In Irland und Großbritannien genießt gerade der frühere irische Diplomat Ray Bassett große Aufmerksamkeit. In einem Buch spricht er deutlich aus, was seit dem Brexit als Entwicklung absehbar ist: „Trotz des kurzfristigen, überspannten Benehmens der Trump-Regierung ist das Entstehen einer englischsprachigen nordatlantischen Handelszone sehr wahrscheinlich, die die USA, Kanada und Großbritannien umfasst.“ („Despite the short-term quixotic behaviour of the Trump administration, there is every possibility of the emergence of an Anglophone North Atlantic free trade area, encompassing the USA, Canada and Britain.“) Basset plädiert dafür, dass sich auch Irland dieser englischsprachigen Allianz anschließen solle.
Dass Donald Trump es will, ist kein Geheimnis: Ein Freihandelsblock mit dem einstigen Mutterland Großbritannien ist schon länger sein erklärtes Ziel. Nach Boris Johnsons Wahlsieg im Dezember 2019 twittert der Präsident: „Britannien und die Vereinten Staaten werden jetzt frei sein, einen großen neuen Handelsvertrag zu schließen nach dem BREXIT. Dieser Deal hat das Potential viel größer und lukrativer zu sein als jeder Vertrag mit der EU.“
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) December 13, 2019
Trump neigt zu großspurigen Superlativen. Aber er dürfte hier richtig liegen. Die USA sind schließlich wirtschaftlich (und sicherheitspolitisch erst recht) ein größerer Partner als die EU. Die USA erwirtschafteten laut Weltbank 2019 ein Bruttoinlandsprodukt von 21,428 Billionen Dollar. Das der EU (inklusive UK) entsprach 2019 nur 15,593 Billionen Dollar.
Letztlich dürfte auch kaum entscheidend sein, ob nun Trump US-Präsident bleibt oder nicht. Zwar wird Johnson oft als eine Art Miniatur-Trump verspottet. Aber aus Londoner Regierungskreisen wird auch berichtet, dass Johnson sich von einem Präsidenten Joe Biden weniger turbulente, unkompliziertere Verhandlungen erwarte. Das könnte durchaus realistisch sein. Biden könnte wohl eher ein Auge zudrücken als Trump, wenn es etwa um den britischen Marktzugang für den chinesischen Netzausstatter Huawei oder andere Interessendivergenzen geht.
Der Brexit wird eines nicht allzu fernen Tages wohl nicht mehr als fataler Irrtum eines renitenten Inselvolkes, sondern als Korrektur eines nur einige Jahrzehnte andauernden Holzwegs der britischen Geschichte erkannt werden. Und vermutlich werden sich irgendwann auch die beiden anderen großen Nachfolgestaaten des britischen Weltreichs, Australien und Neuseeland, der anglophonen Handels-Allianz anschließen. Dann wäre auch handelspolitisch vollzogen, was auf anderen Feldern, vor allem der Sicherheitspolitik, schon längst praktiziert wird: ein enger Schulterschluss der USA mit dem Vereinigten Königreich und den früheren britischen Dominions Kanada, Australien und Neuseeland, der sich etwa in der halboffiziellen Geheimdienstkooperation „Five Eyes“ manifestiert.
In Washington und London gibt es immer noch genug Handelnde an den entscheidenden Stellen, die instinktiv wissen, welche internationalen Verbindungen im Ernstfall einigermaßen belastbar sind. Im Gegensatz zu Berlin, wo allein schon das Nachdenken über solche Fragen als unanständig betrachtet wird.