Tichys Einblick
Angelaufener Spiegel ohne Sicht

Der Spiegel Nr. 52 – „Jesus – Gottes Sohn“ / „Jesus, der Muslim“

Der Spiegel hat seinen alten Weg verloren und keinen neuen gefunden.

Für seine Jahresabschluss-Ausgabe versucht sich der Spiegel mit einer Provokation auf dem Titel, die kaum banaler sein könnte, wenn er Jesus einen Turban aufsetzt und ihn zum Muslim erklärt: „Jesus, der Muslim.“ Dem gegenüber gestellt in der gewohnt abendländischen Ikonografie: „Jesus, Gottes Sohn.“ Dazu weiter: „Was Christentum und Islam verbindet und trennt.“

Banal, weil die Schnellantwort so einfach geht: Im 21. Jahrhundert terrorisieren Islamisten die christlich geprägte Welt. Das Morgenland das Abendland würden nicht nur Dresdner anfügen. Historisch mag es Verbindungen zwischen den Religionen geben, aktuell stehen Selbstmordattentäter, IS-Kalifate und viele in den westlichen Ländern lebende, den Westen hassende Muslime dem Christentum ihrer Gastgeber feindlich gegenüber. Aber dazu gleich mehr.

Den Leitartikel darf dieses Mal der verehrte Volker Weidermann aus dem Kulturressort schreiben. Er titelt bezüglich #metoo: „Der deutsche Mann ist nicht in Gefahr.“ Interessant zunächst drei Sätze im Text. Und die gehen so: „Und. So. Weiter.“ Fesch, oder? Wie aus einer Provinzwerbeagentur. Inhaltlich beschäftigt sich der Artikel mit einem schwedischen Gesetzesentwurf, der einem „Nein heißt Nein!“, noch ein „Ja heißt Ja!“ anfügen will, der also möchte, das man vor dem Sex eine Vereinbarung gegenseitigen Einvernehmens ausfüllen soll, dass man nun gemeinsam willens sei, gleich zur Vereinigung in die Kiste zu krabbeln.

Für Volker Weidermann könnte dieses „Ja heißt Ja!“ für Deutschland ein Neubeginn sein. Schade, die fast 50-Jährige Edelfeder des Spiegels verabschiedet sich also ins Neue Jahr mit einem kindischen Blödsinn. Vielleicht sollte man solche Fragen im gesetzten Alter lieber der Generation Tinder überlassen und tapfer weiter Gegenwartsliteratur rezensieren.

Den Meinungsartikel darf Jan Fleischhauer machen. Er beschäftigt sich damit, dass der Papst das Vater unser dahingehend ändern will, dass Gott uns nicht mehr in Versuchung führen darf. Der Gottesbezug soll gestrichen werden. Und so, wie Fleischhauers Arbeitgeber Spiegel Jesus im Titel zum Muslim machen will, macht der Autor den Papst zu Donald Trump. Beiden gemeinsam wäre eine Neigung zu unbedachten Sätzen.  Und langsam nähern wir uns auch der Titelgeschichte an, die befürchten lässt, dass wir dort der Mutter des Blödsinns auf Augenhöhe begegnen. Vorher aber noch eine Werbung für Reisen ins märchenhafte Rajasthan.

Nun zur Titelgeschichte, die dieses Mal aus der Feder eines einzigen Autors stammt, wo sonst gerne eine halbes Dutzend Spiegel-Autoren gemeinsam titeln. Dietmar Pieper veröffentlichte 2012 „Jesus von Nazareth und die Anfänge des Christentums“. Pieper durfte auf Spiegel-Kosten zu einem interreligiösen Treffen nach Abu Dhabi fahren. „Treffen sich ein christlicher Priester, ein Imam und ein islamischer Religionsgelehrter zum Gespräch über Jesus, Maria und Weihnachten. Was kommt dabei heraus?“; fragt der Spiegel. Ja, was kommt dabei heraus? Jedenfalls zunächst einmal ein ziemlich hemdsärmliges Foto, wenn Pieper und Andrew Thompson, Leiter der Anglikanischen Kirche in Abu Dhabi, mit Mohammed Jahja al-Jadali, Imam der Moschee „Mariam Umm Issa“ (Maria, die Mutter von Jesus) und dem islamischen Religionsgelehrten Thani Almuhairi sprechen und letztgenannter sich gerade barfüßig eine Art Hirtenstab, der in Wahrheit ein traditioneller Gehstock ist, zwischen die bloßen Zehen geklemmt hat.

