Tichys Einblick
Populismus pur

Haltet den Dieb! Söders Doppelstrategie und die Folgen

Die CSU södert sich durch die Katastrophe. Niemand da, der dem großen Vorsitzenden widerspricht. Außer er selbst.

Gegen den virtuellen Kleinen Parteitag der CSU ist der Große Volkskongress in Peking geradezu eine Missa solemnis. Söder hielt ihn praktisch nur mit sich selbst ab. Die CSU södert sich durch die Katastrophe. Niemand da, der dem großen Vorsitzenden widerspricht. Außer er selbst.

I.

In Bayern herrscht auf höchste Anordnung Willkür. Wer wollte das bestreiten? Wer Punkt Acht nicht aufgegessen hat, wird brutalstmöglich aus dem Gartenrestaurant entfernt. Das ist nur eine, kleine, nebensächliche doch bezeichnende Erfahrung. Die Sonne geht zwar erst um neun unter – und der Aufenthalt im Freien wird auch danach nicht gefährlicher als vorher. Doch auf Söders höchsten Ratschluss mit sich selbst wird es um Acht zappenduster mit der Gemütlichkeit. Man soll sie spüren, die Achtsamkeit. Achtung, Achtung, hier spricht Xi Söder, euer beliebter Landestyrann. Was söderseits als offener Biergarten gerühmt wird, ist oft nur ein Absperrgitterlabyrinth. Aber das ist für ihn ja die offene Gesellschaft insgesamt. Dankbare Untertanen nennen dies die „neue Normalität“.

II.

Wer so etwas für verhältnismäßig und vernünftig hält, ist womöglich von der Angstseuche erfasst und sollte beatmet werden mit der Luft der Freiheit, die angeblich in den Bergen wohnt. Aber so viele Beatmungsberge, wie nötig wären, gibt es in Bayern nicht. Man darf auch nicht hinauf, weil zwar der Deifi ned aufikimmt, aber die lange Hand des Patriarchen ist überall.

III.

In jedem Machthaber haust ein gewisses Maß an Irrsinn, weil jeder die Kontrolle über sich selbst verliert, der nicht mehr kontrolliert wird. Daran krankt derzeit die Demokratie in Deutschland – ob parlamentarisch, innerparteilich oder medial. Die herrschende Denklähmung macht, dass sich die meisten Bürger Amtsanmaßung als Verantwortungsgefühl, Besserwisserei als rationale Wissenschaftlichkeit, Egomanie als Selbstbewusstsein und Zusammenhalt als Folgsamkeit vormachen lassen.

IV.

Der gnadenlose Populist Söder hat eine Doppelstrategie entwickelt. Einerseits sorgt er dafür, dass die sozialen und ökonomischen Kosten seiner Maßnahmenorgie ins Unermessliche steigen. Andererseits ist er nun derjenige, der am deutlichsten die Wahnsinnskosten kritisiert, die dem deutschen Steuerzahler zugemutet werden. Haltet den Dieb! Söder hat vollkommen recht, wenn er eine „Obergrenze“ fordert. Der Staat dürfe nicht nur Geld verteilen – das ihm sowieso nicht gehört. Die CSU hat auch schon einmal eine andere Obergrenze gefordert. Söder ist gegen Corona-Bonds und für Steuererleichterungen. Wie wäre es erst einmal mit Lebenserleichterungen, die nicht nur Show sind? Söder widerspricht sich praktisch selbst. Gut, dass es wenigstens einer tut.

V.

Er hat ja nicht so sehr vor dem Virus Angst und den Folgen des anfänglichen Regierungsversagens, sondern vor den systematisch verängstigten Bürgern. Vielleicht aber treibt ihn bereits eine andere Angst noch mehr um. Angst vor Merkel, wenn die am 1. Juli den Vorsitz der EU übernimmt. Dann wird sie gemeinsam mit Ursula von der Leyen Angst und Schrecken bei Generationen von Steuerzahlern verursachen. Ihr wird es egal sein. Sie hat mit den katastrophalen Wirkungen ihrer Maßnahmen – nicht erst seit Corona – nichts mehr am Hut. Wenn es ganz dick kommt, schreibt sie schon ihre Memoiren. Vermutlich stilisiert sie sich wie einst Kohl als Retterin Europas. Kohl hat den Euro verschuldet. Dieser bisher größten Fehlentscheidung in der Geschichte der EU folgt nun eine noch größere: Die Umwandlung der EU in eine Schuldengemeinschaft.

VI.

Der begnadete Populist Söder wird sich davon rechtzeitig distanzieren – aber es nicht verhindern. Nur ein weiterer schlauer Schritt Richtung Kanzlerschaft? Und sollen wir ihm dafür auch noch dankbar sein?

Anzeige