionen steigen lassen. Gebäudedämmung funktioniert dauerhaft nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht per Befehl.
Egal, welche Minderungsziele verfügt werden, es fehlt die Angabe, wie viele Grad Erderwärmung wir damit vermeiden würden.

Das Jahr 2019 droht mit Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Schwere Zeiten für die Landespolitiker, die noch an der Macht sind.
Vielleicht hilft die Gründung einer Kommission gegen den Populismus naturwissenschaftlicher Gesetze, nicht eintretende Klimaprognosen und eine renitente Bevölkerung.


Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop