Tichys Einblick
Made in China 2025

Zwischen China und Europa: Der K(r)ampf der Kulturen

Xi Jinping scheint die Welt im Handstreich zu nehmen, doch keiner weiß, wie die Story ausgehen wird. Der Investitionsbedarf für alles, was China plant, ist riesig.

© Feng Li - Pool/Getty Images

China ist das Land der großen Pläne: „Made in China 2025“  sollte das Land in zehn Schlüsseltechnologien zwischen Robotik und Landwirtschaft zu einem führenden Hersteller von Qualitätsprodukten machen, die “Belt and Road-Initiative”, auch bekannt als “Neue Seidenstraße”, Chinas Strategie einer gesteuerten Globalisierung in die Tat umsetzen. Dabei will man nicht gern als der große Wirtschaftsimperialist dastehen, der sich mit Häfen, Eisenbahnhubs, Pipelines und ähnlichem die Welt erobert – obwohl man dazu auf dem besten Wege ist. Und dabei die wertvollsten Ressourcen des Planeten von seltenen Erden bis zu den wichtigsten Öl- und Gasvorräten einsammelt. Und im Prinzip die Ressourcen des Planeten genauso ausbeutet, wie viele Jahrzehnte davor und mit großer Selbstverständlichkeit der Westen es tat. Dafür investiert China in beeindruckende Infrastrukturen von Myanmar über den Indischen Ozean bis nach Afrika und schließlich nach Europa. Der Hafen von Piräus ist ein gutes Beispiel ambitionierter chinesischer Investitionen.

Xi Jinping scheint die Welt im Handstreich zu nehmen, doch keiner weiß, wie die Story irgendwann ausgehen wird. Der Investitionsbedarf für alles, was China plant, ist riesig. Allein für das Mammutprojekt „Neue Seidenstraße“ werden für die ersten 10 Jahre gut eine Billion USD benötigt. Mindestens. Dabei ist noch nicht einmal ein Drittel der Finanzierung geklärt. Unsichere und gefährliche Gewässer liegen vor dem Bug des gewaltigen Dampfers China. Teilen der Besatzung wird es langsam mulmig, wie wir dieser Tage erfahren. Selbst die Global Times, das englischsprachige Parteiblatt, warnt aktuell vor den Gefahren, die entlang der „Neuen Seidenstraße“ Chinas Investoren auflauern.

Weltwirtschaft
Die Neue Seidenstraße
Im Lande selbst wird der Wirtschaftsplan für die Umstrukturierung des Landes brachial durchgesetzt, was manch einem Unternehmer die Luft abzuschnüren droht. Xi Jinpings „chinesischer Traum“ läuft Gefahr, dass dieser aus Angst vor Kontrollverlust in eine fast maoistisch wirkende Kontrollmanie abgleitet. Und das, obwohl man doch mithilfe neuer Sozialkreditsysteme und größerer Transparenz staatlicher Entscheidungen mehr Klarheit schaffen will.

Dagegen wird manch ein Mittelständler Opfer der rigorosen Planvollstreckung. Dienstleister und Produzenten, die mit ihrer Infrastruktur nicht den neuen Umweltvorgaben entsprechen, werden über Nacht geschlossen. Staatlich organisierte Rollkommandos sorgen für die Umsetzung ohne „Wenn und Aber“. Der Delinquent darf dann mit tausenden anderen „anstehen“, um seine Lizenz wiederzubekommen, um überhaupt modernisieren zu dürfen. Entschädigung gleich Null. Das ist die chinesische Form der „Ökodiktatur“. Trotzdem ziehen viele das mühsame Prozedere des erzwungenen Neuanfangs durch. Ich kenne einige Betroffene persönlich. Sie haben keine andere Wahl, denn ihre Firma darf nicht untergehen.

Das chinesische Problem ist Überregulierung mit alten staatsdirigistischen Mitteln. Deng Xiaopings (1904-1997) Reformen der alten und katastrophalen Planwirtschaft Mao Zedongs (1893-1976) haben den Markt „marktfähig“ und damit überaus erfolgreich im Reich der Mitte gemacht, auf den übergeordneten Plan und das Recht des Staates überall stark regulierend und sanktionierend einzugreifen aber nicht verzichtet. China nach Mao war nie ein liberales Wirtschaftssystem.

Sein „Urenkel“ Xi, der die fünfte Führungsgeneration Chinas nach Mao Zedong repräsentiert, baut gerade an seiner Version des „Sozialismus chinesischer Prägung“ 4.0.  Damit konnte man das Hochwachstum aus der Ära seines Vorgängers Hu Jintao herunterbremsen und plant gleichzeitig im Geiste der alten Parteitage weitere rigorose Reformen und eine fortgesetzte Öffnung nach außen. Da angesichts Chinas wirtschaftlicher Schwere die aktuelle Stufe der Öffnung nur noch Globalisierung heißen kann, sind gewaltige Investitionssummen dafür nötig geworden, deren „möglicher“ Gewinn in sehr ferner, diffuser Zukunft liegt. Und im Lande selber ächzt so mancher unter dem „Plan“.

Europa dümpelt dagegen weiter in Planlosigkeit. Im Unterschied zum „Ostend“ unseres gemeinsamen eurasischen Doppelkontinents mangelt es im „Westend“ an einer mittel- bis langfristigen Vision für Europa, an der Förderung der Innovationskraft kleiner und mittlerer Betriebe zum Beispiel durch staatlich unterstützte Kredite und Rahmenplanungen. Viele fühlen sich in Deutschland im Stich gelassen, sie wandern Richtung Osten. Ich traf manch einen kleinen Unternehmer aus Deutschland, der gern seine Erfindung in China vermarkten möchte. Weil keine Bank in Deutschland ihn finanziert.

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Die große Show des Drachens: Importmesse in China
Hier in Deutschland und in Europa mangelt es auch an technologie-intensiven Experimenten großen Stils, die Alternativen zu Amerikas „Silicon Valley“ bieten. Der „Noch-Technologie-Exportweltmeister“ Deutschland ist gleichzeitig einer der größten „Technologie-Gegner“. China hat die IT-Dominanz der USA sehr früh zur „Chefsache“ gemacht, Parallelwelten zu Facebook und Google mit WeChat und Baidu geschaffen, Apple durch Huawei herausgefordert und Silicon Valley durch das Perlfluss-Dreieck mit Shenzhen als günstigerem „Start-Up-Hub“ eine Alternative an die Seite gestellt.

Gelassen darauf vertrauen, dass die Märkte sich in Europa und in der Welt außerhalb Chinas selbst entwickeln, reicht nicht. Staatsförderung im europäischen und auch deutschen Eigeninteresse scheint wichtig – ohne Staatsdirigismus „chinesischer Prägung“.


Mehr zum Thema: Marcus Hernig, Die Renaissance der Seidenstraße. Der Weg des chinesischen Drachens ins Herz Europas. Edition Tichys Einblick, 256 Seiten, 22,99 €.

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