Tichys Einblick
US und D runter, China und Indien rauf

Mathematik-Asse: Der Westen fällt zurück

Tests und Statistiken zeigen: Die schulischen Leistungen der Kinder im Westen, vor allem in Mathematik, werden schwächer. Aber offenbar ist das im Sinne Morgensterns eine „unmögliche Tatsache“.

Getty Images

Der renommierte Bevölkerungswissenschaftler Gunnar Heinsohn (76) wird nicht müde, sich um den intellektuellen Abstieg des Westens Sorgen zu machen. Seit 2000 schreibt und spricht er nicht zuletzt mit Blick auf Deutschland von einer „abnehmenden Bevölkerungsqualität“. 2010 beruft sich Thilo Sarrazin in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ auf ihn. Und schon ist es endgültig geschehen: Heinsohn gilt ab sofort als „umstritten“. Viele seiner nach wie vor hochinteressanten Analysen dringen kaum noch in die Fachöffentlichkeit durch.

Wer findet den Anschluss?
Qualifikationsprofil: Globaler Schülervergleich in Mathematik
Wir von TE bekommen seine spannenden Analysen nach wie vor zur Kenntnis und zur Verbreitung. Und es ist alarmierend, was Heinsohn jetzt mit Datum 26. Dezember 2019 in Synopsen herausarbeitet. Nachfolgend ein paar zusammengefasste Ergebnisse:
  • Die USA haben die Bildungsausgaben pro Schüler von 1996 bis 2016 von rund 6.000 $ pro Jahr auf rund 12.000 $ pro Jahr erhöht. Der Erfolg ist überschaubar bzw. deprimierend: Beim international vergleichbaren Mathematik-Wert der US-Schüler stagnieren die USA, bei der Lesefertigkeit fallen die USA in diesen 20 Jahren vom Wert 505 auf 493 zurück.
  • Innerhalb der USA verbesserten sich beim SAT (Scholastic Assessment Test) die Studienbewerber mit asiatischem Hintergrund von 2017 auf 2019 von 612 auf 637 Punkte, die „weißen“ US-Amerikaner bleiben beim Wert 553, die US-Schüler mit „hispanischem“ oder „schwarzem“ Hintergrund stagnierten bei Werten um 485 bzw. 460.
  • Beim Subtest Mathematik der PISA-Testung 2012 lagen die Ost-Asiaten um 20 bis 100 PISA-Punkte vor Deutschland. Bei der PISA-Testung betrug der Abstand zu chinesischen Großstädten zuungunsten Deutschlands und der USA rund 30 bis 80 Punkte. 40 Punkte entsprechen in etwa einem Schuljahr.
  • Die Innovationsfähigkeit eines Landes bemisst sich nicht am Anteil Begabter („gifted“) in einer Bevölkerung, sondern am Anteil „Hochbegabter“ („highly gifted; „maths aces“, „Mathe-Asse“). Als Maßstab gilt die oberste Stufe des „Third International Mathematics an Sciences Tests“ (TIMSS). China hat davon in den Geburtsjahrgängen 2005 bis 2009 rund 24,6 Millionen junge Leute, die USA haben hier 2,97 Millionen, Japan 1,8 Millionen, Russland 1,56 Millionen, Deutschland 0,19 Millionen.
  • All dies korreliert mit volkswirtschaftlichen Daten. So sind die USA von einem Anteil am globalen Wirtschaftsvolumen von 21,53 Prozent im Jahr 1980 auf 15,11 Prozent im Jahr 2019 zurückgefallen. Deutschland hatte 1980 einen Anteil von 6,54 Prozent, heute einen Anteil von 3,13 Prozent. Indien verbesserte sich von einem Anteil von 2,89 Prozent auf 7,98 Prozent, und China von (geschätzt) 2,3 auf aktuell 19,25 Prozent.

Diese Zahlen finden in Deutschland kaum Widerhall. Die vormalige Bildungsnation beschäftigt sich lieber mit der Gründung immer neuer „Gender“-Professuren und streitet sich darüber, ob Mathematik Abiturfach sein soll.

Nur wenige aktive Professoren setzen Heinsohsn Analysen fort. Zu ihnen gehört der Intelligenz- und Entwicklungsforscher Heiner Rindermann (53) von der TU Chemnitz. Er „wagt“ es, als einen seiner Forschungsschwerpunkte anzugeben: kognitive Kompetenzen im Kulturvergleich.

Interview
Psychologe Heiner Rindermann: Intelligentere Gesellschaften sind reichere Gesellschaften
Im Oktober 2015 veröffentlichte Rindermann im „Focus“ zum Beispiel einen Artikel, in dem er zum Ergebnis kam, dass Einwanderer aus Südosteuropa, Vorderasien und Afrika mehrheitlich ein niedriges Qualifikationsprofil aufwiesen. Selbst Asylbewerber mit Universitätsstudium würden bei mathematischen und figuralen Aufgaben einen Durchschnitts-IQ von lediglich 93 erreichen. Rindermann sagt vor diesem Hintergrund schwerwiegende künftige Integrationsprobleme dieser Gruppen in Deutschland voraus.

Es kam, wie es zu erwarten war. Rindermanns TU reagierte reflexhaft. Rindermann, so der Vorwurf, habe diskriminierende Schlussfolgerungen gezogen. Klar: Thilo Sarrazin hatte sich nicht nur auf Heinsohn, sondern auch auf Rindermann berufen. 

Gleichwohl wurde Rindermann 2007 mit dem William-Stern-Preis der Deutschen Gesellschaft für Psychologie ausgezeichnet. Der Preis ist benannt nach William Stern, ursprünglich Ludwig Wilhelm Stern (1871 – 1938), einem „Erfinder“ der IQ-Messung. Stern entstammte einem assimilierten jüdischen Berliner Elternhaus. 1933 emigrierte er zunächst in die Niederlande, dann in die USA. 2010 wurde Rindermann zudem von der US-Gesellschaft APS (Association for Psychological Science) für „herausragende Beiträge in der Wissenschaft“ der Fellowstatus verliehen. 

Und die Moral von der Geschicht‘? Christian Morgensterns Palmström gibt im Gedicht „Die unmögliche Tatsache“ die Antwort: 

„Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf.“

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