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Für Pieper „gerade in der Weihnachtszeit ein schöner Gedanke“, dass Jesus und Maria auch Protagonisten im Koran sind. Merkwürdig, denn eigentlich ist das ja ein erschreckender Gedanke, wenn man an die islamischen Attentate in Europa denkt, namentlich zur Weihnachtszeit am Berliner Breitscheidplatz oder wenn man an tausende von Christen denkt, die Jahr für Jahr in der islamisch geprägten Welt hingemetzelt werden. Die Welt wusste 2012, dass „100 Millionen Christen in vielen islamischen Staaten“ verfolgt werden und das dort alle fünf Minuten ein Christ ermordert wird. Radio Vatikan vermeldete für 2016 neunzigtausend ermordete Christen, die Zahlen für 2017 werden kaum geringer ausfallen. Für Pieper mag es also ein schöner Gedanke sein, dass der Islam Jesus und Maria verehrt, in der realen Welt hat das keine Bedeutung. Hätte es übrigens auch nicht, wenn ausnahmslos jede Moschee auf diesem Erdball den Namen der Mutter Jesu tragen würde. Die Verstörung wäre nur noch größer.

Der Streit könne doch eigentlich aufhören, wenn die beiden größten Religionen der Welt so einen gemeinsamen Kern hätten, grübelt Pieper und fragt nach einer Versöhnung der sich fremd gewordenen „Brüderkirchen”. Juden, Christen und Muslime führten ihre Religion ja alle gemeinsam auf Stammvater Abraham (Ibrahim) zurück.

Ein Atheist schlussfolgert hier möglicherweise zur Recht und mit Blick auf die purpurnen Ströme aus Blut, welche diese monotheistischen Religion gemeinsam hinterlassen haben: Was für eine schreckliche Familie!

Der islamische Religionsgelehrte Thani Almuhairi ist für den Spiegeltitel verantwortlich. Im Gespräch erklärt er nämlich: „Jesus war Muslim.“ In seinem Sinne in der Übersetzung „sich Gott unterwerfen.“ Eine Interpretation, die der Spiegel dankbar aufnimmt, für seine Titelthese. Ach herrje.

Der Leiter der anglikanischen Kirche relativiert, klar, man könne das so sehen, aber Jesus wäre nicht den Ritualen des Islam gefolgt. Gut, lieber Herr Andrew Thompson, das wäre auch chronologisch kaum möglich gewesen, der Islam ist immerhin siebenhundert Jahre jünger, als Jesus. Thompson wird in Abu Dhabi oft gefragt, ob er Muslim sei. Er antwortet dann immer: „halb und halb“, als würde er Mett bestellen, das es in Abu Dhabi in der Mischung allerdings sicher nicht zu kaufen gibt. Denn auch er unterwerfe sich dem Willen des Herrn.

Was für ein Gespräch! Ein weiteres Foto zeigt die beiden Muslime mit dem Christen Thompson Hand in Hand. Gott sei Dank erwähnt der Kalif dann noch, dass der Islam die abschließende und damit die „überlegene Version des monotheistischen Glaubens“ sei. Es wäre doch auch zu viel des Guten gewesen, wenn es dem Spiegel gelungen wäre, mit einem Besuch ihres Herrn Pieper in Abu Dhabi gleich die ganze Welt zu befrieden.

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Unsere drei Kirchenleute und ein Reporter wühlen sich noch über ein paar weitere Seiten durch die Geschichte des Nebeneinanders der Religionen. Durch Jahrhunderte monotheistischen Gemetzels um die weltliche Vorherrschaft unter dem Banner genannter Religion. Kirchen als willfährige Helfershelfer: Christentum und Kolonialismus gingen Hand in Hand: Auf der anderen Seite das Schwert des Propheten, dass den Islam in die Welt brachte.

