Tichys Einblick
Negativer Ölpreis

Der Ölpreis stürzt – aber der Strompreis steigt wegen EEG-Sozialismus

Die Ölnachfrage ist so gering, dass die Tanks fast voll sind und Spekulanten dafür bezahlen, das Öl nicht selbst lagern zu müssen. Genauso absurd ist aber, dass in Deutschland trotzdem wohl der Strompreis steigen wird, dank EEG-Umlage. Die Coronarezession legt den ganzen Unsinn der Energiewendepolitik offen.

Wir leben wahrlich in außergewöhnlichen Zeiten: Der Preis für amerikanischen Rohöl-Sorte West Texas Intermediate (WTI) – die Benchmark für US-Rohöl – ist nicht nur abgestürzt sondern für Terminkontrakte sogar negativ geworden. Er fiel auf sage und schreibe Minus 37,63 US-Dollar pro Fass. Das gab es noch nie in der Wirtschaftsgeschichte. Absurd? Ja, aber erklärlich (siehe unten). Für Nicht-Ölhändler stellt sich vor allem die Frage: Können sich Verbraucher und Produzenten (so sie denn produzieren können und dürfen) in Deutschland nun auf generell niedrigere Energiepreise, vor allem Strompreise freuen? Wohl kaum. 

Aber zunächst zum Rohöl. Der akute Grund für den Preisverfall ist natürlich die weltweit eingebrochene Nachfrage aufgrund der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Aber schon zu Beginn des Jahres hatte die Ausweitung der Ölförderung in Russland und Saudi Arabien den Rohölpreis unter starken Abwärtsdruck gesetzt. Die Förderkürzung um 9,7 Millionen Fass pro Tag, die die „OPEC+“, also die Opec-Länder und Russland und die USA, Anfang April in Reaktion auf die Coronapandemie ausgehandelt hat, reicht offensichtlich nicht aus, um das globale Überangebot an Rohöl abzubauen. Denn die Nachfrage ist coronabedingt radikal zusammengebrochen. Fast alle Ölnachfrager – vor allem Industrie und Verkehr – arbeiten auf Sparflamme oder gar nicht.

Für den Monat April 2020 schätzt die Internationale Energie Agentur IEA den Nachfragerückgang auf 29 Millionen Fass pro Tag gegenüber dem Vorjahresmonat, also mehr als dreimal so viel wie die Förderdrosselung. Ende Januar 2020 kostete die Nordsee-Sorte Brent noch knapp 58 US-Dollar pro Fass, am 20. April 2020 lag ihr Preis bei nur noch 21,74 US-Dollar.

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Aber wie konnte es passieren, dass am 20. April der Preis für WTI sogar negativ wurde? An Terminbörsen wechseln nicht Ölfässer den Besitzer, sondern Terminkontrakte („Futures“), also Liefergarantien für eine festgelegte Warenmenge zu einem bestimmten Termin und Preis. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH, erklärt: „Der Mai-Futurekontrakt für WTI wird am 21. April 2020, fällig. Händler haben Kontrakte verkauft, um die physischen Lieferung zu vermeiden: weil befürchtet wurde, dass Käufer für das Rohöl ausbleiben und daher Kosten für die Lagerung (und hier gibt es bereits Engpässe) entstehen. Daher erschien es Future-Long-Händlern wirtschaftlich(er), die Abnehmer des Rohöls zu bezahlen. Der Preis des Juni-Futurekontrakts für WTI fiel zwar ebenfalls im Tageshandel stark, blieb aber oberhalb von 20 US$ pro Fass – ein Indiz, dass die Märkte zumindest derzeit den Preisverfall als eine vorübergehende Erscheinung einstufen. Allerdings ist der Terminmarkt, das sollte hier erwähnt werden, nur zu häufig kein verlässlicher Zukunftsschätzer.“

Für Autofahrer bedeutet das also leider nicht, dass sie nun fürs Tanken auch noch bezahlt werden. Aber immerhin sind die Preise an den Tankstellen schon deutlich gesunken.

Die Stromkosten dagegen wird der Nachfragerückgang nach Energie zumindest in Deutschland nicht mit nach unten ziehen, obwohl das eigentlich naheliegend wäre. Aber das Gegenteil ist zu befürchten. Denn dank des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) machen den deutschen Strompreis nicht Angebot und Nachfrage am freien Markt, sondern die staatlichen Energiewendeplaner mit ihrer Ökostromförderung. Die sorgt nämlich dafür, dass dauerhaft niedrige Großhandelspreise die EEG-Umlage in die Höhe treiben, damit die Betreiber von Solar-, Windkraft- und Biomasse-Anlagen auf ihre politisch gewollten Garantieeinnahmen kommen. 

Durchgerechnet haben das, wie die FAZ berichtet, die Berater von Enplify, einer Genossenschaft, die Industriebetrieben hilft, ihre Energiekosten zu optimieren. Bestenfalls, so die Ergebnisse ihrer Szenarien, bleibt die jährlich festgelegte EEG-Umlage auf dem gegenwärtigen Stand von 6,8 Cent je Kilowattstunde. Wenn aber der Strompreis im Großhandel noch lange niedrig bleibt – zwischen Januar und der ersten Aprilhälfte halbierte er sich – dürfte die EEG-Umlage im schlimmsten Fall sogar um 20 Prozent auf 8,3 Cent steigen. Und da sind geplante Entlastungen der EEG-Umlage (im Gegenzug zu den Einnahmen aus der geplanten CO2-Steuer) schon eingerechnet. Wenn die CO2-Steuer nun wegen Corona doch nicht kommt, wird der Verbraucher also beim Strom dafür umso mehr zur Kasse gebeten werden. 

EEG-Umlage festgemauert
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Eines zumindest dürfte nun bis auf weiteres ebenfalls auf einen Wert unter Null gefallen sein: die Überzeugungskraft eines viel verwendeten Arguments von Energiewende-Propagandisten wie Claudia Kemfert: Nämlich die Behauptung, mit erneuerbarer Energie zu staatlich festgelegten Garantiepreisen würden Unternehmen und Haushalte letztlich sehr viel günstiger wegkommen als mit fossilen Energieträgern, weil der Ölpreis mittel- und langfristig stark steigen werde. Kemfert hatte 2008 zum Beispiel 200 US-Dollar für ein Fass in zehn Jahren prophezeit.  

Die aktuelle Lage – einer bevorstehende Jahrhundert-Rezession, die ganze Wirtschaftszweige in ihrer Existenz gefährdet und allein in Deutschland Millionen Haushalte materiell schwächen wird, in Verbindung mit eingebrochenen Weltmarktpreisen für fossile Energieträger – zwingt geradezu den Gedanken auf: Runter mit der EEG-Umlage! Am besten ganz aussetzen!

Es ist weder moralisch noch ökologisch zu rechtfertigen, dass ausgerechnet jetzt, da Millionen Unternehmer und Angestellte um ihre ökonomische Existenz fürchten, die hochsubventionierte EEG-Branche weiter ihre Garantieeinnahmen einstreichen kann und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen ausgerechnet jetzt noch stärker schwächt als ohnehin schon und den von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit bedrohten Bürgern mit jeder Stromrechnung das Leben schwerer macht. Und was die ökologischen Ziele angeht: Die CO2-Emissionen werden „dank“ der globalen Corona-Rezession ohnehin in diesem Jahr deutlich zurückgehen. 

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