Tichys Einblick
Steuersatz je nach "Klimawirkung"

Robert Habeck erwägt die „klimafreundliche“ Mehrwertsteuer auf Nahrung

Die Forderungen nach Senkung der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel haben den Bundeswirtschaftsminister offenbar auf eine Idee gebracht: Nicht die Inflation, sondern die "klimafreundliche Ernährung" soll Anlass für Steuervergünstigungen sein.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Ankunft zur Klausurtagung in Schloss Meseberg, 03.05.2022

IMAGO / Christian Spicker

Die Grünen und vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck sind wahrlich nicht ungeschickt darin, die Folgen des Ukrainekrieges und andere Krisen für ihr Kernthema Klimaschutz auszunutzen – und damit zur eigenen Profilierung. Neuestes Beispiel: Die Debatte um die Senkung der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel. Sie kam auf wegen der stark steigenden Preise. Aber statt der Schonung der Konsumenten vor der Wirkung der galoppierenden Inflation macht Habeck nun zum Zweck einer möglichen Reform der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel den Wunsch, den Konsumenten eine „klimafreundlichen Ernährung“ nahezulegen. Laut einem Entwurf für das „Klimaschutz-Sofortprogramm 2022“, über den Bild (Dienstagsausgabe) berichtet, will Habeck prüfen, „die Mehrwertsteuersätze für Lebensmittel entsprechend ihrer Klimawirkung anzupassen“. Es gehe darum, die Verteilungswirkungen zu prüfen und auf soziale Ausgewogenheit zu achten. 

In der bisherigen Ankündigung des Ministeriums für das Klimaschutz-Sofortprogramm, das bis Ende des Jahres vorliegen soll, spielen Nahrungsmittel und eine angestrebte Lenkungswirkung noch keine Rolle. Seit Kriegsbeginn waren angesichts der dramatisch steigenden Preise Forderungen von Sozial- und Verbraucherverbänden laut geworden, die Mehrwertsteuer zumindest für bestimmte Lebensmittel des täglichen Bedarfs auf Null zu setzen oder zumindest deutlich zu senken. Ende April hatten sich in einer Umfrage 77 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, die Mehrwertsteuer für Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf Null zu senken. 15 Prozent lehnen dies ab, 8 Prozent machten keine Angabe. 

"Übergewinn-Steuer" für Unternehmen
Mit Ricarda Lang fröhlich in die Kriegssteuer
Doch die Rufe stießen bei der Bundesregierung auf taube Ohren. In dem sogenannten Entlastungspaket vom 27. April waren nur Einmalzahlungen für besonders betroffene Haushalte, aber keine generelle Mehrwertsteuersenkung enthalten. Ausgerechnet Finanzminister Christian Lindner, Vorsitzender der selbst erklärten Steuersenkungspartei FDP hielt die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel für nicht notwendig.

Interessanterweise hatte Habeck im Gegensatz zu Lindner auf journalistische Nachfragen einer Mehrwertsteuersenkung keine eindeutige Absage erteilt – vermutlich schon mit den jetzt bekannt gewordenen Plänen im Hinterkopf. Offenbar haben die Forderungen ihn auf eine Idee gebracht, die er nun aber unter der grünen Überschrift Klimaschutz und in Form des „Nudging“ anzuwenden gedenkt: also der staatlichen Beeinflussung des Verbraucherverhaltens im Sinne politischer Gestaltungswünsche. 

Dass es grüner Steuerpolitik keinesfalls darum geht, Bürger oder Unternehmen einfach nur zu entlasten und ihnen einen größeren Teil des Einkommens oder Gewinns zur freien Verfügung zu überlassen, machte schließlich auch Grünen-Chefin Ricarda Lang mit ihrem Ruf nach einer Kriegssteuer deutlich, die sie euphemistisch vernebelnd „Übergewinnsteuer“ nennt: „Wenn es offensichtlich ist, dass einige Konzerne wissentlich und vor allem übergebührlich am Horror dieses Krieges verdienen, dann sollten wir doch eine Übergewinnsteuer einführen, die genau dem aktiv entgegenwirkt.“

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