Geschichtsstunde im Spiegel. Aber wozu? Um was zu erzählen, was zu erklären? Um eine buchverankerte Nähe der Religionen anzurufen, die als Bundesgenossen im Kampf um weltliche Macht ihren Kampf um religiöse Deutungshoheit kämpften, von der immer noch Milliarden Menschen glauben, diese korrupten Kirchen könnten die Welt besser machen, wo sie bis heute ganze Regionen zurück ins Mittelalter katapultieren? Zuerst die Christen, nun die Muslime?

Was hat den Christen das Schwert entrissen? Es war ein mühsamer, mit hohem Blutzoll bezahlter Prozess der Säkularisierung. Der Knebelung und Verbannung der Religionen ins Private. Im Westen fortgeschrittener, als im Osten. Immerhin ist das Christentum dem Islam 700 Jahre voraus. Doppelt bizarr, dass es bis heute Christen gibt, welche sich die Aufklärung in Europa auch noch auf ihre Fahnen schrieben wollen.

Pieper endet für den Spiegel mit der Feststellung, die Ölstaaten würden eine Einnahmequelle für die Zeit nach dem Versiegen der Ölquellen suchen. Deshalb würden die Herrscher Toleranz predigen. Für die Welt sei das ein gutes Signal. Sicher, für den Autor und seine Spiegel-Entourage eine nette Reise in wärmere Gefilde mitten im deutschen Winter. Allein der Sinn entzieht sich. Nichts erkennbar Neues, das über irgendeine Schullektüre hinausgehen könnte. Es ist die zeitgeeistmäße Mär von „Jesus, ein vom Islam geehrter Prophet…“. Grundlage des Christentums ist die Geburt, das Wirken und die Erlösung, welche durch Jesus nur als der Sohn Gottes stattfinden konnte. Indem man ihn zu einem Propheten in einer Reihe vieler anderer und selbstverständlich dabei auch unter Mohamed stehend mache und explizit sage, Jesus war nicht der Sohn Gottes, entzieht man dem Christentum die Daseinsberechtigung. „Mehr Feindseligkeit geht nicht“, schreibt unser Leser Dennis Staudmann dazu im Kommentar. Aber im SPIEGEL kommt alles so nett daher, so friedvoll, und ist doch so feindselig.

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So folgt dann auch ein Artikel über verhinderte islamistische Attentate in Deutschland, über die Gefahr von IS-Heimkehrern. Hier übrigens wieder gegengezeichnet von fünf Spiegel-Autoren, bevor man sich in die Niederungen der deutschen Politik begibt mit einem Interview mit SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles, aus dem wir nur einen einzigen Satz mitnehmen wollen: „Der SPD ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, eine glaubwürdige Konzeption für eine moderne und gerechte Gesellschaft zu entwerfen und zu vermitteln.“ Ja, Frau Nahles, Sie haben Recht, aber ziehen Sie nun bitte auch die richtigen Schlüsse daraus, sonst ist alle Erkenntnis nichts.

Nils Minkmar liefert dann noch eine Charakterstudie Sigmar Gabriels ab, die sich nahtlos einreiht in die vorangehende vorweihnachtliche Arbeitsverweigerung der Kollegen Weidermann und Fleischhauer wenn uns Minkmar Sätze kredenzt wie diesen hier: „Gabriel hatte eine Horrorkindheit. Der Vater war ein sturer Nazi, der die Familie plagte. Die Eltern trennen sich.“ Auch will Minkmar einmal mit Gabriel bei einem „leichten Abendessen in Goslar“ zusammen gesessen sein. Minkmar glaubt auch zu wissen, dass Gabriel Geld und Kleidung egal seien. Und so weiter und so fort – eine Art kleinlaute Heldenverehrung. Und man wird das Gefühl nicht ganz los, es lag alles an diesem leichten Essen in Goslar. Vielleicht saß man ja gemeinsam in der Butterhanne an der Marktkirche. Aber wenn interessiert auch das? Niemanden.