Tichys Einblick
Merz lobt die Grünen und warnt die FDP

Ukraine-Koalition neu für Jamaika-Koalition?

Merz reicht jede Gelegenheit, von der er Scheuklappen tragend glaubt, seinen Kanzlerstuhldrang vermeintlich unauffällig loswerden zu können, ohne etwas zur Politik sagen zu müssen, die eine Regierung mit ihm verfolgen könnte.

dts

Offenes Visier kann er nicht, also tarnt CDU-Chef Friedrich Merz seine Wünsche als Vorschlag für den Termin von Neuwahlen: „Wenn die Bundesregierung vorzeitig scheitert und es tatsächlich Neuwahlen gibt, bietet sich als Termin der 22. September dieses Jahres an“, tönt Merz in den heutigen Ausgaben der Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Die Sommerferien wären dann überall vorbei, und mit der Landtagswahl in Brandenburg ist der Tag bereits ein Wahlsonntag.“

Siegeszug liberal-konservativer Publizisten
Eine linke Lebenslüge nach der nächsten fliegt auf
Auf die Frage, ob er aktuell mit einem Scheitern der Ampel-Koalition rechne, verwies Merz an die FDP. Die wüsste, dass sie bei Festhalten an der Ampel bei der Wahl aus dem Parlament ausscheiden könnte. Die FDP werde daher aus seiner Sicht nicht als Teil der Ampel in den Wahlkampf gehen wollen. Die Frage sei nur, wann sie gehe und aus welchem Anlass. Merz: „Das Volk liebt den Verrat, aber nicht den Verräter.“ Merzens verdeckter Rat: „Verrat“ ist weniger riskant als „Verbleib“.

Beim Folgenden stoßen heute beim Frühstück Altmaier, Pofalla und Röttgen von der Pizza-Connection vor lauter Freude die Kaffeetassen um, denn Merz lobt die Grünen: „Die Grünen sind in der Lage, die Realitäten sehr schnell anzunehmen, zumindest in der Außen- und Sicherheitspolitik“, Freiheit und Frieden seien die Voraussetzung für alles andere: „Ich habe in diesem Punkt Respekt vor den Grünen, sie haben eine tiefe Wandlung durchgemacht.“ Robert Habeck sei der Erste gewesen, der von Waffenlieferungen für die Ukraine gesprochen habe.

Ukraine-Koalition als neues Wort für Jamaika-Koalition?

Was Merz da von sich gibt, ist ihm gar nicht bewusst. Er will auf den Kanzlerstuhl, mit welcher Politik ist ihm egal. Also braucht er auch kein Wort zu verlieren zu den katastrophalen Ergebnissen der grünen Ampel, wie sie Roland Tichy notierte:

Der rasante Absturz der Industrie und Wirtschaftsleistung, damit verbunden weniger Verkehr, Verzehr und Konsum, reduzieren den CO2-Ausstoß; Strom wird zunehmend importiert.
Angesichts weiter zunehmender und politisch forcierter Massenmigration bleibt pro Kopf immer weniger; weil der Kuchen schrumpft, da müssen eben die Stücke kleiner werden.
Umverteilt wird – und wie: über Steuern, hohe Mieten (nur für Einheimische, bei Zuwanderung übernimmt der Staat auf Kosten der Steuerzahler), Bildungsabbau und Inflation.

Nein, dass er die Ampel-Politik nahtlos fortsetzen würde, will Merz natürlich nicht zu erkennen geben, das könnte ja sogar immer noch unbelehrbare Unions-Wähler vertreiben. Also nützt er jeden Anlass, von dem er Scheuklappen tragend glaubt, seinen Kanzlerstuhldrang vermeintlich unauffällig loswerden zu können, ohne etwas zur Politik sagen zu müssen, die eine Regierung mit ihm verfolgen würde.

Falters Brandmauer

Ramelow will mit BSW koalieren
Wenn das „Irrlicht“ Wagenknecht zur Machtstütze wird
Für den Fall, dass aus Jamaika nichts werden kann, weil die FDP bei „Verrat“ UND „Verbleib“ auf der Strecke bleibt, tröstet Senior-Forschungsprofessor Jürgen Falter, indem er der AfD keine Chancen auf eine Regierungsbeteiligung gibt. Sollte die AfD stärkste Partei bei einer Bundestagswahl werden, würde sie bei dem Versuch, mit anderen Parteien eine Koalition zu bilden, „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit scheitern.“ Aber auch auf Länderebene hält es Falter für ausgeschlossen, „dass es der AfD gelänge, eine Koalition oder auch nur eine Mehrheit zur Wahl eines von ihr gestellten Ministerpräsidenten zustande zu bringen.“ Eine Minderheitsregierung, „die sich ihre Gesetzgebungsmehrheiten von Fall zu Fall zusammensuchen muss“ ist für Falter „die wahrscheinlichste Konstellation in Sachsen und Thüringen.“ Im Bund ist für Falter ein ähnliches Vorgehen realistisch: „Eine Minderheitsregierung, die von der stärksten Partei nach der AfD geführt würde.“

Altmeister Falter kennt den Parteienstaat, beim Draußenhalten der AfD funktioniert er wie am Schnürchen. Bei Merz ist Verlass darauf, dass auf ihn kein Verlass ist. Und der Parteienstaat bleibt am Brunnen, bis er bricht.

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