Tichys Einblick
Kultursensible Selbstislamisierung?

Thomas de Maizière möchte „gerne vielleicht mal“ einen muslimischen Feiertag

Der Innenminister hat wieder gesprochen, wie meist etwas nebulös. Ist es ein Beitrag zu der von ihm geforderten Leitkultur oder nur Wahlkampf, und wenn ja, für wen?

© Sean Gallup/Getty Images

Regelmäßig ist von einer fortschreitenden Islamisierung Deutschlands die Rede. Dieses Land ist zwar rein statistisch bei weitem noch kein islamisches Land, aber die Debatte darüber wird nicht zu Unrecht geführt.

So verändert sich die Bevölkerung

Dazu ein paar Zahlen: Der Bevölkerungsanteil der Muslime in Deutschland – aktuell ziemlich genau fünf Millionen – wächst. 2011 war der Anteil an der gesamten Bevölkerung rund vier Prozent, 2016 bereits 5,7 Prozent. Das heißt, fast jeder dritte Muslim lebt erst seit wenigen Jahren in Deutschland. Diese „neuen“ Muslime stammen vor allem aus Südosteuropa und dem Nahen Osten. Dadurch ist übrigens der Anteil der türkischstämmigen Muslime in Deutschland zurückgegangen. 2,3 Millionen der in Deutschland lebenden Muslime haben ihre Wurzeln in der Türkei. Etwa 800.000 Muslime stammen aus dem Nahen Osten. Die drittgrößte Gruppe mit gut 500.000 setzt sich aus südosteuropäischen Muslimen zusammen. Zuzug und eine bei Muslimen höhere Geburtenrate spielen dabei eine Rolle. Folge ist unter anderem, dass wir Tausende von Schulklassen haben, in denen weit mehr muslimische Schüler als christlich getaufte sitzen. Recep Tayyip Erdogans Appell an seine türkischen Landsleute in Europa scheint Realität zu werden: „Habt fünf Kinder, nicht drei. Ihr seid Europas Zukunft.“

„Kultursensibel“ die Kultur verändern?

Die demographisch fortschreitende Islamisierung ist das eine, die vorauseilende, als „kultursensibel“ eingeforderte, Woche für Woche mehr und mehr vollzogene Selbstislamisierung ist das andere: Umzüge von Kindergärten zu St. Martin (11. November) werden abgeschafft. In den Mensen von Schulen gibt es teilweise kein Schweinefleisch mehr. Weihnachtsmärkte werden zu Lichter- oder Sternenmärkten umbenannt. In Schwimmbädern werden Zeiten ausgewiesen, in denen nur Musliminnen schwimmen dürfen. Auf Prospekten, mit denen in arabischer Sprache für eine Tour durch die Alpen geworben wird, sind die Gipfelkreuze wegretuschiert. Auf Friedhöfen sollen eigene Areale ausgewiesen werden, damit „Gläubige“ nicht neben „Ungläubigen“ zur letzten Ruhe kommen. Schulen sollen Rücksicht auf den Ramadan nehmen; muslimische Schülerinnen wollen vom Schwimmunterricht befreit werden. Zwangsehen, Kinderehen, Beschneidungen, das Schächten werden geduldet. Und so weiter und so fort.

Spezial zur Buchmesse
Frankreich als Land der brillanten Niedergangsanalysen
Nun kommt der für die niedersächsische CDU wahlkämpfende Bundesinnenminister Thomas de Maizière auf die Idee, einen muslimischen Feiertag in Deutschland einzuführen. Wörtlich sagte er soeben in Wolfenbüttel: „Ich bin bereit, darüber zu reden, ob wir auch mal einen muslimischen Feiertag einführen. Kann man gerne vielleicht mal machen.“ Wo viele Katholiken leben würden, da gebe es auch Allerheiligen als Feiertag und anderswo nicht, so der Minister. „Wo es viele Moslems gibt; warum kann man nicht auch mal über einen muslimischen Feiertag reden?“, meinte er. Ach ja, und dann noch für die, „die schon länger hier leben“ (Definition Angela Merkel) als Trost: Generell seien die Feiertage der Deutschen aber christlich geprägt, und „das soll auch so bleiben.“

Wir wissen nicht, ob sich de Maizière hier vom genius loci (dem „Geist des Ortes“) inspiriert fühlte. Die Wahlkampfveranstaltung fand nämlich in Wolfenbüttel statt – der Stadt, in der der große literarische Aufklärer und Freimaurer Gotthold Ephraim Lessing von 1770 bis zu seinem Tod 1781 als Bibliothekar der Herzog-August-Bibliothek gewirkt hatte. Lessing gilt ja mit seinem Drama „Nathan der Weise“ und mit der darin enthaltenen „Ringparabel“ unvermindert als Zeuge dafür, dass alle drei großen monotheistischen Weltreligionen (Judentum, Christentum, Islam) gleichberechtigt seien und sich wechselseitig tolerierten. Vielleicht hat ihn dieser Ort aber auch zu einer gewissen Selbstüberschätzung inspiriert, als er sagte: „Ich fühle mich auch als ein Minister für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Wir wissen schließlich nicht, ob es ein Akt der Verzweiflung war und de Maizière meinte, die Niedersachsen-CDU bei den Wahlen am 15. Oktober mit Stimmen aus der muslimischen Community doch noch als Sieger über die Ziellinie zu bringen. Aber bei aller Achtung für die zum Teil passablen Vorschläge des Bundesinnenministers zur „Leitkultur“: Er sollte doch mal den Roman „Unterwerfung“ (2015) des Franzosen Michel Houellebecq lesen. Der Autor entwirft dort für eine sehr nahe Zukunft ein recht realistisches Bild eines islamistischen Gottesstaates in Frankreich.  Und auf der Buchmesse, deren Gastland in diesem Jahr Frankreich ist, werden Bücher zu finden sein, die die Folgen dieser Politik demonstrieren: Sie lassen sich unter Tribalismus zusammenfassen. 

Oder wollte de Maizière einfach nur der dort besonders desaströs aufgestellten niedersächsischen AfD ein wenig auf die Sprünge helfen?


Josef Kraus war Oberstudiendirektor, Präsident des deutschen Lehrerverbands, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und als „Titan der Bildungspolitik“ bezeichnet. Er hat Bestseller zu Bildungsthemen verfasst und sein jüngstes Werk Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt erhalten Sie in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop.