Tichys Einblick
DVPG-Resolution

Demokratie braucht keine Neutralität? – Politische Bildung auf Irrwegen

Die Deutsche Vereinigung für Politische Bildung verkündet in ihrem Papier: „Demokratie braucht Politische Bildung, keine Neutralität!“ Josef Kraus fühlte sich beim Durchlesen erinnert an Passagen des „Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ und des Faches „Staatsbürgerkunde“ in der DDR.

Getty Images, Screenprint: DVPB - Collage: TE
Da gibt es doch tatsächlich eine „Deutsche Vereinigung für politische Bildung e.V. (DVPB)“. Sehr produktiv scheint sie zwar nicht zu sein, denn für das Jahr 2023 findet man auf der DVPB-Website nur einen einzigen Archiveintrag. Jetzt aber hat die DVPB richtig zugeschlagen. Und zwar mit einer Zwei-Seiten-Resolution unter dem Titel: „Demokratie braucht Politische Bildung, keine Neutralität.“

Normalerweise liest man solche Seiten nicht, weil einem sofort elf Gender-Sternchen ins Auge stechen und auch die drei Unterstützer der Resolution sofort vermuten lassen, wohin die Resolution intellektuell geht. Die Unterstützer sind nämlich der Bundeselternrat (BER), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sowie dessen „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).“

Aber dann tut man sich die zwei Seiten doch an und liest etwa folgende Sentenzen:

  • Eingeleitet wird der Text mit der rhetorischen Frage: „An Demonstrationen für Demokratie und gegen autoritäres Denken teilnehmen und darüber zu sprechen, sich gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu engagieren – verstößt das gegen ein allgemeines politisches Neutralitätsgebot?“ Wie gesagt: eine rhetorische Frage.
  • „Vermehrt erfahren wir von Fällen, in denen Schulen menschenverachtenden und antidemokratischen Äußerungen und Aktivitäten ausgesetzt sind. Pädagogisches Personal, Schüler*innen und Eltern, die sich in den Schulen für einen demokratischen Diskurs, eine demokratische Schulkultur und ein wertschätzendes Miteinander einsetzen, fühlen sich häufig schlecht oder unzureichend unterstützt, teilweise werden sie gar mit Verweis auf ein vermeintliches Neutralitätsgebot oder mit Verweis auf das Mäßigungsgebot daran gehindert. Diese Situation ist untragbar.“
  • „Neutralität der Bürger*innen als Bildungsziel taugt für autoritäre und totalitäre Staaten, aber nicht für die Demokratie!“ Ein typischer Fall von DVPB-Gesinnungsprojektion?

Das Quartett fordert zudem einiges von den „Kultusminister*innen der Länder sowie den zuständigen Schulbehörden“ – unter anderem: „uneingeschränkte Rückendeckung durch die Schulbehörden und Schulleitungen für alle, die sich in der Schule, im Unterricht, in Arbeitsgemeinschaften, bei Schulaufführungen und Projekten für die Demokratie und gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit engagieren.“

Also, auf geht’s zur nächsten „Anti-Rechts“-Demo, zur nächsten Fridays-for-Future-Aktion usw. Die NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU!!!) wird für folgenden Satz bestimmt demnächst einen Couragepreis der DVPB bekommen: „Ich möchte Lehrkräfte ausdrücklich ermuntern, an diesen Demonstrationen für unsere lebendige Demokratie teilzunehmen, um ein Zeichen zu setzen – gern auch mit ihren Schülern.“

Die Resolution der DVPB schließt mit dem Ausruf: „Demokratie braucht politische Bildung, keine Neutralität!“ Und mit dem Angebot, dass folgende DVPB-Bundesvorstandsmitglieder gerne Auskunft geben: Dr. Gudrun Heinrich von der Uni Rostock und TT-Prof. Dr. Steve Kenne von der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Für beide sind deren Dienstadressen angegeben. So ernst nehmen diese Leute also ihren Job quasi rund um die Uhr. Übrigens: Ein TT-(Tenure-Track)Professor ist ein junger Wissenschaftler mit „planbarer Alternative“, also mit Aussicht auf Lebenszeitprofessur ohne weitere Ausschreibung oder Berufungsverfahren. Man bleibt eben gerne unter sich.

Was wir fanden, nicht fanden und was wir assoziierten

Beim erneuten Durchlesen des Resolutionstextes fanden wir auch noch den wohlfeilen kritischen Hinweis auf „Verschwörungsnarrative“. Welche gemeint sind, steht nicht im Text, auch nicht, dass allein die Annahme von Verschwörungsnarrativen ein Meta-Verschwörungsnarrativ sein könnte.

Keine Aussage fanden wir, dass „menschenfeindliches und menschenverachtendes Verhalten“ in unseren Schulen als Hintergrund sehr oft ganz konkrete kulturelle Prägungen hat. Keine Aussage fanden wir auch, was es mit dem bis hinein in die Universitäten vordringenden antisemitischen Angriffen und Beleidigungen auf sich hat.

Irgendwie kamen wir schließlich nicht los von der Erinnerung an Passagen des „Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ der DDR und des Faches „Staatsbürgerkunde“ der DDR. In diesem Gesetz, das das Hohelied der „antifaschistisch-demokratischen Schul- und Hochschulreform“ singt, heißt es in Paragraph 1: „Das Ziel des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems ist eine hohe Bildung des ganzen Volkes, die Bildung und Erziehung allseitig und harmonisch entwickelter sozialistischer Persönlichkeiten …“  In Paragraph 16 lesen wir: „Der Unterricht in Staatsbürgerkinde vermittelt in lebensnaher Weise ökonomische, philosophische und politische Grundkenntnisse und führt damit in den Marxismus-Leninismus ein.“

Und die Praxis? Selbstredend mussten die meisten Schüler etwa zu den 1.-Mai-Feierlichkeiten antreten. In der Schule waren dazu Transparente, Plakate, Bilder mit Mitgliedern der DDR-Regierung und Kunststoffnelken vorbereitet und verteilt worden.

Aber Geschichte wiederholt sich doch nicht?! Meint man!