Tichys Einblick
Klimakonferenz

CO2-Kompensationen: Der Ablasshandel der Klima-Religion

Der Klimaschutz-Aktivismus nimmt immer deutlicher quasi-religiöse Erscheinungsformen an. Dazu zählt auch die Praxis von Ablass-Zahlungen für C02-Emissionen. Der Glaube an deren Heilswirkung ist aber schon erschüttert.

Kann man Sünden durch eine Ausgleichszahlung an eine Instanz ungeschehen machen? Die katholische Kirche behauptete dies vor einem halben Jahrtausend sehr glaubhaft: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“ Und Ablassprediger wie Johann Tetzel machten mit dem Verkauf entsprechender Zertifikate ein gutes Geschäft (natürlich nur zur Ehre Gottes, konkret zum Bau des Petersdoms in Rom). Das war bekanntlich der Anlass für einen empörten jungen Mönch und Theologieprofessoren namens Martin Luther, seine „95 Thesen“ zu veröffentlichen.  

Wenn man Sünden durch CO2-Emissionen und die Aussicht aufs Fegefeuer durch die drohende Klimakatastrophe ersetzt, kann man auch heute wieder eine Art von Ablasshandel erkennen. Angeboten werden die Zertifikate für ein reines Gewissen von Klimaschutzorganisationen wie Atmosfair oder Arktik. 

Geld oder Klima?
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So kann der moderne Wohlstandssünder weiter mit dem Flugzeug oder Auto reisen, ja sogar eine Kreuzfahrt machen, während Atmosfair oder Arktik mit dem gespendeten Geld irgendwo anders dem Klima etwas Gutes tun. So wie damals die (katholische) Kirche von den Sündern bezahlt wurde, um bei Gott für die Vergebung der Sünden zu sorgen oder auch arme Leute von reichen bezahlt wurden, um für sie zu beten, bezahlen nun Reisende andre Leute dafür, an ihrer Statt das Klima zu retten, indem sie Projekte zum Energiesparen durchführen oder in die Erzeugung von regenerativer Energie investieren. So können also wohlhabende Menschen in den Wohlstandszonen mit gutem Gewissen auf Kreuzfahrt gehen, weil in Togo oder anderswo arme Menschen von ihnen dafür bezahlt werden, Bäume zu pflanzen oder einen Ofen zu bauen, der effizienter heizt.  

Und dieser Wunsch treibt nicht nur Individuen, sondern auch Kollektive. Auf der gerade einberufenen UN-Klimakonferenz in Madrid (man könnte sie mit den Konzilien der Kirche vergleichen), wird das Thema auch diskutiert, besonders natürlich insofern es um mögliche Kompensationen von Emission großer Konzerne, etwa Fluggesellschaften, oder Staaten geht. https://www.wiwo.de/politik/deutschland/co2-kompensation-man-kauft-sich-das-recht-auf-dreck/24856884.html .

Wär’s nicht einfacher, effektiver und vor allem viel ehrlicher, wenn der wohlhabende Mensch einfach auf seine Flugreise oder Kreuzfahrt verzichtete? Klar, wäre es. Darum sprechen Kritiker wie Kathrin Hartmann auch von der „grünen Lüge“ oder von „green washing“. Sie sind sozusagen die Reformatoren der Klima-Religion, die den Handel mit dem guten Gewissen verdammen. 

Aber so wie die katholische Kirche wusste und noch immer weiß, dass auch gläubige Christen von der Sünde meist nicht ganz lassen können, und ihnen dafür praktikable Auswege boten, wissen auch die Klima-Kompensationshelfer der Gegenwart um die unwiderstehlichen Verlockungen des CO2-intensiven Konsums.    

Man sollte historische Analogien nicht zu weit treiben. Der Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und dem Klima ist sicherlich realer als der zwischen Sünden und dem Fegefeuer. Die ökologischen Zerstörungen durch ökonomisches Handeln sind real und ganz und gar von dieser Welt. Aber der Wunsch nach Erleichterung des Gewissens ist damals wie heute ein starkes Kaufmotiv und eröffnet neue Geschäftsfelder.

Das Geld jedenfalls klimpert reichlich im Kasten. Und es klimpert immer mehr. Atmosfair liege bereits jetzt über dem Vorjahreswert von 9,75 Millionen Euro an Ausgleichszahlungen, berichtet die Sprecherin der Klimaschutzorganisation Julia Zhu der Zeit. Vor allem in der Haupturlaubssaison und an Weihnachten gehen besonders viele Spenden ein. „Auch die Fridays-for-Future-Bewegung hat sich deutlich bemerkbar gemacht“, sagte Zhu.

Weckruf oder Panikmache
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Diese Organisationen sind „gemeinnützig“ und keine Unternehmen. So wie auch die Kirche vor 500 Jahren kein Unternehmen war und ihre Wohltätigkeitsorganisationen Caritas und Diakonie heute keine Unternehmen sind. Aber natürlich heißt das nicht, dass deren Akteure kein Interesse an der Ausweitung der eigenen Aktivitäten haben. Spätestens mit dem ersten hauptamtlichen Angestellten hat jede Organisation – und sei sie noch so gemeinnützig – auch ökonomische Interessen. Und keine solche Organisation hat je verkündet, sie habe nun genug Gutes getan und der üble Grund für ihre Existenz sei nun glücklicherweise beseitigt. 

Was sollte Atmosfair-Chef Dietrich Brockhagen nur tun, wenn die Menschen tatsächlich dem Beispiel der Greta folgten und das einzige täten, was die CO2-Emissionen sehr viel effizienter reduzierte als seine Projekte, nämlich einfach weniger reisten? Dann bräuchten sie auch sein Atmosfair nicht mehr. 

Es ist das Dilemma jeder institutionalisierten Wohltätigkeit: Sie wird zu einer Sammelstelle von moralischem und schließlich auch finanziellem Kapital. Anders gesagt: Aus der Hilfsbedürftigkeit – und die ökologische Gewissensnot wohlstandsverwöhnter Reisender macht sie auch hilfsbedürftig – entstehen neue Interessen an Macht und/oder Geld. Diese sind möglicherweise mindestens ebenso stark wie der Antrieb zur reinen guten Tat. Und sie werden durch die hohe Moral, mit der die professionelle Wohltäter ihr Tun rechtfertigen, nur verschleiert. 

Bisher muss sich Brockhagen übrigens keine Sorgen machen. Die Nachfrage nach Autos ist nicht eingebrochen. Die Leute fliegen in Deutschland auch so viel wie noch nie. Rund 58,9 Millionen Menschen flogen Testats zufolge in der ersten Jahreshälfte 2019 von den 24 deutschen Hauptverkehrsflughäfen ab. Bei 83 Millionen Einwohnern heißt das statistisch: fast drei von vier Deutschen nutzten in einem halben Jahr ein Flugzeug. Die von Greta Thunberg und Mitstreitern vorgelebte Flugscham vermindert also nicht die Emissionen des Flugverkehrs in Deutschland. Aber sie befeuert das Klimarettungsbusiness. 

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