Tichys Einblick
Die Saar-CDU verschenkt das Bildungsressort

Das nennt man Sozialdemokratisierung von CDU-Politik

Um kleiner Geländegewinne wegen schmeißt die CDU in den Ländern ein ums andere Mal ihre Bildungspolitik – so es sie denn überhaupt noch gibt – über Bord. Wie jetzt wieder im Saarland.

Anke Rehlinger, lead candidate of the German Social Democrats (SPD), (L) and Annegret Kramp-Karrenbauer, lead candidate of the German Christian Democrats (CDU)

© Thomas Lohnes/Getty Images

„Bildungspolitik ist das Filetstück, das Kernstück, ja die Herzkammer des Föderalismus.“ Ja, das stimmt, wenn man den Föderalismus als kompetitiven Föderalismus, nämlich als einen Föderalismus des Wettbewerbs versteht und nicht als einen Föderalismus des Kompromisses des Kompromisses von 16 deutschen Ländern auf unterem Niveau. Bis vor rund fünfzehn Jahren war die CDU-„Filetstück“-Rhetorik nicht nur Rhetorik. Heute gilt das nicht mehr. Da mag die CDU-Vorsitzende Merkel eine „Bildungsrepublik“ ausrufen, weil sie offenbar den Begriff „Bildungsnation“ für zu weit „rechts“ hält. Da mag sie als Kanzlerin den einen oder anderen Bildungsgipfel einberufen, dessen Hauptergebnis stets war, dass er stattgefunden hat. Punctum!

Merkels Statthalter vor Ort, nämlich in den Ländern, ticken längst anders. Um kleiner Geländegewinne wegen schmeißt die CDU in den Ländern ein ums andere Mal ihre Bildungspolitik – so es sie denn überhaupt noch gibt – über Bord. Schnell passte sich die CDU zum Beispiel in allen 15 deutschen Ländern (ohne Bayern, wo es bekanntermaßen ja keine CDU gibt) den ideologisch motivierten Motiven der „Linken“ zur Abschaffung der Hauptschule an. Schnell machte sie das allgemeine Anspruchsdumping beim Abitur mit. Schnell gab sie selbst dort, wo sie die größte Regierungspartei und den Landeschef stellt, das Schulministerium preis.

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Die Beispiele sind Legion. Ein Hamburger Landeschef Ole von Beust (CDU) ließ sich eine „Grüne“ namens Goetsch als Schulministerin verpassen. Diese wollte mit dem Segen ihres Kabinettschefs das Schulwesen Hamburgs völlig umkrempeln und zum Beispiel eine von vier auf sechs Jahre verlängerte Grundschule einführen. Eine der wenigen bildungspolitischen Bürgerrevolten, die es je in Deutschland gab, machten diesem Treiben mittels Bürgerentscheid 2010 ein Ende. Damit war der schwarz-grüne Plan vom Tisch und die Regierung von Beust gleich mit. Ein hessischer Landeschef Volker Bouffier (CDU) hatte keine Probleme damit, bis 2013 FDP-Damen als Schulministerinnen zu bekommen. Und das in einem ehemaligen Kampfland der Bildungspolitik! Begründung: „Sonst hätten wir für die CDU das Finanzministerium nicht bekommen.“ Ein Landeschef Reiner Haseloff (CDU) hielt es in Sachsen-Anhalt mehrere Jahre mit einem SPD-Kultusminister aus, ebenso eine Landeschefin Lieberknecht (CDU) in Thüringen mit einem SPD-Kultusminister. Am längsten schließlich lebte ein CDU-Landeschef (Peter Müller) und lebt eine CDU-Landeschefin (Annegret Kramp-Karrenbauer) mit einem „grünen“ oder einem SPD-Schulminister, nämlich bereits seit 2009. Dem Vernehmen nach soll das im Kabinett „Kramp-Karrenbauer III“ über 2017 hinaus so bleiben. Man hat dem Koalitionspartner SPD bei den aktuellen Verhandlungen nach der Wahl vom 26. März 2017 ein paar symbolische Zugeständnisse abgerungen, aber die SPD soll erneut das Schulministerium besetzen.

Jeder in Sachen Bildung halbwegs Interessierte reibt sich die Augen. „Filetstück“, „Herzkammer“ des Föderalismus als CDU-Bekenntnis – das war einmal. Seit mehr als zehn Jahren hat sich in der CDU der Topos eingeschlichen: Mit Bildungspolitik kannst du keine Wahlen gewinnen, sondern nur Wahlen verlieren. Ach, wie naiv! Für welches Politikressort gilt das eigentlich nicht? Vor allem aber nimmt man in der CDU nicht zur Kenntnis, dass man mit Bildungspolitik zwar nicht sofort, aber doch mit einem langen Atem die Gesellschaft umkrempeln kann. Die verschiedenen „linken“ Parteien haben das kapiert. Deshalb dominieren sie die Kultusministerkonferenz (KMK) und die dort oft reichlich niveaulosen Vereinbarungen zur Schulpolitik. Gewiss ist die KMK laut Satzung bei allen Beschlüssen auf Einstimmigkeit angewiesen. Aber es ist ein Unterschied, ob in der KMK zehn oder fünf Unionskultusminister sitzen, oder gar nur einer. Im Moment sind es fünf (Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt plus Bayern), vor drei Jahren war es nur ein einziger, und der war nicht aus der CDU, sondern es war der Bayer Ludwig Spaenle von der CSU. Mal schauen, wer in Schleswig-Holstein nach der jüngsten Wahl vom 7. Mai zukünftig das Schulressort bekommt. In einer roten Ampel würde es wohl wieder Britta Ernst (SPD) sein, die Gattin des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz; in einer „schwarzen Ampel“ mit einem Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) könnte alles wieder ganz offen sein, es also neben einem schwarzen auch einen gelben oder grünen Schulminister geben.