Tichys Einblick
Blick zurück - nach vorn

Blackbox KW 40 – Mit Zitronen gehandelt?

Lindner will dieses Mal Limonade aus den grüngelben Zitronen machen, die ihm das politische Leben schenkt, Laschet soll weg, und Berlin zeigt, wie Wählen wohl in Zukunft geht.

Wie eine Ikone der Neuzeit wird derzeit ein Foto gefeiert, auf dem herzlich grüßen ein wandelnder Fettnapf, ihr stets leicht genervter, aber duldsamer Begleiter, sowie ein nachsichtig lächelnder, fescher Stenz mit Dreitagebart. In Ermangelung echter Nachrichten sprach Bild gefühlvoll von einem „süßen Flirt“, bei dem man sich nähergekommen sei („Was flüstert Lindner denn der Baerbock da zu?“), die Hamburger Mopo diagnostizierte auf einem ähnlichen „Selfie, das tief blicken ließ“, „leicht glasige Augen“, was auf die Einnahme „einiger Kaltgetränke“ zurückgeführt wurde. Nur die NZZ bremste die Euphorie über die politische Ménage à trois („Zitrus-Koalition“) mit den mahnenden Worten: Die visuellen Differenzen verstecken sich in den Details.

Ohne jeden Anflug von Poesie beklagte hingegen der Publizist Roger Köppel aus der seit Zwingli und Calvin wenig sinnenfrohen Schweiz fast schon ein wenig verbittert, dass Liberale mit Kollektivisten und Sozialisten so problemlos gemeinsame Sache machen können.

♦ Zuvor waren, soweit bekannt, überall im Lande die Wählerstimmen korrekt ausgezählt worden, außer in Berlin, aber dazu kommen wir noch. Der Chronistenpflicht gehorchend fassen wir zunächst zusammen: Olaf Scholz fuhr für die Genossen das zweitschlechteste Abschneiden eines SPD-Kanzlerkandidaten in der Geschichte der Bundesrepublik ein, geht aber fest davon aus, von Merkel nach der Raute auch den Amtssessel zu übernehmen.

♦ Für Armin Laschet, den Schussel aus Aachen, fing der Wahlsonntag schon bescheiden an, als er seinen Wahlzettel falsch gefaltet in die Box steckte, so dass jeder sehen konnte, wen er geheim gewählt hatte. Und hatte bis dato Dr. Angela Merkel die Union runtergerockt auf zweiunddreißgkommairgendwas, machte Armin den Sack nun mit 24,1 % endgültig zu.

♦ Die Lindnerpartei zeigte, dass man auch mit wenig (bundesweit 11,5%) glücklich und zufrieden sein kann. Denn dank des Hebelgesetzes ist sie nun mühelos in der Lage, Armin oder Olaf auf den Kanzlerstuhl zu hieven. Oder jemand anderen.
Annalena Baerbock, von Fakten oder Zahlen wie immer unbeeindruckt, sieht im Votum (14,8%) einen „klaren Auftrag für eine Klimaregierung“. Wir tippen auf Fliegenpilze im Veganer-Menü.

♦ Weder Kirchenglocken noch Zentralrat, weder Straßenschläger noch Hasskampagnen, nicht einmal der Spaltungsversuch von Professor Dr. Meuthen konnten die AfD unter 10% drücken.

♦ Blumen-Suse Hennig-Wellsow von der SED findet, die Leute hätten nicht verstanden, welche segensreiche Wirkung eine starke kommunistische Partei im Parlament haben kann. Und wenn die SED auch nur auf 4,9% kommt, mag man doch nicht auf sie verzichten. Trotz 5%-Sperrklausel. Dafür gibt es das Kleingedruckte mit der „Grundmandatsklausel“, die besagt, wer drei Wahlkreise direkt erobert, kommt mit der ganzen Mannschaft gemäß ihres Zweitstimmen-Anteils ins Parlament.

♦ Zwei Direktmandate holte die SED in Berlin, wo die Stimmenverteilung allerdings nicht gezählt, sondern geschätzt wurde. Kann man bei einer Stadt, die Heimstatt unzähliger linker, staatsfinanzierter NGOs ist, unterstellen, dass diese Vereine gerne antifaschistische Wahlhelfer en masse zur Verfügung stellen, damit ein Ergebnis ohne unerwünschte Resultate gewährleistet ist?

