Tichys Einblick
Eine Regierung, die sich korrigiert!

Davon können Deutsche nur träumen: Spanien zahlt Corona-Bußgelder zurück

Spaniens Regierung erstattet nach einem Verfassungsgerichtsurteil freiwillig Corona-Bußgelder. Solche Selbstkorrektur ist der deutschen Politik fremd. Bußgelder sind für die ohnehin ein zunehmend beliebtes Mittel der Gängelung, wie der neue Bußgeldkatalog für Verkehrssünder zeigt.

IMAGO / IlluPics

Auf solch eine Nachricht wartet man in Deutschland wohl vergeblich. Der spanische Staat wird seinen Bürgern Corona-Bußgelder zurückerstatten, nachdem das Verfassungsgericht die zugrundeliegenden Beschränkungen von Freiheitsrechten (Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen und andere) im Juli teilweise für verfassungswidrig erklärt hatte. Geklagt hatte die Vox-Partei. 

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Mindestens ebenso bemerkenswert wie das Urteil ist aber die Reaktion der spanischen Regierung. Obwohl sie nicht verpflichtet ist, bereits rechtskräftige Bußgelder zurückzuerstatten, tut sie es dennoch. Die betroffenen Bürger (bis Mai 2021 wurden Pressemeldungen zufolge landesweit 481.969 Anzeigen bearbeitet und 172.482 Verfahren mit einem rechtskräftigen Bußgeldbescheid abgeschlossen) erhalten nun ihr Geld zurück – vor allem aber erfahren alle spanischen Bürger durch diesen Akt, dass ihre Regierung das Urteil annimmt.

Eine Regierung korrigiert sich selbst. So etwas gibt es noch! Allerdings nicht in Deutschland. Hier hat man von solcher Einsicht und Selbstkorrektur der Corona-Politik bislang nichts vernommen. 

Auch in Bayern hat der Verwaltungsgerichtshof die von Markus Söders Regierung im März 2020 verhängte Ausgangssperre am 6. Oktober für unwirksam erklärt. TE berichtete. Bei der Auswahl von Schutzmaßnahmen, so das Urteil, müsse „von mehreren gleich geeigneten Mitteln“ jenes gewählt werden, das die Grundrechte am wenigsten belaste. „Im vorliegenden Fall kämen als mildere Maßnahme Kontaktbeschränkungen im öffentlichen und privaten Raum in Betracht, da diese den Aufenthalt von Einzelpersonen im öffentlichen Raum unberührt lassen“, so die Richter.

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Aber im Gegensatz zur Regierung in Madrid ist die in München offenbar nicht bereit, das zu akzeptieren. Das zuständige Gesundheitsministerium will es besser wissen: Die Beschränkungen seien „vollumfänglich richtig“ gewesen. Ein Sprecher sagte dem BR, die Staatsregierung werde den Beschluss genau prüfen und schließe eine Revision nicht aus. Pikant: Diese Revision, von den bayrischen Richtern ausdrücklich zugelassen, würde vor dem Bundesverwaltungsgericht stattfinden. Und ein Urteil dort wäre dann eine bundesweite Grundsatzentscheidung zur Rechtmäßigkeit von harten Lockdowns.

Die Aufregung ist in Bayern und ganz Deutschland jedoch verpufft – wie schon nach anderen Gerichtsurteilen gegen Corona-Maßnahmen. Es gab keinen (medialen oder politischen) Druck auf Söder. Die Regierenden in München, den anderen Landeshauptstädten und Berlin können daraus also wohl den Schluss ziehen, dass Gerichtsurteile gegen ihre Corona-Politik nicht allzu ernst zu nehmen sind. Meine Prognose: Es wird keine Revision geben, das bayrische Urteil wird einfach im Archiv verstauben. 

Für die Kommunen, Hauptprofiteure von Bußgeldern in Deutschland, geht es um nicht wenig Geld. Allein Köln hatte nur bis zum Januar 2021 schon Buß- und Verwarngelder wegen Verstößen gegen die Corona-Auflagen in Gesamthöhe von 609.000 Euro eingenommen, wie der Kölner Stadtanzeiger berichtet. Für Frankfurt am Main bezifferte laut HNA eine Sprecherin des Ordnungsdezernats im Januar 2021 die Höhe der Bußgelder auf rund 900.000 Euro.

Aber es geht wohl nicht in erster Linie um die Einnahmen als solche, sondern um die Signalwirkung. Mit Bußgeldern und der Konsequenz ihrer Durchsetzung signalisiert der Staat den Bürgern, was ihm wichtig ist.

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Das zeigt er zum Beispiel auch in dem ab 10. November geltenden, deutlich verschärften Bußgeldkatalog für Regelverstöße im Straßenverkehr. Während der deutsche Staat etwa in der Anwendung des Zuwanderungsrechts oder bei der Verbrechensbekämpfung auch mal fünf gerade sein lässt, zeigt er sich gegen Verkehrsteilnehmer höchst konsequent. Falschparken zum Beispiel kostet künftig nicht mehr nur 15 sondern bis zu 55 Euro. 

Bezeichnend ist aber eine Neuheit im Katalog, die zeigt, dass auch die Knöllchenverteilerei künftig im Dienste der „Verkehrswende“ steht: Wer unberechtigt auf einem Parkplatz für elektrisch betriebene Fahrzeuge und Carsharing-Fahrzeuge parkt, muss nämlich mit einer Buße von 55 Euro rechnen. Umgekehrt gilt das wohlgemerkt nicht für Elektrofahrzeuge, die auf „normalen“ Parkplätzen stehen.

Da steckt noch viel Potenzial drin: Die Auszeichnung von Elektro-Parkplätzen könnte dereinst zu einem Hebel der Verkehrspolitik werden. Man muss dann nur noch den Anteil der Elektro-Parkplätze anheben, um es Verbrenner-Fahrern zunehmend ungemütlich zu machen. Und wer weiß, vielleicht stehen dann irgendwann Verbrenner-Fahrer im sozialen Status den Umgeimpften oder Maskenverweigerern nahe.

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