Tichys Einblick
Mit Vizekanzlerbonus

Verschweiger Scholz. Lieber täuschen als nicht regieren.

Da Laschet doch noch den Schlafwagen ins Kanzleramt verlassen hat, musste auch Scholz das Verkehrsmittel wechseln. Den Rennfahrer mimend tief über den Lenker gebeugt, schießt er auf dem E-Bike auf die Zielgerade. Buchstäblich ein Leisetreter. So gelingt die große Täuschung.

Das einzig ehrliche am Wahlkampf der SPD sind die Plakate. Ein farblos scheinender Kandidat vor revolutionärem Rot. Durchschaubar wie Milchglas.

I.

Jede demokratische Gesellschaft braucht eine Partei der kleinen Leute mit kleinen Budgets und kleinen Träumen. Selbst die kleinen Fluchten (Auto, Urlaub) macht man ihnen heute madig. Sie haben gefälligst das Klima zu retten und ihr bescheidenes Auskommen mit aller Welt zu teilen. Ihren Kindern sollte es einmal besser gehen – diese Hoffnung war das Versprechen der deutschen Volksparteien. Und es war die Quelle des Fleißes, der Genügsamkeit und des Zusammenhalts. Der Sohn einer mittellosen Kriegerwitwe und Putzfrau konnte dank SPD Kanzler werden. Dass Deutschland kein Aufsteigerland mehr ist, liegt auch daran, dass es die alte SPD nicht mehr gibt. Sie hat beizeiten ihren Verstand an der Garderobe des Zeitgeistes abgegeben. Darüber kann die aktuelle demoskopische Stärke der SPD nicht hinwegtäuschen.

II.

Die personelle Auszehrung der SPD ist der anderer Parteien absolut ebenbürtig. Fremdschämaußenminister Maas: Warum verlost man den Job nicht gleich? Umweltministerin Svenja Schulze: Warum fusioniert man das Ministerium nicht kostensparend mit der Umwelthilfe e.V.? Erscheint die Vorsitzende Saskia Esken auf dem Bildschirm, schicken brave Bürger ihre Kinder hinaus und Stoßgebete gen Himmel. Zweitbekanntester SPD-Politiker ist der irre Herr Lauterbach. Das alles soll Scholz überstrahlen. Der harmlose Herr Scholz. Der sachliche Kümmerer. Der Biederbürger-Meister. Der nie die Stimme hebt, der die Kirche im Dorf lässt und die Affären im Ministerium. Der sogar die Raute kann, weil er auch noch Humor hat. Der so wunderbar schweigen kann über das, was er wirklich vorhat und über fast alles, worauf es ankäme. Vom Corona-Freiheitsentzug über Migration bis zur Bildungsmisere kaum ein Wort, zu Klima und Islam nur Plattitüden. Dem man das unappetitliche Geschäft der Politik gerne so klaglos überlässt wie der ewigen Merkel. Es ist ein abgekartetes Spiel. So harmlos ist Scholz nicht. Merkel hat das Land erst eingeschläfert und ihm dann alles mögliche amputiert. Scholz hat gut aufgepasst.

III.

Die SPD, kürzlich noch abgeschrieben, geht als Favoritin in die Wahl. So verblüffend ist ihre Reanimierung nicht. Von einer sozialdemokratischen Renaissance kann keine Rede sein. Es liegt tatsächlich an Scholz. Der macht nicht nur gern die Raute – er ist schon länger Vize-Raute. Wie Merkel demobilisiert und entpolitisiert auch er. Scholz beherrscht das Rollenfach vorgetäuschter Harmlosigkeit. Er gibt den Macher, der in Wahrheit nichts macht, was beunruhigen müsste. Da Laschet doch noch den Schlafwagen verlassen hat, der ihn ins Kanzleramt bringen sollte, musste auch Scholz das Verkehrsmittel wechseln. Den Rennfahrer mimend tief über den Lenker gebeugt, schießt er nun auf dem E-Bike auf die Zielgerade. Buchstäblich ein Leisetreter. So gelingt die große Täuschung. Der deutsche Wähler lässt sich gerne täuschen, nicht zum ersten Mal. Scholz ist der Mann, der den Bürgern ans Geld will., der lautlose Promoter der europäischen Schuldenunion. Der nette Herr Scholz ist durchaus nicht nur eine Marionette der Linken. Er ist selbst ein gefährlicher Mann.

IV.

Da Merkel verhindert hat, dass ein Mitglied ihrer eigenen Partei mit Kanzlerbonus ins Rennen geht, gibt es nur einen mit Vizekanzlerbonus. Scholz profitiert außerdem von der irrigen Ansicht des Publikums, es wählte den nächsten Kanzler, der dann bestimmt, was geschieht. In Deutschland regiert eine Koalition, kein Kanzler. Das aber machen die Parteien untereinander aus, nicht der „Wahlsieger“ Scholz. Bis dahin regiert Merkel. Das kann noch Monate dauern. Wenn sich am Ende alle gegenseitig blockiert haben (Ampel, Jamaika, Kenia, Deutschland) wird nur noch eine Wiederauflage der großen Koalition unter Scholz übrig bleiben oder die linke Volksfront mit ihm als Frontman. Im zweiten Fall kriegen wir Berliner Verhältnisse bundesweit. Im ersten wäre er der Koch und einer von der CDU der Kellner. Aber auch das wird nicht Scholz entscheiden, sondern die SPD. Scheitern wird der Mann, der nicht SPD-Vorsitzender werden durfte, nicht an braven Merkelepigonen, sondern am linken Flügel seiner Partei. Die sozialdemokratischen Kanzler Schmidt und Schröder haben es vor ihm schon erlebt.

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