Nun streiten sich in Berlin Dummheit und Dreistigkeit um die Schuldfrage bei fehlenden Wahlzetteln, solchen im falschen Bezirk oder gleich auf dem Müll. Der Tagesspiegel berichtet von Unstimmigkeiten in 16 Berliner Bezirken. Vielerorts wurde anscheinend eine Wahlbeteiligung über 100 Prozent registriert. Beim Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ lag die Wahlbeteiligung in Reinickendorf bei 150 Prozent. Für die Berliner Leser fügt Bild erklärend hinzu, das sei mathematisch natürlich gar nicht möglich.

♦ Armin Laschet steht derweil unerschütterlich auf verlorenem Posten. Rettende Koalitions-Gespräche mit der FDP sagte Unionsfreund Söder ab, weil er zu einem Geburtstag müsse und danach auf eine lang geplante Konferenz (gut, dass er nicht Kandidat war, bei den vielen Terminen, die er jetzt schon hat). Friedrich Merz wäre bereit, Laschet als Parteichef abzulösen, wenn diesmal die Partei wählen dürfe und nicht nur Schäuble, und der treulose Jens findet, es müsse Schluss sein mit der gesamten alten Garde. Spahn selber rechnet sich nicht zu dieser Garde, sondern sieht sich eher als unbeschriebenes Rezeptblatt.

♦ Bruder Dobrindt von der bayerischen Schwesterpartei analysierte messerscharf, was alles falsch gewesen sei, nämlich „Kurs, Kampagne, Kandidat“. Damit konnte er gut erklären, warum sein Herr Söder in Bayern nur 31,7% für die Union einfuhr – das schlechteste Wahlergebnis seit 70 Jahren. So ist Armin sogar noch Söders Glück. Außerdem steht eh kein halbwegs bekannter Ehrgeizling auf der CSU-Bank zu seiner Auswechslung zur Verfügung.

♦ Strengste Masken-Disziplin und -Gehorsam werden nicht nur von Kindern in der Schule, Bahnfahrern und Besuchern öffentlicher Räume verlangt, auch im Bundestag gilt für „alle Räume, einschließlich des Plenarsaals, der Sitzungssäle und Besprechungsräume, sowie für alle Verkehrsflächen und Aufzugsanlagen der Gebäude“ verschärfte Maskenpflicht. Wegen dieses Corona. Bei einem Verstoß droht eine Geldbuße von bis zu 5.000 Euro. Das macht für die SPD eine knappe Million, nachdem sich an die 200 Abgeordnete (bis auf einen) nicht nur dicht an dicht und maskenfrei zum Gruppenfoto aufstellten, sondern das Foto auch noch stolz herumschickten. Moment, werfen die Genossen ein, hier gelte strafmildernd die 3G-Genossen-Regel (gewählt, geimpft, genesen), außerdem ist die Geldstrafe doch nur für AfDler vorgesehen.

♦ Selbst Karl, der einzige auf dem Bild mit Maske, erteilt großzügig Dispens, schließlich braucht er die Genossen ja noch, denn er könne sich nicht nur gut vorstellen, Gesundheitsminister zu werden, sondern er würde auch ein anderes Ministeramt nicht ablehnen in „Bereichen, in denen ich mich gut auskenne“.

♦ Langsam erwacht selbst die Merkel-Begleitpresse aus ihrer kollektiven Amnesie. So beauftragte und veröffentlichte die Zeit eine Umfrage, derzufolge eine Mehrheit von 2.500 Befragten Merkel Mitschuld am CDU-Wahldebakel gibt. Nach der Hauptschuld wurde wohl gar nicht erst gefragt.

♦ Währenddessen schützt Seehofers Horst unsere Grenzen mit dem von ihm bekannten Ernst (höhöhö). Der Grieche geht ihm dabei fleißig zur Hand, stellt notwendige Papiere aus und liefert direkt ans deutsche Sozialamt. Nur der Pole, dank Weißrusslands Lukaschenko plötzlich auch Transitland, bringt Unruhe in die eingespielten Abläufe und überprüft doch tatsächlich illegal Eingereiste. 50 Personen unter 200 Inhaftierten stünden in Verbindung mit terroristischen Kreisen, Milizen, bewaffneten Formationen, den Taliban und dem Islamischen Staat, sagte ein Sprecher des polnischen Innenministeriums. Da müsste die noch amtierende Bundesregierung mal schnell ein ernstes Wort mit den Polen reden, solche Meldungen verunsichern doch nur die hiesige Bevölkerung.

♦ Im Homeland NRW fiel – wie ein Menetekel für die demnächst verschärfte „Energiewende“ – ein 239 Meter hohes Windrad um, ohne dass ein Klimaschützer Hand angelegt hätte, und in Stuttgart fackelt „bei behördlich noch sehr unklarer Sachlage“ ein Busdepot „mit mindestens einem Elektrobus“ ab.


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