Tichys Einblick
Auswärtiges Amt

Abschied von Bismarck: Aber Baerbock hat noch was vergessen

Dass Bismarck aus dem Auswärtigen Amt gecancelt wurde, ist wenig überraschend. Tatsächlich überraschend ist allerdings die Inkonsequenz von Baerbock auf diesem Feld. Stört sie der Name ihres Ministeriums nicht, der noch aus Bismarcks Zeit stammt?

Auswärtiges Amt in Berlin

IMAGO / STPP
Die Umbenennung des bisherigen Bismarck-Zimmers und der Rauswurf des Porträts des wohl berühmtesten deutschen Außenpolitikers aus dem Besprechungsraum durch die aktuelle Außenministerin Annalena Baerbock hat nun einigermaßen Furore gemacht. Nachdem TE darüber am vergangenen Freitag berichtete, zog nun auch die Bild-Zeitung nach. 

Warum Bismarck weichen musste, will die Pressestelle des Auswärtigen Amtes weiterhin nicht richtig erklären. Mehr als die Antwort, die schon am Freitag zuvor TE bekam, ist nicht zu vermelden: „Bereits 2018 wurde im Auswärtigen Amt über eine Umbenennung des Besprechungsraums ‚Bismarck-Zimmer‘ nachgedacht. Dieser Prozess wurde nun wieder aufgenommen und verschiedene Namensvorschläge im Nutzerkreis dieses Besprechungsraums diskutiert. Der neue Name ‚Saal der Deutschen Einheit‘ soll der historischen Bedeutung des Raums Rechnung tragen, da dort zu DDR-Zeiten das Politbüro der SED tagte.“

Bismarck war schon der früheren SPD-Staatsministerin Michelle Müntefering einfach zu sehr ein Mann. Sie hatte am 25. September 2019 anlässlich der Eröffnung der „Women’s Night Out“ aus feministischen Gründen den Namen „Bismarck-Zimmer“ kritisiert.

Dass Bismarck gecancelt wurde, ist angesichts des schon vielfach bewiesenen Eifers der Ampel-Regierung und ihrer Unterstützer an der Tilgung all dessen, was am geschichtlich Überkommenen nicht geschlechter- und klimagerecht ist (also eigentlich alles?), wenig überraschend. Tatsächlich überraschend ist eher die Inkonsequenz von Baerbock auf diesem Feld. 

Denn wenn sie schon Bismarck rauswirft und sein Andenken tilgen möchte, müsste sie das konsequenterweise nicht nur am Namen eines Besprechungszimmers vorexerzieren, sondern am Namen des Ministeriums, das sie leitet. Dieses Ministerium heißt nämlich bekanntlich als einziges Bundesministerium nicht so, sondern „Auswärtiges Amt“. Als einziges Ministerium führt dieses also einen Namen, den es noch aus dem Kaiser-Reich fortführt. 

Nach der Reichsgründung von 1871 gab es auf Reichsebene keine Minister und keine Ministerien, also auch kein Kabinett der Regierungsmitglieder, sondern Reichsämter mit Beamten an der Spitze, die direkt dem Reichskanzler (also bis 1890 Otto von Bismarck) unterstellt waren, der wiederum allein dem Kaiser verantwortlich war. So wurde schon im Namen der obersten Reichsbehörden deutlich, dass dieses Reich nicht parlamentarisch, sondern von kaiserlichen Beamten regiert wurde. 

Mit der Entmachtung des letzten Kaisers und der Parlamentarisierung der Reichsregierung 1918 wurden die bisherigen Reichsämter zu Reichsministerien umbenannt, mit (in der Regel) Parteipolitikern als Minister an der Spitze. Nur das „Auswärtige Amt“ behielt seinen Namen – obwohl es von da an einen Reichsminister des Auswärtigen an seiner Spitze hatte. Die Anhänglichkeit der Diplomaten an den alten Namen und das Erbe Bismarcks überdauerte nicht nur die Revolution von 1918, sondern auch die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Und auch als die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Reiches nach Revision des Besatzungsstatuts ab 1951 einen Bundesminister des Auswärtigen (Genscher wurde intern auch Minister des Alleräußersten genannt) bekam und deutsche Diplomaten an Vertretungen im Ausland entsenden konnte, berichteten diese an ein in Bonn neu gegründetes „Auswärtiges Amt“ – während die DDR ein „Ministerium für auswärtige Angelegenheiten“ gründete. 

Kann es wirklich sein, dass Annalena Baerbock und die gesamte Ampelregierung diesen letzten, zumindest sprachlichen Rest des Bismarck-Reiches unangetastet lassen? Wo man doch gerade in dieser Regierung so viel Wert auf sprachliche Signale und Zeichen legt! Will Baerbock wirklich weiterhin einem Ministerium mit diesem Bismarckschen Namen vorstehen, während ihre Parteifreundin Claudia Roth das „preußisch“ aus der „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ streichen will? 

Sollte das Amt nach zwei Weltkriegen und mehreren drastischen politischen Wendungen seinen Namen auch noch unter einer Ministerin bewahren können, die „Außenpolitik als Weltinnenpolitik“ versteht, wäre das außergewöhnlich.   

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