Tichys Einblick
Die CDU war die Grand Old Party der Republik

Laschets Finale – Lieber falsch regieren als richtig verlieren

Im vierten und letzten Teil seiner Serie über die Parteien zur spannendsten Wahl seit Jahrzehnten rät der Autor zu Mitleid - nicht mit Laschet, sondern mit diesem Land.

Mitleid oder Schadenfreude für Laschet? Im vierten und letzten Teil seiner Serie über die Parteien zur spannendsten Wahl seit Jahrzehnten rät der Autor zu Mitleid – nicht mit Laschet, sondern mit diesem Land.

I.

Die Partei von Konrad Adenauer, Franz Josef Strauß und Helmut Kohl ist ein Zombie, ein Untoter. Sie existiert noch in den Kommunen als Honoratiorenclub und funktioniert in den Etagen darüber als Funktionärsklüngel. Aber sie hat fast jeglichen republikanischen Elan eingebüßt. Kanzlerwahlverein ist die Union immer gewesen, Programmpartei nie. Aber das heißt nicht, dass sie ohne Kompass, ohne Gestaltungswillen und ohne Selbstwertgefühl die Geschicke dieser Republik mitbestimmt hätte. Die Union war die Grand Old Party der Bonner Republik. Und es ist richtig, dass sie von Westbindung über Marktwirtschaft bis Wiederbewaffnung alle wesentlichen Entscheidungen gegen heftigen Widerstand – nicht zuletzt immer auch aus den eigenen Reihen – durchgesetzt hat. Nicht nur die SPD war immer mal wieder auf der falschen Seite der Geschichte. Auch die CDU-Hausheilige Angela Merkel ist es. Diese Erkenntnis wird sich sehr schnell durchsetzen. Die Bonner Republik gibt es auch deshalb nicht mehr, weil des die CDU/CSU, wie wir sie kannten, nicht mehr gibt.

II.

Der Abstieg der Union hat also auch mit ihrem Triumph zu tun: Mit der Wiedervereinigung nach der Methode Kohls. Seitdem ist der Union die „innere Einheit“ wichtiger als der demokratische Streit um den richtigen, freiheitlichen Kurs. Ihre ideologische Entkernung begann mit dem Umzug des politischen Betriebs nach Berlin. Ich glaube nicht an Zufall. Einst war Jakob Kaiser, der linke Berliner CDU-Chef, Adenauers gefährlichster Gegenspieler. Damals ging die Sache anders aus, weil die Spaltung des Landes keinen Zweifel ließ am Gegeneinander von Freiheit und Sozialismus. Und weil Kaiser unterlag. Die geborene Frau Kasner unterlag nicht. Je weniger die CDU unter ihr Kurs hielt, desto mehr spaltete sie paradoxerweise das Land. Eine nur zufällig zur CDU gestoßene DDR-Bürgerin wurde zur Leitfigur des Niedergangs. Nein, sie stand dieser Partei wohl nicht einmal nahe. Die Vermerkelung der Union hat nachhaltige Folgen. Zweifellos verdankt die AfD ihr ihre Existenz. Und diese Existenz blockiert liberal-konservative Mehrheiten im Parlament. Der Merkel-Staat bevorzugt linientreue, verängstigte Büßer. Merkel hat die Moralisierung der Politik, und damit die Deformation des Politischen zu weit getrieben.

III.

Wenn die Kirche noch im Dorf stünde, wäre Laschet keine Katastrophe. Ein etwas linkisch auftretender, linksrheinischer Liberaler ist allemal besser als eine linkselbische Gouvernante mit Gruselrhetorik und Angstneurosen, die sie für Politik hält. Leider besteht Laschets größtes Handicap darin, dass er sich davon nicht entschieden abzusetzen wagt. Seine größten Gegner heißen keineswegs Scholz und Baerbock, sondern Merkel und Söder. Merkel hat ihm ja nicht bloß den Kanzlerbonus verweigert. Einerseits. Andererseits wäre er in einer nicht von Merkel entmannten Partei niemals Vorsitzender und Kanzlerkandidat geworden. Laschet müsste erst seine Partei entfesseln, ehe er das Land, wie er behauptet, entfesseln könnte. Es wäre gar nicht so schwer. Es genügte, ein paar Weichen zu stellen. In letzter Minute müsste zum Beispiel der endgültige Ausstieg aus der Kernenergie gestoppt werden – gerade weil Klimaschutz ohne Kernkraft sein Ziel verfehlt. Aber Laschet deutet den Irrsinn der deutschen Energiepolitik nur zaghaft an. Was man nicht ändern will, darüber muss man schweigen. Es gehe, behaupten die Verweser der Grand Old Party nun um die Wahl zwischen „Bevormundung und Vertrauen“ (CSU-Dobrindt). Selten so bitter gelacht. Der Meister der Bevormundung im elend langen Covid-Regiment lautet doch nicht Scholz, sondern Söder. Aber Laschet, nicht Söder, ist schon jetzt der perfekte Sündenbock.

IV.

Unter einigermaßen normalen Verhältnissen würde man den Unionsparteien wünschen, nach 16 Jahren unter Merkel in der Reha zu landen, nicht ohne vorherige Therapie: Bußfertigkeit und Reform an Haupt und Gliedern. Die CSU muss entsödert werden. Wie einst die bekiffte Feenkönigin Ophelia einem Esel namens Zettel, hat er sich in die Arme grüner Traumtänzer geworfen. Der Sommernachtsalbtraum wird schwerster Migräne weichen. Am besten wäre, es übernähmen noch nicht glatt gebügelte und an Hirngespinste gefesselte Talente die Führung. Doch, doch, es gibt sie. Aber Carsten Linnemann – um nur einen zu nennen – kommt in Laschets Team nicht einmal vor. So besteht die Gefahr, dass sich nach Laschets Niederlage das bürgerliche Lager nichts sammelt, sondern erst einmal weiter erodiert.

V.

Und dennoch: Die große, akute Gefahr ist der Absturz der Republik ins grün-rote Nirwana. Die Schwarzen sollten deshalb nun nicht die weiße Fahne hissen. (Und schon gar nicht die grüne Flagge der Klimareligion.) Also bleibt nur die vage Hoffnung, dass es Laschet am Ende doch irgendwie schaffen könnte, an diesem Wochenende besser abzuschneiden, als die Auguren raunen, und zusammen mit der FDP eine Regierung zustande zu bringen, selbst wenn er nur auf Platz zwei landet.

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