Tichys Einblick
"Dexit" im AfD-Wahlprogramm

Die AfD in der selbstgestellten Abseitsfalle

Mit der Radikalforderung nach dem Austritt aus der EU, also deren Abschaffung, macht sich die AfD zum Bürgerschreck. Offenbar will sie nicht regieren, sondern lieber weiter schimpfen und protestieren.

11.04.2021

Die AfD hat sich mit einigen Punkten in ihrem jüngst beschlossenen Programm für die Bundestagswahl selbst dahin bugsiert, wo die anderen im Bundestag vertretenen Parteien sie sehen möchten: ins politische Abseits. Denjenigen Kräften in der AfD, die meist mit dem Namen des thüringischen Landeschefs Björn Höcke oder dem mittlerweile zumindest offiziell aufgelösten „Flügel“ bezeichnet werden, ist es auf dem Parteitag bei der Festlegung des Wahlprogramms gelungen, einige spektakuläre Spitzen unterzubringen. Die schrillste dieser Bürger-schreckenden Forderungen ist die nach dem „Dexit“, dem Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union. Diese Forderung stand nicht im Entwurf, sondern kam über einen Änderungsantrag ins Programm. Jeder weiß, dass das kein Austritt wäre, sondern das Ende der EU bedeutete.

Um so leichter macht man es den Regierenden. Große Teile der Linken und auch Teile der Grünen haben eine vergleichbare Feindschaft einst gegen die Nato und generell gegen jegliches (westliches) Militär erhoben. Deswegen waren sie früher für die Union, für die FDP und auch die SPD (als diese Parteien noch programmatisches Rückgrat besaßen) nicht koalitionsfähig – zu Recht.

Wer eine politische Wirklichkeit, die für alle etablierten Parteien eine Art Staatsräson darstellt, in Bausch und Bogen verdammt, bricht die Brücke der Verständigung ab und beraubt sich selbst der Anschlussfähigkeit, ohne die in einer Vielparteiendemokratie keine konstruktive Politik möglich ist.

Kritik an der EU ist im bürgerlichen Teil der deutschen Gesellschaft womöglich mehrheitsfähig, erst recht nach deren erneutem Totalversagen in der Pandemie. Aber nun hat sich die AfD  ein Programm gegeben, das potentielle neue Wähler im bürgerlichen Spektrum der Gesellschaft zumindest auf diesem Politikfeld eher abschreckt. Sie erklärt sich damit selbst zu einer Protestpartei. Noch wichtiger: Sie hat sich selbst den Weg aus dem Abseits verstellt. Mit einer Partei, die die EU verlassen will, wird auch in einer postmerkelschen Union oder FDP nach Lindner niemand eine Zusammenarbeit eingehen wollen oder können. Im Kanzleramt wird man zufrieden sein.


Bemerkung: Der ursprünglich in diesem Artikel genannte Satz: „Es sind nicht souveräne Nationalstaaten, die Frieden und Wohlstand in Europa gefährden, sondern es ist die EU, die der Brandstifter in Europa ist“ stammt nicht aus dem angenommenen Änderungsantrag, sondern einem abgelehnten anderen.

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