Tichys Einblick
Macht, Gewalt und Rache in der Filmindustrie

DER SPIEGEL Nr. 9 – Hollywood intern

Das Geschäftsmodell Mainstream-Medien funktionierte solange, wie der Zugang zu Informationen und deren Deutung ihr Oligopol war, die Auswahl mangels anderer Quellen nicht infrage gestellt werden konnte und "die da oben" auch medial weit weg waren.

Glamour, Moral und Heldenbilder: eine boulevardeske Mischung erwartet die Spiegel-Leser in dieser Woche – und Selbsterkenntnisse darüber, warum viele Leser dem Spiegel und anderen etablierten Medien den Rücken kehren und sich aus andere Quellen informieren, zum Beispiel aus Tichys Einblick.

Es spricht für die Spiegel-Redaktion, dass sie sich seit der Lügenpresse-Debatte hin und wieder auch im eigenen Heft mit der eigenen Branche und sich selbst beschäftigt. Im Beitrag „Die Wut der klugen Köpfe“ analysiert Isabell Hülsen, warum unter so vielen Gebildeten eine Abneigung gegen „Mainstream-Medien“ wie Spiegel und Focus, ARD und ZDF oder große Tageszeitungen besteht und Blogs wie Tichys Einblick so viele Leser finden. Doch was lernen wir? Dass das Magazin weit davon entfernt ist, die Leser wirklich verstehen zu wollen. Wenn wache Bürger, kluge Köpfe, die sich nicht mehr medial bevormunden lassen wollen und deshalb in den „Mainstream-Medien“ (wie der Spiegel sie nennt) Wegweiser sehen, schon im Teaser mit „Hass“ konnotiert werden, wenn der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen diese Abtrünnigen mit „Lügenpresse-Light-Niveau“ beschreibt, wenn die aktuelle Ausgabe des Magazins nur so gespickt ist mit moralisierenden Beiträgen, wenn das Heft genau das wiederholt, was die Kronzeugen des Beitrags so nervt, dann zeugt das nicht davon, dass hier irgendetwas wirklich verstanden wurde.

Bis die Macht der Mandarine Ohnmacht wird
Demokratie-Dämmerung
Das Geschäftsmodell Mainstream-Medien funktionierte so lange, wie der Zugang zu Informationen und deren Deutung ihr Oligopol war, solange, wie die Auswahl mangels anderer Quellen nicht infrage gestellt werden konnte, solange wie „die da oben“ auch medial weit weg waren. Internetzeitalter und die Social Media, in denen sich jeder einem breiten Publikum anbietet, wenn nicht gar anbiedert, haben das alles auf den Kopf gestellt. Es ist nicht der Fehler der Nutzer, die beschimpft werden ob einer wie auch immer falschen Nutzung der Medien. Es ist die Bankrotterklärung der mainstream-Medien vor einer sich rasant verändernden Welt. Wenn die Redaktionen an einem Punkt anfangen würden, den die Autorin in ihrer Analyse nennt, dann wäre schon ein wichtiger Schritt getan: „Der Leser will nicht glauben müssen, sondern sich ein Urteil bilden dürfen. Er will mit guten Argumenten überzeugt und nicht bevormundet werden. Dazu braucht es … Respekt“. Dem Einschub von Isabell Hülsen, dass es nicht die saubere Trennung von Nachricht und Kommentar brauche, widerspreche ich vehement. Moderne Mediennutzer wollen und müssen die Fakten in die Hand bekommen, um selbst bewerten zu können. Alles andere ist wieder Bevormundung.

Mit zwei überraschenden Personalien hat die CDU die politische Agenda des Spiegels gesetzt: Im Interview „Die Partei ist zu kurz gekommen“ mit Ralf Neukirch und Melanie Amann erhalten wir vage Hinweise darauf, was sich unter der Führung von Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Generalsekretärin ändern wird. Tobias Hans ist „Der nächste Unbekannte“, kurz skizziert von Matthias Bartsch.

Zu Gabriel auf dem Abstellgleis der SPD schweigt der Spiegel überraschenderweise, während Focus in der aktuellen Ausgabe darüber fabuliert, was Andrea Nahles gegen den Außenminister hat. Kurz: Da werden alte Rechnungen beglichen.

Veit Medick und Michael Sauga fragen sich, welche Rolle Jungpolitiker Kevin Kühnert, seines Zeichens die SPD aufmischender Juso-Chef, künftig in der Partei spielen soll („Das fasst einen an“). Wie wäre es mit einem Praktikantenjob in einem Ministerium? Im Übrigen sehe ich in dessen Umtriebigkeit ein gutes Zeichen für lebendige Diskussionskultur und Meinungsvielfalt. Wir sollten in der innerparteilichen und der medialen Diskussionskultur wieder dahin zurückfinden, dass andere Meinungen bereichernd sind, nicht feindlich.

Meine Lektüreempfehlung ist der Beitrag „Gedopt in die Zukunft“ von Dinah Deckstein und Martin U. Müller. Aufhänger ist der Börsengang von Healthineers, der Medizinsparte von Siemens. Die Autoren beschreiben, wie Digitalisierung dieses Geschäft in kurzer Zeit verändern wird und wie die Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley schon in den Startlöchern stehen, um das Geschäft maßgeblich mitzubestimmen. Ob ein Riese mit alten Technologiewurzeln da mithalten kann, wird sich zeigen müssen.

Pharisäer
Hollywood: Kultur des Verdrängens
Heute in einer Nacht findet das Hollywood-Glamour-Event schlechthin statt, die Verleihung der Oscars im Dolby Theatre von Los Angeles. Die 90. Auflage der Veranstaltung wird – so wird erwartet – im Zeichen der #MeToo-Debatte stehen. Der Spiegel springt mit einem Titel auf den Zug auf. In „Krieg der Stars“ skizziert Philipp Oehmke „eine Branche am Rande des Nervenzusammenbruchs“. Ich gebe zu: Mich hat noch nie interessiert, was Stars und Sternchen und die sie umgebende Industrie treiben, weder in Hollywood noch anderswo. Als jemand, der in einer Bergbausiedlung aufgewachsen ist, interessieren mich der Glamour auf roten Teppichen, die Intrigen in der sogenannten Traumfabrik, wer mit schnellen Autos oder Motorrädern unterwegs ist, der Blick durchs Schlüsselloch, Poolszenen und raunende Erzählungen nicht. Wenn schon, dann Informationen über wirtschaftliche Bedeutung, Arbeitsplätze, Umsätze und wenn schon #MeToo, dann die Frage, ob die Debatte irgendwas an der weltweiten Dominanz der Filmfabrik Hollywood ändern wird – Fehlanzeige.

Billy Graham ist gestorben. Im Nachruf lese ich, dass Gott ihn – so sagte der Prediger einmal – vielleicht nach seinem Tod auf einen anderen Planeten senden werde, um dort das Evangelium zu verkünden. Ich sehe ihn schon in der nächsten Science-Fiktion-Produktion aus Hollywood auftauchen.