Tichys Einblick
Steinmeier zum zweiten Mal

In tausend Jahren keinmal kühn

Präsident und Kanzler pflegen beide den selben Stil. In ihrer einschläfernden Bräsigkeit verkörpern sie idealtypisch den Zustand dieser Gesellschaft. Sie zeigen die Symptome einer Ganzjahresfrühjahrsmüdigkeit. Antriebslos, doch wetterfühlig.

Morgen wird Frank Walter Steinmeier zum zweiten und letzten Mal zum Bundespräsident gewählt. Noch Fragen?

I.

Die Deutschen sind bescheiden geworden. Das Mindeste, was sie von ihrem Staatsoberhaupt erwarten, ist, dass sie sich nicht für es genieren müssen. In dieser Hinsicht sind sie mit Frank Walter Steinmeier annähernd auf der sicheren Seite. Es hätte schlimmer kommen können. Stellen Sie sich die abgebrochene Theologin Katrin Göring-Eckardt in diesem Amt vor! Sie gehört in die TOP 10 der peinlichsten Figuren der deutschen Politik und hätte gute Chancen, würde FWS nicht eine zweite Amtszeit anstreben. Manche Kommentatoren halten die Verhinderung der KGE für seine größte Leistung.

II.

FWS ist ein gelernter Strippenzieher. Er ist nie als großer Parteipolitiker hervor getreten, hat seinem ersten Kanzler treu und hilfreich gedient, hat sich gewiss um Gerhard Schröder verdient gemacht, also auch um jene mit dem Namen Hartz IV verbundene Reform, ohne die Doppelnull – mit der Lizenz zu stümpern – Angela Merkel keine sechzehn Jahre im Kanzleramt überlebt hätte. Insofern hat sich FWS um Deutschland ganz sicher nicht verdient gemacht, allenfalls um AM. Damit ist klar, weshalb er ohne ernsthafte Konkurrenz Staatsoberhaupt bleiben darf. Die Unionsparteien sind ihm dankbar.

III.

Ein Beamter ist FWS immer gewesen, auch als Außenminister. Das hat in diesem Amt nicht geschadet. Eine militante amerikanische Greenpeace-Aktivistin hätte er vermutlich nicht zur Staatssekretärin gemacht. Er begnügte sich mit Frau Chebli als stellvertretender Pressesprecherin. Als Staatsoberhaupt hat er das, was er am besten beherrscht, die Trickserei, nicht zur Verfügung. Es zählt nur das öffentlich gesprochene Wort. Damit tut er sich schwer. Bedachtsam vorgetragene Belanglosigkeiten, die das Gehege des Gewohnten und Banalen nie verlassen, zeichnen die Reden dieses Einmannkaffeekränzchens aus. Nie hat er sich mit der ihm doch zur Verfügung stehenden Gelassenheit gegen das Corona-Panikorchester gewandt. Er gab der immer noch nicht beendeten Massenhysterie seinen Segen. Mir fällt unwillkürlich der herrliche Satz von Martin Walser ein: „Wir sind in tausend Jahren keinmal kühn.“ Allerdings hat der Dichter die Anwohner des Bodensees gemeint. Er trifft aber auch auf FWS zu. Er war in gefühlten tausend Jahren keinmal kühn. Aber über ihm glänzte stets der Himmel vor Gunst. Anders ist diese Karriere nicht zu begreifen.

IV.

Also doch peinlich? Peinlich ist nicht FWS, sondern die Kombination unserer beiden derzeit höchsten Repräsentanten. Präsident und Kanzler pflegen beide den selben Stil. In ihrer einschläfernden Bräsigkeit verkörpern sie idealtypisch den Zustand dieser Gesellschaft. Sie zeigen die Symptome einer Ganzjahresfrühjahrsmüdigkeit. Antriebslos, doch wetterfühlig. Als Brüder im Geiste gehen die beiden durch, als Zeichen des Bewegungsmangels deutscher Politik.

V.

CDU und CSU stecken in dem Dilemma, in das sie sich selbst manövriert haben. Hätten sie eine eigene Kandidatin präsentiert, hätten sie sich mit AfD-Stimmen kontaminiert, was sie fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Dies wäre höchstens vermeidbar gewesen, wenn die Kandidatin Merkel geheißen hätte. Aber schon der Gedanke ist Quatsch mit Soße. AM hat weder Bock darauf, für die Partei, der sie einst fern stand, auch nur einen Finger zu krümmen, noch auf einen Job, bei dem es nur auf’s Schwadronieren statt auf’s Durchregieren ankommt.

VI.

Muss es denn in diesem Amt immer ein Politiker sein? Gauck und Köhler waren davor nur Spitzenbeamte. Große, populäre Public Intellectuells führt Deutschland nicht mehr. Ihren Platz haben gepuderte Fernsehnasen nach Art eines Dr. Hirschhausen eingenommen. Man schüttelt sich mit Grausen. Außerdem hätte es doch erstmals eine Frau sein sollen. Mal ehrlich: Welche überzeugende, populäre Persönlichkeit hat der doch inzwischen fast alle Lebensbereiche dominierende Feminismus hervorgebracht? Fehlanzeige. Wäre ich Wahlmann, würde ich für die total unbekannte Astrophysikerin Stefanie Gebauer von den Freien Wählern stimmen. Denn man sollte die Sache pragmatisch sehen. Hauptsache das Staatsoberhaupt mischt sich nicht auch noch in die Politik ein. Das wäre dann garantiert nicht peinlich.